Die Zuckerrohreisenbahn der Central Rafael Freyre auf Kuba

  • Hallo,

    das Streckennetz der Central Rafael Freyre erstreckt sich in wunderschöner hügeliger Gegend. Die Zuckermühle ist nur rund 20 Kilometer von der Touristenregion Guardalavaca im Osten der Insel entfernt. Die Spurweite beträgt 762 mm. Das Streckennetz unterteilt sich in einen östlichen und westlichen Streckenast. Der westliche Streckenast führt durch relativ flaches Gelände, überbrückt den Fluss Guabajaney und stellte den Anschluss an die Bahnlinie von Holguin nach Gibara (Spurweite 914 mm) her. Der östliche Ast des Streckennetzes erschließt die Zuckerrohrfelder und Dörfer in den Bergen des Hinterlandes von Guardalavaca. Der östliche Ast wurde während des ganzen Jahres für den öffentlichen Verkehr (Personenverkehr) genutzt, während der westliche Ast nur für den Güterverkehr während der Erntesaison genutzt wurde. Außerdem führte noch ein Streckenast von der Zuckermühle nach Nordosten zum Hafen von Puerto Vita. Jedoch wurde diese Strecke schon im Jahre 2000 nicht mehr befahren. Die Zuckermühle wurde nach der Erntesaison im Jahr 2002 stilgelegt. Danach fuhren nur noch Touristenzüge auf dem westlichen Streckenast und Personenzüge auf dem östlichen Streckenast. Doch dazu später weitere Informationen.

    Ich besuchte die Central Rafael Freyre in den Jahren 2000 und 2006 und davon sollen die nächsten Berichte handeln. Da ich mir ein Buch mit allen Informationen mit einem Umfang von 40 Seiten zusammengestellt habe, kann ich dieses komplexe Thema unmöglich hier in einem Beitrag abhandeln. Deshalb betrachtet dies bitte als Ausgangsbeitrag mit weiteren Fortsetzungen.

    Dann werde ich euch bei Interesse mal mit auf die Reise nehmen. Beginnen möchte ich mit einem Bild von vor 10 Jahren. Die Dampflok ist betriebsbereit und der Zug steht zur Abfahrt im Betriebshof (Patio) bereit. Das Maschinchen ist immerhin Baujahr 1907, aber nicht die älteste anzutreffende Lokomtive.

    Und hier ein Blick auf das Streckennetz der Central Rafael Freyre:

    Gruß, René

  • Hallo René
    Ich werde mich auch über den Bericht freuen!
    Kuba war eine Reise wert:
    Sei es eine Steinbrechanlage mit Lokomotivantrieb:

    Sei es die Seilbahn auf zur Nickelgrube Pinar del Mayari:

    Talstation

    Aufgleisen

    Die DB ist auch hier:

    Der Mistral auch:

    Und natürlich die Zuckerbahnen:

    Gruss Guru

  • Hallo Falk, Hallo Guru,

    danke für die schönen Bilder. Hätte nicht gedacht, dass dieses Thema sofort soviel Material zu Tage fördert. Eure beiden Bilder sind auf dem östlichen Streckenast bei Bariay entstanden. Dorthin, zu den markanten Hügeln, führten viele bahntouristische Erlebnisreisen.

    Im Jahr 2002 wurde die Zuckermühle geschlossen. Dies war die Folge einer Grundsatzentscheidung von Fidel Castro, der Kuba von der extensiven Form des Zuckerrohranbaues in Monokultur lösen wollte. Auf den Feldern wurden dann andere landwirtschaftliche Produkte angebaut. Dies war der Todesstoß für die meisten Zuckermühlen auf Kuba.

    Wie sieht es heute aus? Alle Gebäude der Zuckermühle wurden abgetragen, nur noch die beiden Schlote ragen in den kubanischen Himmel und dienen als Landmarke. Vom einstigen Streckennetz werden noch etwa 4,4 Kilometer auf dem westlichen Streckenast befahren. Dies geschieht vom Betriebshof (Patio) bis in Höhe des Dorfes Fray Benito. Dort steigen die Touristen an einem Bahnübergang in einen Bus um und werden zu der Stelle gebracht, wo Kolumbus das erste Mal die Insel Kuba betrat. Dies ist anhand seiner Logbücher dokumentiert.

    Dies erstmal in Kürze als Antwort. :zwink:

    Gruß, René

  • Ein Rückblick in die Geschichte

    Im Jahr 1857 wurde an dieser Stelle eine erste Zuckermühle errichtet. Die Besitzer benannten sie nach dem Fluss, welcher ihre Ländereien fruchtbar machte: Guabajaney. Diese Fabrik stieß schon bald an ihre Leistungsgrenze und so wurde sie 1881 umgebaut und erweitert. In diesem Zusammenhang wurde auch im Jahr 1882 das erste Teilstück der werkseigenen Eisenbahn eröffnet. Eine Lok der Erstausstattung ist auch heute noch für die Bespannung der touristischen Züge betriebsfähig vorhanden. Der Bau der Zuckerrohrbahn war für den Transport des geernteten Zuckerrohrs zur Mühle unverzichtbar geworden. So entstand im Laufe der Zeit ein Streckennetz mit einer Gesamtausdehnung von etwa 160 Kilometern. Eine der Linien verband die Zuckermühle mit der Eisenbahnstrecke von Holguin nach Gibara. Der Anschlussbahnhof Hiberia (Floro Perez) lag etwa 27 Kilometer von der Fabrik entfernt. Im Jahre 1911 wurde die Mühle erneut modernisiert. Es erfolgte die Umbennung des Unternehmens in Central Santa Lucia.

    Die Zuckerrohreisenbahn verfügte im Jahr 1925 über folgenden Fahrzeugpark:
    - 12 Dampflokomotiven zur Traktion der Züge und 3 kleinere Rangierlokomotiven
    - 549 Wagen zum Transport von Zuckerrohr
    - 48 Wagen für den Transport von Zucker und Versorgungsgütern
    - 14 Kesselwagen für den Transport von Melasse und Petroleum, sowie
    - 6 Personenwagen

    Da die Ländereien der Central Santa Lucia an der Atlantikküste gelegen sind, bot sich außerdem der Transport von Waren mittels Schiff an. Zu diesem Zweck wurde von der Gesellschaft der Hafen von Puerto Vita genutzt. Er erhielt einen Anschluss an das Werkbahnnetz. Im Hafen konnten Melasse und Petroleum umgeschlagen werden. Für die Lagerung standen Tanks zur Verfügung. Für den Umschlag von Zucker wurde ein Lagerhaus errichtet. Der Hafen ist knapp 10 Kilometer von der Mühle entfernt.

    Von der Zuckermühle Central Santa Lucia gibt es sehr wenig Bildmaterial. Die Gebäude blieben bis zur Betriebseinstellung nahezu unverändert vorhanden:

    Vor der Revolution im Jahr 1959 besaß die Gesellschaft Central Santa Lucia 41400 Hektar an Ländereien. Diese wurden hauptsächlich als Fohlenweiden, für die Forstwirtschaft und zum extensiven Zuckerrohranbau genutzt. Danach wurde die Gesellschaft vom kubanischen Staat enteignet. Die Zuckermühle bekam den neuen Namen Central Rafael Freyre. Im Laufe der Zeit schrumpfte das Eisenbahnnetz der Zuckermühle. Es wurden einige Strecken stillgelegt und auch abgebaut. Auf anderen Streckenabschnitten fand nur noch sporadischer Verkehr statt. Auf dem Streckennetz der Central Rafael Freyre trugen Dampflokomotiven bis zur Betriebseinstellung im Jahr 2002 die Hauptlast des Verkehrs.

    Lokliste der Dampfloks im Jahr 2000:

    Nr. 1180, Bj. 1882, Fabriknr. 6458, Nr. Central Santa Lucia: 1 'La Mambisita'
    Nr. 1385, Bj. 1919, Fabriknr. 52380, Nr. Central Santa Lucia: 10 'Arroyo Blanco'
    Nr. 1386, Bj. 1913, Fabriknr. 52630, Nr. Central Santa Lucia: 4
    Nr. 1387, Bj. 1905, Fabriknr. 26416, Nr. Central Santa Lucia: 5
    Nr. 1388, Bj. 1907, Fabriknr. 31375, Nr. Central Santa Lucia: 6 'Junucun'
    Nr. 1389, Bj. 1912, Fabriknr. 37716, Nr. Central Santa Lucia: 7
    Nr. 1390, Bj. 1912, Fabriknr. 38101, Nr. Central Santa Lucia: 8 'Yaguajay'
    Nr. 1391, Bj. 1914, Fabriknr. 41468, Nr. Central Santa Lucia: 9 'Camayen'

    Hersteller aller Lokomotiven: Baldwin, Philadelphia, USA

    (die Namen der Lokomotiven soweit mir bekannt)

    Im Jahr 2000 war die Lok 1387 mit dem Tender der Lok 1385 verbunden. Die Lok 1385 war wegen eines Defektes am Ölbrenner abgestellt und kehrte nicht in Betriebsdienst zurück, sondern wurde verschrottet. Für die Bespannung der Touristenzüge war zu jenem Zeitpunkt die Lok 1386 im Einsatz.

    Gruß, René

  • Hier folgt ein Anblick der umgebenden Landschaft der Central Rafael Freyre. Gut sind die markanten Berge bei Bariay zu erkennen.

    ... und ein schematischer Überblick über den Betriebshof


    1 = Zuckermühle
    2 = Werkszufahrt (Straße)
    3 = Betriebswerkstatt der Werksbahn
    4 = Richtung Potrerillo
    5 = Richtung Hafen Puerto Vita
    6 = Richtung Bariay
    7 = Straße nach Holguin
    8 = Straße nach Guardalavaca
    9 = Bach

    Gruß, René

  • Kilometrierung für die Touristenzüge auf dem westlichen Streckenast:

    - km 0,0 Betriebshof (Patio)
    - km 0,4 Gleisdreieck
    - km 2,2 Ladestelle Los Mangos
    - km 3,5 Brücke über den Guabajaney
    - km 4,3 BÜ der Straße Rafael Freyre - Cayo Bariay (heutiger Endpunkt der Touristenzüge)
    - km 6,0 BÜ der Straße Fray Benito - Cayo Bariay beim Dorf Bracito (Grundschule direkt am Bahnübergang)
    - km 7,4 Haltepunkt auf freier Strecke an einem Bauernhof (Endpunkt der Touristenzüge im Jahr 2000)

    Nun aber erstmal genug Text. Das nächste Kapitel wird dann Bildmaterial beinhalten. :zwink:

    Gruß, René

  • Hallo,

    wie versprochen nun die ersten Bilder von der Werkbahn. Sie wurden alle im Betriebshof der Mühle aufgenommen. Vor der Zugfahrt wurde die Mühle besichtigt. Man kann auch einige lange nicht mehr genutzte Anschlussgleise im Werksgelände erkennen.


    Diese Bilder entstanden im November des Jahres 2000.

    Gruß, René

  • Reiseimpressionen November 2000

    Bevor es mit Bildern weitergeht, möchte ich den Lesern ein paar Zeilen zur Einstimmung mit auf den Weg geben:

    Im November des Jahres 2000 verbrachte ich meinen Urlaub am Strand 'Playa Esmeralda' bei Guardalavaca. In diesem Zusammenhang besuchte ich die Zuckermühle Central Rafael Freyre zum ersten Mal. Zu dieser Zeit wurde in der Fabrik kein Zucker produziert, da gerade keine Erntesaison (Zafra) war. Der Vorteil hierbei ist natürlich, dass alle vorhandenen Triebfahrzeuge im weitläufigen Gleisfeld des Betriebshofes (Patio) abgestellt waren. Somit fand ich neben den Dampflokomotiven auch die vorhandenen Diesellokomotiven, Triebwagen und Draisinen vor.

    Doch zunächst erfolgte eine Besichtigung der Fabrikanlagen. Nach Beendigung des Rundganges war der Zug vorerst zur Abfahrt bereitgestellt. Aufgrund technischer Probleme war mehrere Wochen kein Dampfzug in Richtung Potrerillo gefahren und so nutzten eine Vielzahl von Einheimischen die Möglichkeit zur Mitfahrt. Um eine Trennung zwischen Einheimischen und Touristen erreichen zu können, wurde nochmals eifrig rangiert und nun fuhr die Lok 1386 in der Mitte des Zugverbandes. Der Waggon für uns Touristen wurde also auf der Hinfahrt geschoben. So verlief die Fahrt nun im Einzelnen:

    Langsam setzt sich der Zug in Bewegung. Beim Verlassen des Fabrikgeländes ist auf der linken Seite ein Gleisdreieck zu erkennen. Auf dem Touristenwaggon sorgt eine Band mit kubanischer Musik für gute Laune. Während die Titel 'Chan, Chan' und 'Rico Vacilon' gespielt werden, nähert sich der Zug dem Verladepunkt Los Mangos. Doch vorher wird er noch von einem Pferdefuhrwerk überholt, welches auf dem parallel verlaufenden Feldweg fährt. Der Kutscher hat es mehr als eilig. Das Pfeifen der Lok weist darauf hin, dass dieser Weg nun die Strecke kreuzt. Da rumpelt der Zug auch schon über die Anschlussweiche von Los Mangos. In Fahrtrichtung links befinden sich nun die Ladegleise, welche mit zur Zeit nicht benötigten Wagen zum Transport von Zuckerrohr vollgestellt sind. Erst zur nächsten Zafra wird hier wieder Hochbetrieb herrschen. Zur Erleichterung der Ladetätigkeiten gibt es eine stationäre mechanische Anlage.

    Nun fährt der Zug durch weite Zuckerrohrfelder, bis nach einigen hundert Metern auf einer Brücke der Fluss Guabajaney überquert wird. Kurz darauf folgt eine weitere Brücke zur Überquerung eines Seitenarmes des Flusses. Immer weiter fährt der Zug seinem Ziel entgegen. Zuckerrohrfelder und Weideflächen wechseln einander ab. Dazwischen befinden sich immer wieder kleine Gehöfte mit der typischen Kakteenhecke zur Abgrenzung der Grundstücke. Vereinzelt stehen Rinder seelenruhig im Gleisbereich, welche bei Annäherung des Zuges und exzessiver Bedienung der Lokpfeife etwas unwillig auf die Weiden zurücktrotten.

    Nach 6 Kilometern wird beim Dorf Bracito ein Aufenthalt eingelegt und es besteht die Möglichkeit der Besichtigung einer Grundschule. Schon bald setzt der Zug seine Fahrt fort, um nach wenigen Minuten auf der freien Strecke anzuhalten. Das Touristenziel ... ein Bauernhof ... ist erreicht. Während wir Touristen das ländliche kubanische Leben näher kennenlernen, fährt der Zug weiter nach Potrerillo. Dort verlassen ihn die Einheimischen und die überzähligen Wagen werden auf den Rand rangiert. Danach erfolgt die Rückfahrt zum Bauernhof, nun mit der Lok an der Zugspitze. Da ich nicht ins Ausland fahre, ohne wenigstens Überlebenskenntnisse der dortigen Sprache zu besitzen komme ich schnell mit der Familie des Bauern ins Gespräch. Wo Worte nicht weiterhelfen, tun es eben Mimik und Gestik. Der Landwirt holt für mich und sich eine Zigarre und dann tauchen wir die Umgebung in blauen Dunst. Ich erzähle, dass ich Eisenbahner bin und der Landwirt grinst ganz verschmitzt. Nach Verkostung von etwas Zuckerrohrschnaps und Kaffee ist die Gruppe für die Rückfahrt bereit. Der Landwirt wechselt ein paar Worte mit dem Zugpersonal und ich werde auf den Führerstand der Lok gebeten. Der Lokführer gibt mir zu verstehen, ich solle nun fahren. Mein etwas verständnisloses Gesicht sorgt dann erstmal für Erheiterung. Der Lokführer legt meine Hand an den Regler und wir setzen zusammen den Zug in Bewegung. Danach gibt er mir zu verstehen: 'Weiter machst Du und das Pfeifen nicht vergessen.'

    Unter meiner Führung bahnt sich der Zug schaukelnd den Weg über die alten Gleise. Was bleibt zu sagen? Der Zug ist heil im Patio der Zuckermühle angekommen. Dies sollte auch kein Einzelfall bleiben, denn 6 Jahre später würde ich mit dem gleichen Lokführer wieder auf dem Führerstand stehen. Das wusste ich aber damals noch nicht.

    Nach Ankunft des Zuges und vielen netten Worten ging dieses Erlebnis zu Ende und es folgte die Rückfahrt mit dem Bus nach Guardalavaca.

    Vor 10 Jahren entstand dann dieses Bild bei einem Aufenthalt in Los Mangos. Zum Hergang dann zum späteren Zeitpunkt mehr. Der Lokführer konnte sich anhand von Bildern erinnern, die ich dabei hatte und so fand ich mich, unpassend gekleidet wie ich war, auf der Lok wieder. Das Hemd wanderte nach der Fahrt in die Tonne, nur die Hose war noch zu gebrauchen. :zwink:

    ...

    Es würde mich freuen, wenn euch dieser kleine Reisebericht gefällt. Ich werde die gelöste Freundlichkeit der dortigen Eisenbahner immer in guter Erinnerung behalten.

    Gruß, René ... mit einem kleinen musikalischen Anhang

  • Ich habe hier mal einen kurzen Clip aus dem Jahr 2006. Ich habe nur mit der Kamerafunktion einer kleinen Kompaktknipse "gefilmt". Es soll auch lediglich eine Ergänzung zu den gezeigten Bildern darstellen:

    Gruß, René