(Ungarn) Von tierischen Bahn- und anderen Erlebnissen

  • Hallo,

    um nun auch das Thema 'Schmalspurbahn' mit anzuschneiden, wage ich einen riesigen Sprung in Richtung der Bugacer Puszta. Zur mäßigen Freude der restlichen Familie wurden wieder einige verkrautete Bahnhöfe der Kecskeméter Schmalspurbahn angesteuert. Von der Straße runter und einen Feldweg lang und dann tauchte der Bahnhof Bugac felsö auf, welcher etwas abseits der sonstigen Bebauung gelegen ist. Ich kämpfte mich also durch etwas Gebüsch, um zu den freigeschnittenen Gleisanlagen zu kommen. Ich machte einige Bilder und erschreckte mich dann doch gewaltig, denn aus dem ehemaligen Männer-WC kam ein Reh hervorgesprungen. Ob es hier nun ein Geschäft verrichtet hatte (?) ... vielleicht sind die Rehe im Nationalpark ja besonders erzogen ... konnte und wollte ich nicht beurteilen. Beide standen wir uns nun kurz ein paar Meter weit auseinander gegenüber und guckten uns wohl Beide gleich blöd an. :)

    Später, wurde mir dann erst bewusst: Das Reh war gar kein Bock! Was macht es dann auf dem Männer-WC? Ich hielt ihm mal zugute, dass es im Ungarischen wohl auch noch so einige Sprachschwächen hat. Ich kann das gut nachvollziehen. ;)

    Gruß, René

    3 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (2. August 2016 um 10:02)

  • Hallo,

    die Schmalspurbahn von Kecskemét tangiert direkt die berühmte Puszta von Bugac. Hier liegt vielleicht etwas Hoffnung für eine Wiedereröffnung begründet. Aus diesem Grunde wird die Strecke von Kecskemét bis Bugac felsö (vor allem die Bahnhofsbereiche) zumindest bis in die heutige Zeit regelmäßig freigeschnitten.

    Wenn man die Weite der flachen Puszta mit ihren Sanddünen, Salzwiesen und Wacholderwäldern sieht, kann man, wenn man bereit ist, sein Herz ein wenig zu öffnen, die manchmal etwas melancholische Gefühlswelt vieler Ungarn nachfühlen, die wohl allen ehemaligen 'Steppenvölkern' eigen ist.

    Dieses Gefühl kommt auch in der Musik zum Ausdruck, welche wohl immer eine starke Ausdruckskraft besitzt. Man gestatte mir deshalb einmal das Einfügen dieses Links, welcher diese Stimmung so herrlich transportiert.

    Das Stück stammt von einer Band, welche wohl jeder Ungar kennt. Leider weilt der Sänger seit 2013 nicht mehr unter den Lebenden. Die Musik dieser Band hat uns bisher auf vielen Fahrten nach Ungarn begleitet. Die Konzerte waren Erlebnisse, die man nicht vergisst. Deshalb ein kleiner Nachruf: 'Cipö' ... Du bist unvergessen!

    Im nächsten Beitrag geht es dann um echte Pferdestärken.

    Gruß, René

    Edit: Falschen youtube-Link ausgebessert.

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (2. August 2016 um 12:50)

  • Hallo,

    da die Bugac-Puszta einer der Magneten ist, welche eine Wiederinbetriebnahme der Schmalspurbahn als touristisches Verkehrsmittel rechtfertigen würden, möchte ich kurz dorthin abschweifen. Es passt auch so schön, denn mit wehendem Schweif sind die Hauptakteure zu erleben.

    Der Besuch der Puszta beginnt mit einer gemütlichen Kutschfahrt oder Wanderung zum Hirtenmuseum. Dort kann man sich über das Leben der Hirten in der Weite der Steppe informieren. In der Nähe kann man sich typische Tierarten schauen, wie z.B. Steppenrinder, Zackelschafe und Wollschweine. Eine Augenweide sind die edlen Tiere des Bugacer Gestüts.

    Die Hirten waren in früherer Zeit tagelang in einfachsten Behausungen mit den Tieren in der Steppe auf der Weide. Was macht also so ein Hirte, der zwar ein Pferd, aber kein Smartphone besitzt? Die Hirtengemeinschaft erfand für sich Reiterspiele zur Abwechslung, denn sogenannte 'Smombies' waren damals unbekannt. ;) Welche Form der Freizeitbeschäftigung sinnvoller erscheint, die zur damaligen Zeit oder die in der Gegenwart ... darüber kann man sich bei den Reitvorführungen ein eigenes Bild machen.


    Es ist schon beeindruckend, wenn die sogenannte 'Ungarische Post' mit knallender Peitsche (die Peitsche knallt in der Luft und nicht auf den Rücken der Pferde) im vollen Galopp an einem vorbei reitet.


    Allerlei Spielchen werden dem Besucher vorgeführt, welche das absolute Vertrauen der Pferde als eigentliche Fluchttiere in ihre Reiter demonstrieren.

    Den Höhepunkt bildet, wenn alle Pferde des Gestüts im Galopp an den Besuchern vorbeigetrieben werden.

    Es hat etwas fast Klischeehaftes und trotzdem ist es so faszinierend, dass man sich diesem Bann nicht entziehen kann. Den Ausklang eines Besuches dieser Region kann natürlich nur der Besuch einer 'Csárda' bilden. Na dann: Jó étvágyat!

    Vielleicht gibt es ja doch noch eine Hoffnung für die Kecskeméter Schmalspurbahn, so dass die perfekte Symbiose zwischen Bahnnostalgie, ungarischer Tradition und gegenwärtigem Naturschutz im Nationalpark zu einer Bereicherung für die Besucher und zum Nutzen der Region führen wird.

    Gruß, René

    3 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (3. August 2016 um 00:05)

  • Hallo,

    nun ist es an der Zeit, wieder über die Donau zurückzuhüpfen. Weitestgehend herrscht die Überzeugung vor, die typische Landschaft des 'Alföldes' gibt es nur im östlichen Ungarn, doch weit gefehlt: Es gibt sie auch in der Kleinen ungarischen Tiefebene und hier sogar im Nationalpark 'Neusiedler See' in der ungarisch-österreichischen Grenzregion. Doch so weit möchte ich gar nicht nach Westen hüpfen.

    Wir besuchten auch die Schmalspurbahn in Felcsút. Die Hinreise von Tata erfolgte nicht über Tatabánya, was der etwas kürzere Weg gewesen wäre, sondern über Környe ... mit einem Abstecher zu 'Monci' ... und durch das Vértesgebirge nach Csákvár. Auch hier gibt es die typische Pusztalandschaft, nur ist sie nicht so bekannt, weil etwas kleinflächiger ... und sie wird nur in ungarischer Sprache beworben.

    Auch dort sind wir sehr freundlich aufgenommen worden. Das Areal besteht aus einem Veranstaltungsgebäude und etwas entfernt einem Bauernhof. Die Landschaft wird mit Wanderwegen erschlossen ... oder man bucht eine Fahrt mit dem 'Pusztabusz' einer Pferdekutsche. Typisch ungarische Tierarten gibt es zuhauf zum Anschauen: Rinder, Steppenrinder, verschiedene Pferderassen, Esel und am Bauerhof natürlich Hühner, Gänse etc.


    Blick über die Pusztalandschaft in Richtung der Vértesberge


    In manchen Gegenden von Ungarn findet man noch Kettenhunde, doch nicht hier. Es ist der kettenlose 'Seilbock'. Was waren wir froh, dass der am Strick hing. Machte einen Alarm und mit dem war wirklich nicht gut Kirschen essen. Da möchte man keine nähere Bekanntschaft mit machen. Da wirken die Schilder 'Hier wache ich!' an deutschen Grundstücken ziemlich harmlos, im Angesicht eines wütenden Bockes. ;)

    Nach einem schönen Vormittag ging die Reise weiter in Richtung Felcsút zur Schmalspurbahn. Dabei kamen wir auch durch Lovasberény. Ehemals führte die normalspurige Strecke von Székesfehérvár über Lovasberény und Felcsút nach Bicske. Während nun bei Felcsút die Schmalspurbahn auf dem ehemaligen Planum dieser Strecke entstand, liegen von Székesfehérvár nach Lovasberény noch die normalspurigen Gleise und nach meiner letzten Kenntnis findet noch gelegentlicher Güterverkehr statt, denn in Lovasberény wird Holz verladen. Bei unserem Besuch am Sonntag waren die Gleisanlagen verwaist und so konnte ich nur ein Stillleben der Bahnanlagen aufnehmen.

    Im Komitat Féjer lebt übrigens eine hoher Anteil der deutschsprachigen Minderheit. So haben viele Orte natürlich auch deutsche Namen und man findet viele deutschsprachige Begriffe in den Orten selber. Székesfehérvár hat den deutschen Namen 'Stuhlweißenburg' und Lovasberény wird auf dem Schild am Ortseingang auch 'Lauschbrünn' genannt.

    Das nächste ... und letzte Kapitel ... wird einen Bericht aus Tatabánya enthalten. Hierbei handelt es sich um die Hauptstadt des Komitates Komárom-Esztergom. Ein kleiner Anflug griechischer Mythologie wird Teil dieses Beitrages sein.

    Gruß, René

    2 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (3. August 2016 um 10:29)

  • Hallo,

    komme ich mal zum letzten Kapitel. In der griechischen Mythologie hielt es ja Ikarus nicht sehr lange am Himmel und er stürzte ab, weil er der Sonne zu nahe gekommen war. Nun, ein Absturz kann man den ungarischen Bustyp IKARUS nun wirklich nicht bescheinigen, denn er verrichtet seit Jahrzehnten seinen Dienst. Vom Busbahnhof Tatabánya in die Síkvölgypuszta werden die Busse im regulären Liniendienst eingesetzt. Wir waren zweimal mit dem eigenen Auto vor Ort und einmal sind wir mit dem Bus gefahren, welcher hier an der Wendestelle zu sehen ist.

    Die Síkvölgypuszta ist ehemaliges Bergbaugebiet, denn in diesem Gebiet befanden sich mehrere Kohlegruben. Heutzutage befinden sich hier Seen und Wochenendhäuschen ... und auch das Tierheim.

    Das Tierheim wird vom ungarischen Verein 'Tappancs' betrieben und vom deutschen Verein 'kettenlos e.V.' unterstützt. Obwohl ich kein Mitglied, dieses in Norddeutschland beheimateten Vereins bin, habe ich dennoch Kontakte und bei unseren Besuchen bringen wir immer persönliche Spenden vorbei.

    Das Tierheim verfügt über eine 'Hundeklappe', die es Besitzern ermöglicht, die Tiere anonym abzugeben, damit weniger Tiere ausgesetzt werden. Früher wurden die Tiere auch schonmal einfach des Nachts über den Zaun geworfen, was natürlich Verletzungen nach sich gezogen hat. Diese Gefahr ist nun weitestgehend gebannt.

    Werfen wir nur einen kurzen Blick in einen der Zwinger des Tierheims, in welchem oft über hundert Hunde teilweise jahrelang ihr Leben verbringen.

    Jedenfalls wurden wir, wie immer, im Tierheim herzlichst begrüsst. Diesmal hatten wir 30kg Futter, mehrere Hundedecken und Spielzeug für die Tiere dabei. Unsere Kleine hat zwei Drittel ihres 'Urlaubsgeldes' für die Tiere ausgegeben, mit der Aussage: 'Ich habe genug, die Tiere haben kaum etwas!' Wenn doch nur die Erwachsenen ein solch kindliches Gespür hätten. ;)

    Letztlich haben wir dann mit 'Inez' immer noch einen Spaziergang zum See gemacht. Ein kleiner aufgeweckter Wildfang, welcher unserer Tochter viel Freude bereitet hat, nachdem sie zunächst beim Anblick der vielen Hunde im Heim ein paar Tränen verdrückt hatte.

    'Hier wache ich!' ... über mein neues Spielzeug. Kam doch ein Radfahrer, welcher genau beobachtet wurde. Nicht, dass er diebische Absichten hat? Das schöne neue Spielzeug! :)

    Mit diesem Bild voller Zuversicht verabschiede ich mich aus diesem eigenen Thema.

    Ich hoffe, mit diesen Seitenblicken abseits der schmalspurigen Gleise, konnte ich ein paar Einblicke gewähren ... auch, wie wir als Familie unser 'zweites Heimatland' wahrnehmen. Ein Reiseführer kann solche persönlichen Eindrücke kaum vermitteln. Natürlich gibt es noch viel mehr Erlebnisse, aber ich habe versucht, den Bezug zu Verkehrsmitteln nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig habe ich versucht eine ganzheitliche Sichtweise zu vermitteln. Es wäre schön, wenn mir dies in Teilen gelungen ist.

    Bleibt noch die Hoffnung, dass Inez, welche im Februar geboren wurde und aus völlig verwahrlosten Zuständen gerettet werden konnte, ein liebevolles Zuhause findet.

    Herzliche Grüße an Alle von Uns als Familie ... und in besonderem Maße natürlich von 'Monci' und 'Inez' :zwink:

    René

    (die Bilder des letzten Beitrages wurden ausnahmslos mit dem Handy gefertigt)

    3 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (18. August 2016 um 18:42)

  • danke dir für deinen BBericht

    mir hat er sehr gut gefallen

    und ich finde sowohl unser vielrädriges Hobby als auch unsere besten Fellnasenfreunde sind zwei der schönsten Leidenschaften..

  • Hallo,

    es freut mich sehr, dass Dir mein definitiv letzter Bericht hier im Forum gefallen hat. Selbstverständlich würde ich mich freuen, wenn Du gelegentlich auf meiner Homepage vorbeischauen würdest. Die dortigen Seiten werde ich in naher Zukunft mit etwas Material zu füllen haben, denn natürlich habe ich nicht alles Material hier im Forum veröffentlicht.

    Zu folgenden Bahnen wirst Du Informationen finden:
    - Bahnlinie Tatabánya - Oroszlány (eine Bahnstrecke im Wandel)
    - Bahnlinie Komárom - Esztergom (eine Nebenbahn an der Donau)
    - Vál-völgyi kisvasút (Die Schmalspurbahn in Felcsút)
    - Bahnlinie Kecskemét - Bugac felsö (Dokumentation einer derzeit stillgelegten Schmalspurbahn)

    Ich wünsche schon im Voraus allen Interessierten viel Freude.

    Bezüglich des Tierheimes in Tatabánya und der dortigen Fellnasen kann ich noch folgende interessante Homepage empfehlen: Kettenlos Dort arbeiten Deutsche und Ungarn mit Herz gemeinsam an der Schaffung von lebenswerten Bedingungen für hilfebedürftige Geschöpfe.

    Und ja: Natürlich engagiere ich mich auch hier in der Heimat im Harz im örtlichen Tierheim mit Spenden und Tierpatenschaften. Die hilfebedürftigen Fellnasen in Deutschland kommen bei meiner Familie und mir also nicht zu kurz.

    Einen herzlichen Gruß an Dich ... und Deine eigene(n) Fellnase(n) :wink:

    René

    2 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (4. August 2016 um 20:38)

  • Hallo,

    von ungarischen Bahnfreunden erhielt ich die Bestätigung, dass sie meine Berichte hier im Forum verfolgen.

    Zurück zur Bahnstrecke Tatabánya - Oroszlány. Auch im letzten Oktober besuchten wir schon gelegentlich den Bahnhof Környe. Ich konnte dort fotografieren und das Personal war / ist immer völlig entspannt dabei. Freundliche Worte ... statt böser Blicke.

    Dafür möchte ich mich auf diesem Wege bedanken.


    Auf geht's! Der Zug nach Oroszlány muss abgefertigt werden. Entspanntheit wird kurz durch amtliche Pose ersetzt. ;)


    Bei der Fahrt des Güterzuges von Környe nach Tatabánya wurde ich vom Lokführer in Bánhida freundlich gegrüßt.

    In anderen Foren liest man häufig von unfreundlichen und oft schroffen ungarischen Eisenbahnern. Diese Erfahrung habe ich bisher noch nicht gemacht. Woraus diese unterschiedliche Wahrnehmung resultiert, kann ich nicht erklären.

    Diesen Bericht widme ich Péter in Oroszlány, welchen ich hiermit sehr herzlich grüße. Ihm hat dieses Thema, wegen der lebendigen Berichterstattung besonders gut gefallen, was mich natürlich riesig freut. :wink:

    Gruß, René

    (Dies war mir nochmal eine Herzensangelegenheit. Weitere Informationen gibt es wie angekündigt auf meiner Website.)

    2 Mal editiert, zuletzt von rekok73 (14. August 2016 um 07:36)