Die meisten Leser hier in diesem Forum dürften schon einmal mit dem Namen des Berliner Eisenbahn- und Holocaust-Forscher Dr. Alfred Gottwaldt in Berührung gekommen sein.
Dr. Gottwaldt war vmtl. den meisten hier Lesenden als Autor von diverser Eisenbahnliteratur (Themen u.a. Lübeck-Büchener Eisenbahn, Triebwagen, Persönlichkeiten und Biographien aus dem Eisenbahnbereich, Die Rolle der Reichsbahn im Holocaust) bekannt.
Weiter war er als Kustor des Bereiches Eisenbahn im Berliner "Deutsches Technik Museum" (DTM) überregional bekannt.
Nur knapp ein Jahr nach dem Eintritt in den Ruhestand verstarb Herr Dr. Gottwald im Sommer 2015 für alle völlig überraschend.
Schon kurz nach dem Ableben des ausgebildeten Juristen Dr. Gottwaldt machten in der "Eisenbahnszene" erste Vermutungen die Runde, was wohl mit seinem scheinbar unermesslich großen Nachlaß geschehen würde, der angeblich Material für Buchprojekte für die nächsten 100 Jahre beinhalten würde.
Auch in der "Institution", in der ich tätig bin, machten wir uns so unsere Gedanken, was mit dem Nachlaß von Herrn Dr. Gottwaldt wohl geschehe - doch recht schnell vermuteten wir, dass sein langjähriger Arbeitgeber - das Berliner DTM den Nachlaß übernehmen würde.
Völlig überrascht waren wir daher, als uns Ende 2015 der Bruder wie die noch lebende Mutter als offizielle Erben und Nachlassverwalter von Herrn Dr. Gottwaldt den gesamten Nachlaß zum Kauf anboten.
Der anfänglichen Freude und Euphorie über die Möglichkeit, einen bedeutenden Nachlaß gleich einem wertvollen Schatz übernehmen zu können, folgte recht schnell eine große Ernüchterung, Enttäuschung und das "Katze-im-Sack-kaufen"-Gefühl.
Was war geschehen?
Recht bald nach dem Tod von Herrn Dr. Gottwaldt wurde seine Mietwohnung in Berlin auf dem Kaiserdamm im Auftrag der Erben geräumt. In dieser Wohnung hatte Herr Dr. Gottwaldt seinen Aktenbestand grob nach Themen sortiert in unzähligen Regalen untergebracht, wie uns die von den Erben zugesandten unzähligen s/w-Digitalfotos belegten.
Dabei war schon zu erkennen, dass das Thema Holocaust schon weit mehr als 80% des Nachlasses ausmachte. Ordner bzw. Akten zu Themen wie Baureihe 05, Schienenzeppelin, Lübeck-Bücher-Eisenbahn - also jenen Themen , zu denen Dr. Gottwaldt diverse Bücher veröffentlicht hat, waren unter den Hunderten von s/w-Digitalfotos für uns nicht erkennbar.
Ein offenbar von den Erben beauftragtes "Räumkommando" hat dann "in wilder Mischung", also völlig unsortiert in einer chaotischen Sortierung, die Akten in Kartons und Kisten verpackt. Dabei ging die leidliche Ordnung, die Herr Dr. Gottwaldt in seiner Wohnung führte - endgültig verloren. Sämtlicher papierener Nachlass wurde dann wild und "kreuz und quer" in einen 20-Fuß-Seecontainer eingelagert und dieser in einem deutschen Containerterminal zwischengelagert.
Die genaue Sichtung der unzähligens/w-Digitalfotos aus der Räumphase der Wohnung zeigte uns, dass der "Holocaust-dominierte" Nachlaß eher etwas für eine Einrichtung wäre, die sich mit der Aufarbeitung des Holocaust beschäftigt als eine Einrichtung zur Eisenbahngeschichte. Zumal der Nachlaß zum Thema Holocaust hauptsächlich aus Fotokopien bestand, die Herr Dr. Gottwaldt weltweit aus unzähligen KZ- und Holocaust-Gedenkstätten zusammengetragen hatte und damit das Thema "deutsche Eisenbahngeschichte" nur noch periphär berührten.
Obwohl wir uns durchaus bewußt waren, dass mit der Aussage "Wir verfügen über den Nachlaß von Dr. Alfred Gottwaldt " eine gewisse Außendarstellung in der Öffentlichkeit zu erzielen ist, hat die "Institution", für die ich tätig bin, letztendlich dankend darauf verzichtet, eine "Katze im Sack" zu erwerben.
Noch im Frühsommer hörte ich von dem Gerücht, dass Berliner DTM wolle den Nachlass übernehmen.
Überrascht nahm ich jetzt zur Kenntnis, dass die DB über eine Ihrer Stiftungen den Nachlass erworben hat. Wenn sich dann in Nürnberg die große Ernüchterung über den wahren Inhalt des Nachlasses gelegt hat, kann man dann wenigstens umfangreich die eigene Unternehmensgeschichte zwischen 1933 - 1945 fundiert aufarbeiten.