Ungarn: Bahnlinie Tatabánya - Oroszlány

  • Hallo,

    hier möchte ich diese normalspurige Bahnlinie vorstellen, welche sich in der Nähe meines regelmäßigen Aufenthaltsortes befindet und die über eine interessante Geschichte verfügt, da sich die gesamte Region im wirtschaftlichen Umbruch befindet. Bis in die Neuzeit hinein dominierte der Bergbau das Gebiet. Im letzten Bergwerk Ungarns, in welchem unterirdisch Kohle abgebaut wurde, ist erst vor wenigen Monaten die Förderung eingestellt worden ... doch dazu später mehr. Jetzt erstmal einige Informationen zur Bahnlinie selbst.

    Tatabánya - Oroszlány

    Bei dieser Bahnlinie handelt es sich um eine elektrifizierte Stichstrecke, welche in Tatabánya von der Hauptbahn Budapest - Hegyeshálom - Királyhida (Bruck an der Leitha) abzweigt.

    Sie verläuft am südöstlichen Rand der 'Kleinen ungarischen Tiefebene' (Kisalföld), welche hier vom Vértesgebirge begrenzt wird.

    Ein kurzer Blick in die Geschichte der Bahnlinie:

    Der Streckenabschnitt von Tatabánya nach Környe wurde als Teilstrecke der Verbindung Tatabánya - Kisbér - Pápa am 12. September 1902 eröffnet. Die Bahnlinie von Környe nach Oroszlány erlebte am 01. September 1950 ihre Betriebsaufnahme. Der elektrische Betrieb auf der Gesamtstrecke von Tatabánya nach Oroszlány konnte schließlich am 23. Dezember 1965 aufgenommen werden. Am 04. März 2007 endete der Personenverkehr auf der Strecke von Tatabánya nach Pápa.


    Der Streckenplan mit den beiden Strecken nach Oroszlány und nach Kisbér (- Pápa)

    Die Kilometrierung der Strecke:

    km 0,0 - Tatabánya
    km 3,0 - Bánhida
    km 7,5 - Környe (Trennung von der Strecke nach Pápa)

    km 0,0 - Környe
    km 3,3 - Kecskéd alsó
    km 7,1 - Oroszlány

    Als Anschlussgleis der Kohlegrube endete das Gleis auf dem Werksgelände schließlich im Kilometer 8,96. Hier bestand Anschluss an die schmalspurige Wirtschaftsbahn, welche einige Tagebaue erschloss.

    ... wird fortgesetzt

    Gruß, René

    3 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (25. Januar 2016 um 21:01)

  • Tatabánya vasútállomás (Bahnhof Tatabánya)

    Mit dem Bau der Hauptstrecke von Budapest nach Királyhida (Bruck an der Leitha) wurde der Bahnhof Bánhida am 15. Juli 1884 im Streckenkilometer 70,8 eröffnet. Mit der Eröffnung des gleichnamigen Haltepunktes an der Strecke nach Környe trug er fortan den Namen Tatabánya alsó. Mit der Umbennung des Bahnhofs Tatabánya felsö in Felsögalla bekam der heutige Bahnhof Tatabánya schließlich seine endgültige Bezeichnung.

    Die heutige Stadt Tatabánya entstand am 10. Oktober 1947 durch den Zusammenschluss der Gemeinden Alsógalla, Felsögalla, Bánhida und Tatabánya, wobei die Stadtgeschichte auf das Jahr 1733 zurückgeht, als die Siedlungen Untergalla (Alsógalla) und Obergalla (Felsögalla) von deutschen Zuwanderern gegründet wurden.

    Während der Jahre von 1897 bis 1987 wurden im Tatabányaer Becken insgesamt 16 Gruben und 5 Tagebaue betrieben. Mit Schließung der letzten Grube bei Síkvölgypuszta hatte man im Tatabányaer Revier insgesamt 170651 Kilotonnen Kohle gefördert.


    Das Empfangsgebäude mit Markthalle aus dem Jahr 1988, befindet sich heutzutage in einem etwas desolaten Zustand, soll aber mittelfristig durch einen Neubau ersetzt werden.


    Der Talent-Triebwagen steht zur Abfahrt bereit. Die Züge nach Oroszlány verkehren im Stundentakt. (15. Juli 2015)

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (22. Januar 2016 um 22:44)


  • Tatabánya ist Kreisstadt des Komitats Komárom - Esztergom und hat etwa 70000 Einwohner. Anhand des Fahrgastaufkommens am Bahnhof lässt sich leicht erkennen, dass sie zum Einzugsgebiet der Hauptstadt Budapest zählt. Ab Tatabánya in Richtung Györ werden dann die Regionalzüge spürbar leerer.

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (22. Januar 2016 um 22:45)

  • Bánhida megállóhely és teherállomás (Weinhild Haltepunkt und Güterbahnhof)

    In den Jahren von 1928 bis 1930 baute man neben der Strecke ein Kohlekraftwerk (Bánhida II). Zur Versorgung des Kraftwerkes entstand in diesem Zusammenhang eine Anschlussbahn. Für die Beschäftigten wurde der Haltepunkt eingerichtet. Der heutige Haltepunkt Bánhida trug in früherer Zeit auch die Bezeichnungen Bánhida-Erömü (Fahrplan 1947) und Tatabányai erömü (Fahrplan 1983). Das Kraftwerk wurde von der Kohlegrube in Mány beliefert. Nach deren Schließung am 09. April 2004 stellte dann auch das Kraftwerk am 07. Januar 2005 den Betrieb ein. Neben dem Kraftwerk besaßen am Güterbahnhof auch ein Betonwerk und das Lager eines Lebensmittelgroßhändlers (mit Seitenrampe) einen Gleisanschluss.


    Ein Leerzug vom Kraftwerk Oroszlány (bei Bokod gelegen) durchfährt den Haltepunkt Bánhida. (20. Oktober 2015)

    Gruß, René

    3 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (23. Januar 2016 um 21:27)

  • Fortsetzung Bánhida


    Hier nun ein Bild von einem Zug, welcher aus Tatabánya kommt und gleich am Haltepunkt Bánhida zum Halten kommt. Im Hintergrund befindet sich der Steinberg, auf welchem sich einige Sehenswürdigkeiten von Tatabánya befinden: Die Turul-Statue, die Selim-Höhle und der Ranzinger-Aussichtsturm (ein ehemaliger Fördergerüst)


    Hier nun ein Bild vom Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs in Richtung des Haltepunktes. Im Vordergrund quert die Straße nach Környe die Gleise. Direkt gegenüber des Haltepunktes befindet sich die Industrieruine des ehemaligen Kraftwerkes Bánhida II.

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (24. Januar 2016 um 12:25)

  • Turulmadár és Szelim-barlang (Turul-Vogel und Selim-Höhle)

    Natürlich soll an dieser Stelle auch auf die Hauptsehenswürdigkeit von Tatabánya eingegangen werden. Es handelt sich um das Turul-Monument oberhalb von Tatabánya auf dem Steinberg. Bei einer Fahrt auf der Autobahn von Wien nach Budapest ist das Monument unübersehbar. Im Jahr 900 soll der Turul einer Legende nach die Magyaren unter Großfürst Árpád zur Landnahme nach Pannonien geführt haben. Im Jahr 907 kam es zu einer Schlacht zwischen Magyaren und Slawen, aus der die Magyaren siegreich hervorgingen. Diese Schlacht ereignete sich im Gebiet des heutigen Bánhida. Sie war der ausschlaggebende Grund dafür, dass die Magyaren im Gebiet des heutigen Ungarn seßhaft wurden. Im Jahr 1907 wurde aus Anlass des tausendjährigen Gedenktages dieses Ereignisses das Monument des Turul eingeweiht. Es wurde auf dem Steinberg errichtet. Bei der Statue mit einer Flügelspannweite von 15 Metern handelt es sich um die größte Vogelstatue in ganz Europa. Der Vogel thront auf einem Podest, trägt eine Krone und hält ein Schwert in seinen Fängen. Sein Blick ist nach Westen auf das ehemalige Schlachtfeld gerichtet. Während der Zeit des Sozialismus wurde mehrfach der Versuch unternommen, das Monument aufgrund seiner Verkörperung eines nationalen Symbols abzutragen. Sein heutiges Vorhandensein ist das Ergebnis der Reaktion weiter Teile der Bevölkerung auf dieses Ansinnen.

    Es folgt noch ein Bild eines Blickes aus der Selim-Höhle auf die Stadt Tatabánya mit der Landmarke des Kraftwerkes Bánhida II im Hintergrund. Die Höhle im Kalkstein ist etwa 45 Meter lang und 12 bis 14 Meter breit. Die etwa 40000 Jahre alte Höhle wurde in den 1930-er Jahren erforscht und man fand prähistorische Steinwerkzeuge und Knochen. Nach einer Legende diente die Höhle den Bewohnern von sieben umliegenden Dörfern zur Zeit der türkischen Besatzung unter Sultan Selim II als Fluchtort, wo sie durch den Rauch eines am Eingang aufgestapelten Feuers erstickt worden.

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (23. Januar 2016 um 13:50)

  • Vom Güterbahnhof Bánhida habe ich einen schematischen Gleisplan gezeichnet. Eine Vervollständigung plane ich im nächsten Urlaub. Anschließer waren das Kraftwerk, das Lager eines Lebensmittelgroßhändlers (mit Seitenrampe) und ein Betonwerk. Wann der Güterverkehr nach Bánhida eingestellt wurde, konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen.

    Gruß, René

  • Környei vasútállomás (Bahnhof Kirne)

    Környe ist der Trennungsbahnhof der elektrifizierten Strecke nach Oroszlány von der nichtelektrifizierten Strecke nach Kisbér - Pápa.


    Der Triebwagen aus Oroszlány erreicht den Bahnsteig von Környe. Am rechten Bildrand befindet sich der ehemalige Güterschuppen des Bahnhofs.


    Der Triebwagen nach Tatabánya an der Bahnhofseinfahrt von Környe. Rechts sieht man das Streckengleis in Richtung Pápa.

    Wer sich nun fragt, was dies Alles mit Bimmelbahn zu tun hat? Ich bitte um ein wenig Geduld, aber diese Strecke steht in direktem Zusammenhang mit einer ehemaligen Schmalspurbahn in Oroszlány, über die ich dann zum gegebenen Zeitpunkt berichten werde. :)

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (23. Januar 2016 um 21:26)

  • A Vértesi Erömü iparvágánya (Güterverkehr zum Kraftwerk Oroszlány)

    Das Kraftwerk von Oroszlány befindet sich bei der Ortschaft Bokod. Das Anschlussgleis zweigt von der Strecke Környe - Kisbér ab. Der Abschnitt Tatabánya - Környe - Kraftwerk Oroszlány wurde noch bis Ende 2015 im Güterverkehr betrieben. Bis zur Einstellung der Förderung erhielt das Kraftwerk die Kohle aus der Grube Márkushegyi bánya. Die Anlieferung erfolgte zunächst mit Güterzügen über die Bahnstrecke Pusztavám - Mór und weiter über Kisbér. Jedoch wurde auf der Bahnstrecke von Pusztavám nach Mór im Jahr 2002 der Güterverkehr eingestellt. Nachfolgend wurde die Kohle per LKW von der Grube zum Kraftwerk geliefert. Mit Einstellung der Förderung in der Grube musste zur Sicherstellung der Versorgung des Kraftwerkes der Güterverkehr mit Importkohle aus Tschechien und Polen wieder aufgenommen werden. So kehrte für ein Jahr der schienengebundene Güterverkehr auf die Strecke von Környe zum Kraftwerk Oroszlány zurück. Zum Jahresende 2015 wurde das Kraftwerk auf die Verfeuerung von Biomasse umgestellt, so dass die Kohlezüge wieder entfallen konnten.

    Die Kilometrierung:

    km 07,5 Környe
    km 10,7 Kecskéd (Haltepunkt stillgelegt)
    km 13,1 Vértesi Erömü iparvágánya (Abzweigstelle des Anschlussgleises zum Kraftwerk)
    km 13,7 Bokod (Haltepunkt stillgelegt)
    ...
    km 36,2 Kisbér (und weiter nach Pápa)

    Die Grube Márkushegy

    Mit dem Abteufen des Bergwerkes Márkushegyi bánya begann man im Frühjahr 1976. Die Kohleförderung konnte am 01. April 1981 aufgenommen werden. Am 22. Juni 1983 ereignete sich ein schweres Grubenunglück, bei dem nach einer Explosion 36 Bergleute ihr Leben verloren. Zum Zeitpunkt der Produktionseinstellung am 23. Dezember 2014 war es das letzte ungarische Bergwerk, wo unterirdisch Kohle gefördert wurde. Bis 2018 sind die Kumpel nun mit der Verwahrung der Anlage beschäftigt.