Ungarn: Schmalspurbahn Felcsút - Felcsúti kisvasút

  • Die Schmalspurbahn von Felcsút

    In Ungarn wird derzeit eine neue Schmalspurbahn errichtet, über deren Bau durchaus kontrovers diskutiert wird. Da dies aber schon in den verschiedensten Medien geschieht, möchte ich hier gerne einen Beitrag in sachlicher Sichtweise erstellen.

    Die Ausgangssituation

    Am 22.November 1898 wurde die normalspurige Eisenbahnverbindung von Bicske nach Székesfehérvár eröffnet. Die Einstellung des Personenverkehrs erfolgte am 26. Mai 1979. Auf einem kurzen Streckenabschnitt bei Bicske erfolgt noch Güterverkehr zu einem Öl-Depot. Ebenfalls im Güterverkehr wird noch der Abschnitt von Székesfehérvár nach Lovasberény bedient. Auf dem Abschnitt von Bicske (Abzweig Öl-Depot) nach Lovasberény wurden die Gleisanlagen teilweise zurückgebaut.

    Bahnhöfe und Kilometrierung der normalspurigen Strecke:
    km 00,0 Bicske
    km 07,4 Felcsút
    km 09,2 Alcsút-Felcsút
    km 13,0 Vértesboglár
    km 19,0 Vértesacsa
    km 26,0 Vereb
    km 27,6 Lovasberény
    km 33,7 Pátka
    km 38,3 Csala
    km 42,3 Pákozd
    km 50,1 Székesfehérvár

    Im Jahr 2009 kaufte die Puskás Ferenc Akadémia (eine Akademie zur Förderung von talentierten Fußballern) die stillgelegte Bahnstrecke von Bicske nach Vértesacsa und plante den Wiederaufbau zwischen Bicske und dem Arborétum bei Alcsútdoboz als normalspurige Strecke. Noch im Jahr 2012 ging die Planung von einer Achslast aus, die 21 Tonnen betragen sollte und es war an den Einsatz von Bzmot-Triebwagen bei einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h gedacht.

    Die Bauphase

    Später entschied man sich für den Wiederaufbau als Schmalspurbahn in 760mm-Spurweite zwischen Felcsút und Alcsútdoboz. Der ehemalige Bahnhof Felcsút-Alcsút dient hierbei als betrieblicher Mittelpunkt. Das Bahnhofsgebäude wurde schon im Jahr 2011 saniert und im Jahr 2015 errichtete man einen neuen Lokschuppen.

    Die Strecke der Schmalspurbahn folgt dem Váli-víz, einem kleinen Flusslauf, welcher im Gerecse-Gebirge entspringt und südlich von Budapest in die Donau mündet.

    ... weitere Informationen und natürlich auch Bildmaterial werden folgen ...

    Gruß, René

    2 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (1. Februar 2016 um 09:43)

  • ... und weiter gehts ...

    Mitte 2015 begann man mit dem Bau der Bahnanlagen. Folgende Bahnhöfe entstanden dabei:

    - Felcsúti Puskás Akadémia (Akademie und Stadion)
    - Felcsút-Alcsút (betrieblicher Mittelpunkt der Bahn)
    - Alcsútdobozi Arborétum (Sporthotel, Arborétum, klassizistisches habsburgisches Schloss)

    Ab Ende Oktober wurden die Gleise eingeschottert. Hierbei kam eine Lok aus Csömödér mit einem Bauzug auf die zukünftige Strecke, während gleichzeitig die Stopfmaschine im Einsatz war.

    Anfang November wurden dann zwei Mk48 nach Felcsút umgesetzt und im neuen Lokschuppen hinterstellt (doch dazu später mehr).

    Gleichzeitig waren Anfang November die Arbeiten an der Strecke weitestgehend abgeschlossen und die Lok aus Csömödér kehrte in ihre Heimat zurück. Restarbeiten sollen bis Ende November abgeschlossen sein, dann wird ein Probebetrieb auf der Strecke durchgeführt.

    Schon Anfang November äußerte sich der Ministerpräsident öffentlich vor der Presse zu Plänen, die Schmalspurbahn auf der alten Strecke bis nach Bicske und in der Gegenrichtung bis Lovasberény zu verlängern. Außerdem wurde von der Presse über eventuelle Pläne berichtet, eine völlig neue Strecke vom Arborétum über die Stationen Alcsútdoboz und Etyek nach Herceghalom zu bauen, wobei es sich hierbei wohl vorerst um ein Gerücht handelt.

    Link zu einem Video:
    TV-Meldung zur Schmalspurbahn

    ... wird fortgesetzt ...

    Gruß, René

    Edit: Rechtschreibfehler korrigiert

    2 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (28. November 2015 um 13:24)

  • In der Hoffnung, dass es auch Interesse an derlei Dokumentationen und nicht nur an Diskussionen über z.B. geklaute Türschlösser im Forum gibt, möchte ich den Beitrag mit einem ersten Foto fortführen. :wink:

    Am 22. Oktober begegnete mir die Stopfmaschine auf dem Streckenabschnitt Akadémia - Felcsút-Alcsút:

    Gruß, René

  • Hallo René,

    auch wenn ich noch nie in Ungarn war und bei der gegenwärtigen politischen Situation im Land zur Zeit auch nicht dorthin möchte, so sind Berichte über den Wiederaufbau oder Neubau von Schmalspurstrecken doch hier im Forum goldrichtig. Auch die Beweggründe, warum man sich für die (Schmalspur-)Schiene und gegen die Straße entscheidet, interessieren mich. Ich würde mich freuen, wenn wir noch mehr Fotos zu sehen bekommen.

    Einen schönen ersten Advent wünscht Ralf

  • Hallo Ralf,

    danke für Deinen Beitrag. Die derzeitige politische Situation in Ungarn soll nicht das Thema meiner Dokumentation sein, auch wird sie in der deutschen Öffentlichkeit etwas einseitig beleuchtet, was sich z.B. an der Kritik am neuen Mediengesetz (dessen Verabschiedung die EU-Kommission vorher zustimmen musste und dies auch getan hat) eindrücklich offenbart. Taucht man tiefer in die Materie ein, zeigt sich oft ein ganz anderes Bild, abseits (oftmals aus ideologischer Intention heraus) gepflegter Feindbilder, welche der Wahrheit meist nicht gerecht werden.

    Ich möchte eindeutig nicht den eisenbahnspezifischen Rahmen der Beiträge in diesem Thema verlassen.

    Gruß, René

    ... auch ich wünsche allen Lesern meiner Beiträge eine schöne Adventszeit. :)

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (28. November 2015 um 12:45)

  • Die Rahmenbedingungen

    Um zu verstehen, warum diese Schmalspurbahn gebaut wird, muss man etwas in die jüngere Vergangenheit schauen. Unter der vorherigen linksgerichteten Regierung wurde ein Programm (etwas schärfer als die Agenda 2010 von Rot / Grün in Deutschland) aufgelegt, welches einen großflächigen Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge zum Ziel hatte. So wurden eine Vielzahl von Eisenbahnstrecken stillgelegt, darunter auch zwei bekannte Schmalspurnetze. Nach der Wahl der derzeitigen Regierung wurden einige dieser Maßnahmen zurückgenommen oder abgemildert. Es wurde auf einigen normalspurigen Bahnlinien der SPNV wieder aufgenommen und man begann, in die im Betrieb befindlichen Schmalspurbahnen zu investieren. Als Beispiele sind hier nur Gyöngyös, Királyrét, die Verbindung Márianosztra - Nagyirtáspuszta und nun auch der Bau der Schmalspurbahn in Felcsút genannt. Für weitere Bahnen (auch Kecskemét und Nyiregyhaza) wurde die Erstellung eines Konzeptes in Auftrag gegeben, welches die zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten dieser Schmalspurbahnen erörtern sollte. Dieses wurde Mitte November 2015 vorgelegt. Neben der Erstellung von Machbarkeitsstudien für Schmalspurstrecken sieht dieses Konzept auch die Planung der Neuentwicklung von Fahrzeugen für die ungarischen Schmalspurbahnen vor. Insofern kann man sagen, dass die umfangreichen Förderungsmaßnahmen der ungarischen Schmalspurbahnen unter die Ägide der derzeitigen Regierung fallen.

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (28. November 2015 um 13:28)

  • Tach Leute!

    Klar, bei mir gehören Infos über die osteuropäschen Schmalspurbahnen immer zu den liebsten Themen. Denn da wird mir immer viel Unbekanntes näher gebracht. Und es gibt einfach zu viele Schmalspurperlen, die noch besucht werden möchten. Problem ist nur, woher die ganze Zeit nehmen? Daher bin ich immer froh über solche "Spezialisten-Infos", wo sich jemand erkennbar tiefgründig mit dieser Materie beschäftigt. Also, danke Rekok73!

  • Gern geschehen! Obwohl ich in Wernigerode wohne und die Harzer Schmalspurbahnen quasi vor der Tür habe, beschäftige ich mich lieber intensiv mit der Darstellung dieser ungarischen Bahnlinie, zumal die Harzer Schmalspurbahnen hier im Forum von einer Vielzahl von Spezialisten gewürdigt werden, so dass das Dazugeben meines Senfes nicht erforderlich erscheint. ;)

  • An dieser Stelle soll nun ein weiteres Bild vom 22. Oktober 2015 folgen, als ich die Baustelle der Schmalspurbahn besuchte.

    Ich konnte trotz laufender Bauarbeiten völlig ungehindert fotografieren. Ich wurde nicht ermahnt oder im Handeln eingeschränkt, sondern von den Arbeitern freundlich gegrüßt, selbst als ich für einige Aufnahmen den direkten Bereich der Baustelle kurzzeitig betreten habe. Nirgendwo hingen die in Deutschland allerorten üblichen Verbotsschilder 'Betreten der Baustelle verboten. Eltern haften für ihre Kinder.' oder 'Bahnanlagen. Betreten verboten.', was mir sofort aufgefallen ist.

    Das Bild zeigt den zukünftigen Bahnhof Felcsút-Alcsút mit seinem Bahnhofsgebäude, welches noch aus der Zeit der normalspurigen Strecke stammt und 2011 saniert wurde. Im Hintergrund sieht man den Neubau des Lokschuppens, welcher sich an historischen Vorbildern orientiert und meiner Meinung nach, gut zum Ensemble der Schmalspurbahn passen wird.

    Gruß, René

  • Hallo René,

    vielen Dank für Deine in jeglicher Hinsicht interessanten Informationen um und über diesen Neubau.
    Leider gibt es hier relativ wenig Meldungen über Schmalspurbahnen in süd- und osteuropäischen Ländern, was sicher auch mit den sprachlichen Barrieren zu tun hat.
    Freue mich auf die Fortsetzungen. Wieder ein neues Reiseziel? (Es gibt noch so viele...).

    Grüße nach Wernigerode

    Michael