Ukraine 1993 Teil 1

  • Ukraine 1993
    1993 führte Stöckli Reisen (eine Firma, die es heute nicht mehr gibt) eine Ukraine Reise durch.
    Der Partner von Stöckli war der einheimische Veranstalter Dzherelo.
    Die Reise ging von Kiew über Schytomyr - Korosten – Chmelnitzky – Dolina - Wygoda - Waldbahn – Rachov – Tereswa – Waldbahn - Ust Tschorno (Königsfeld)- Lemberg – Kiew.

    Karte siehe hier:
    https://c2.staticflickr.com/6/5728/3121250…7aea6bb5f_b.jpg

    Nun, wir flogen nach Kiew und bezogen, nach einem üppigen Nachtessen, den Salonzug.
    Dzherelo war damals relativ neu im Geschäft und noch nicht so auf Kommerz aus, wie in den späteren Jahren. Ich habe von den Reiseveranstaltern mitbekommen, dass sie immer teurer wurden. Andererseits konnte ich mich davon überzeugen, dass die Wagen im Zustand immer schlechter wurden.
    Nun ja, zuerst mussten wir (wahrscheinlich, weil auch Deutsche dabei waren) in Kiew das Museum des vaterländischen Krieges anschauen.

    Nun, nachher bezogen wir den Zug. Und waren erstmal erschlagen.
    Der Zug bestand aus sieben Wagen:
    Zuerst der Schlafwagen des Personals, dann der Speisewagen in dem die grossen Essen stattfanden, dann folgte der Salon-Speisewagen, der als Aufenthaltsraum durch den Tag diente, dann zwei Schlafwagen für die Passagiere und zum Schluss noch ein Schlaf-Salon Wagen. Wer dort einquartiert wurde, hatte das grosse Los gezogen. Am Salon angrenzend befand sich die „Ernst Wetzel Suite“, wie ich sie nannte, Denn da war der Ernst Wetzel einquartiert, der schon seit Jahrzehnten bei Stöckli Stammgast war. Die Suite hatte ein eigenes WC und Badezimmer. Darauf folgen einige normale Schlafwagenabteile.
    Ein Bild des Salons, gegen den Übergang hier:

    Der Wagen hatte zusätzlich eine Röhrenbeleuchtung. Die wurde über einen eigenen Umformersatz unter dem Wagen gesteuert. Die „Kleinbeleuchtung“ war normal mit Glühlampen. Erst wenn man die Röhrenbeleuchtung einschaltete, fing der Umformersatz unüberhörbar unter dem Wagen an zu laufen und weckte am Morgen zuverlässig den ganzen Wagen. Und Ernst Wetzel war doch schon früh auf! 

    Die Gesellschaft war ziemlich gemischt: Der Grossteil Schweizer, aber auch wenige Deutsche und ein Österreicher. Der Herr Dr. Karl …stein war schon eine Nummer für sich: Der hatte einen extremen Humor. Er erzählte neben den Witzen, die ich später in den Büchern von Salcia Landmann wiederfand, nur noch „schwyzerli Witze“, was doch, unter Berücksichtigung der Zusammensetzung der Gruppe, schon Mut brauchte.
    Auch konnte er, wie wir es nennen fadegrad, fadengerade, sein. Wir hatten einen Juristen H. aus Bern dabei, der und dessen Frau sich durchaus für etwas Besseres hielten, und uns das manchmal auch spüren liessen. Nun hatte der Herr Jurist die, bei einer Fotofahrt sehr unbeliebte Eigenart, sich nicht an die Fotolinie zu halten. Sein treues Frauchen stiefelte ihm gerne nach, und, da sie nach dem letzten Journal gekleidet war, fiel sie auf den Bildern durchaus auf.

    Nun der Herr …stein hat sie dann seelenruhig gefragt, als bei einem Fotohalt der Zug am zurücksetzen war, und wir auf dem „Feldherrenhügel“ uns in Fotolinie aufstellten: „Sangs mol: Wollens net scho runter gehen?“ Frau H: „Ja, warum sollte ich denn da runtergehen?“ Der Herr ….stein: „Ja wissens, damits den Leiten im Büd stehen!“
    Und das natürlich mit einer Stimme, die man ohne weiteres im Umkreis von 50 Metern hörte!
    Päng! Das wirkte! Mit diesem einen Satz hatte er das erreicht, was Gespräche nicht erreicht hatten: Sie nahm sich von da an ein wenig zusammen.

    Wie gesagt: Herr ….stein war ein Quell von Erheiterung.

    Am nächsten Morgen waren wir in Schytomyr, wo wir eine Extra Tram hatten. Da es neblig war, gab es keine guten Fotos. Mir ist in Erinnerung, dass wir mit dem Tram selber fahren durften. Durchaus nicht einfach, auch wenn der Verkehr gering war..


    Auf dem Bahnhof dann die Ueberraschung: Die Dampflok P36 050 stand bereit.

    Dann gings los, in Richtung Korosten. Hier bei einem Halt und Scheinanfahrt in Horbashi:

    Nun muss ich sagen, dass es nach 23 Jahren, nicht einfach ist, zu sagen, wo die Fotos genau aufgenommen wurden. Mit Google Earth, Google Maps, Open Street Map und Open Railway map, habe ich, so gut es ging, den genauen Ort versucht zu bestimmen. Da ich keine Unterlagen der Reise mehr habe, und auch keine Aufzeichnungen, wo wir durchfuhren, habe ich die Bilder nach bestem Wissen und Gewissen verortet. Wenn jemand Berichtigungen angeben kann, dann bin ich ihm dankbar.

    Auch Nebelbilder haben mitunter ihren Reiz:


    Ein paar Stunden später waren wir in Korosten, wo wir das Depot, mit seiner, eigens für uns angeheizten Rangiermaschine, besuchten.

    Wir wurden eine Zeitlang von der Leine gelassen, also freies Ausschwärmen bis..:.., was ich natürlich nutzte um ein wenig in den hinteren Gefilden der Anlage herumzustrolchen. Auf dem „Schrottplatz“ gab es einiges zu sehen.
    Dabei stiess ich auf Herrn …..länder, der die gleiche Neigung hatte. Irgendwie kamen wir ins Gespräch, wie das hierzulande so zuging. Kurz vorher hatte man der Gruppe die Notstromdiesel gezeigt, bei denen das Altöl beim Ölwechsel einfach im Boden, bestehend aus gestampfter Erde, versickern liess. So sah es wenigstens aus. Nun, herr …..länder, damals 70, hat mir dann mitgeteilt, wie in ihm einiges wieder hochkommt. Denn er war schon einmal in der Gegend. Im Krieg kam er in russische Kriegsgefangenschaft. Es war ein eindrückliches Gespräch. Offensichtlich erinnerten ihn die Gerüche der Zigaretten und das Essen wieder sehr an dies Zeit. Er hat dann einige „Anekdoten“ aus der Gefangenenzeit erzählt.
    Später hat dann seine Geschichte die berührendste Sequenz, die ich je im Ostblock hatte, ausgelöst.

    Ja, etwas haben wir noch gesehen:

    Der Herr Stalin auf einem Lokschild! Seit 30 Jahren verfemt hat er auf einem Fabrikschild überlebt. Die Erklärung ist wohl einfach: Offensichtlich mangelte es den Verantwortlichen an den Kenntnissen der lateinischen Schrift, so dass das Geschriebene niemand lesen konnte. Drum sind diese Schilder wohl geblieben.
    Bis heute:

    wenigstens in meinem Keller 

    Die Lok wurde in Korosten auch gewechselt, nämlich in eine SU, Lok 251-86. Mit der zottelten wir die Nebenlinie in Richtung nach Novohrad-Volinsky.

    Manchmal kam auch was entgegen:

    Dann wurde wieder die Lok gewechselt:

    Hier ist nun eine Baureihe L dran.


    Nur, wo genau die Bilder gemacht wurden, kann ich beim Besten Willen nicht mehr sagen.

    Am nächsten Tag dann schöneres Wetter:

    Diesmal mit Baureihe CO, Lok 4371.

    Mitreiten lag auch mal drin:

    Als ausgebildeter Heizer natürlich auf der Heizerseite! Denn dort spielt ja die Musik!

    Die Landschaft ist durchaus reizvoll:

    Hier weiss ich wenigstens annähernd, wo wir uns befinden: Nämlich südlich von Khmelnytskyi.
    Dort trifft man kurz vor Husyatyn auf diese Brücke über den Zbruch Fluss:

    Diese Brücke, die wir fast zu spät erreichten, führt über die alte KuK Österreichisch-Ungarisch – Russische Grenze. Man stelle sich vor: Bei Höchst den Pass zeigen und dann 3 Tage fahren, bis man an die nächste Grenze kam! Für mich besonders eindrucksvoll, weil ich damals in Rorschach, also fast in Sichtweite von Höchst wohnte!

    Ja dann war wiedermal Essen, Trinken (also, die Leber hatte auf dieser Reise keine Ferien!), Diskutieren, bis spät in die Nacht und noch ein wenig schlafen. Das Essen war immer sehr gut. Nur vertrug man es nicht immer. Ich habe lange Zeit gebraucht, bis ich die Osteuropäische Küche ohne Durchmarsch vertrug. Andern ging es auch so. Man kann sagen, was man will. Aber ein Gesprächsthema hatte man so immer.

    Gruss Guru