In der Theorie ja ganz schön, aber in der Praxis?
Ich habe meine Zweifel, ob sich diese Aktion im Ernstfall ebenso lehrbuchhaft durchführen läßt.
Eine Hochwasserkatastrohe und deren punktualer Verlauf und der dann tatsächliche Einsatz von Rettungsteams (Feuerwehr, THW, Katastrophenschutz, Rotes Kreuz usw.) läßt sich ebenso wenig wie ein Vulkanausbruch auf Sizilien generalstabsmäßig vorausplanen und -berechnen. Es werden/müssen immer plötzliche Entscheidungen getroffen werden, die alle gut gemachten Pläne blitzschnell über den Haufen werfen können.
Fragen wie
Steht das THW-Personal wirklich in der benötigten Zeit umfangreich zur Verfügung?
Kann das THW-Personal den Brückenstandort überhaupt erreichen?
Wo lagern Hebewinden und Träger und Stützen? Vor Ort in einem Schuppen oder beim THW?
Was ist, wenn ein Altenheim, Krankenhaus, Schule mit Kindern und ähnliches akut bedroht ist und Menschenleben in Gefahr ist? Hat dann das Retten von Menschen für das THW-Brückenteam dann nicht urplötzlich Vorrang vor dem aufwendigen und zeitraubenden Anheben von 26 t Stahl um ca. 80 cm?
Kein Mensch kann auch nur annähernd vorausberechnen, wie umfangreich solche urplötzlich auftretenden Wassermassen ausfallen können, es fehlen u.a. schlicht und einfach Erfahrungswerte von solchen Wassermassen, die noch wesentlich umfangreicher als 2002 ausfallen können.
2016 wälzten sich nach einem Unwetter urplötzlich in Baden-Württemberg riesige Wassermassen durch einen Ort (Name fällt mir grad nicht ein), der ganze Häuser wie 2002 in Sachsen ruckzuck wegspülte, selbst ein Feuerwehrwagen wurde mitgerissen (das sah schon recht bizarr aus, als der Wagen mit eingeschaltetem Blaulicht wie ein U-Boot durch den Ort floss). Seit Menschengedenken hatte es sowas in diesem Ort noch nicht gegeben.
Ich weiss nicht , ob ich als ehrenamtlicher THW-Helfer an der Weisseritz die Muße und die Ruhe hätte, in einer zweistündigen Aktion eine Eisenbahnbrücke hochzukurbeln in der Kenntnis, dass eine Wasserwelle auf mich zurollt.
Das ganze wirkt auf mich daher eher wie eine Beruhigungspille für die Anwohner, die nach den Erfahrungen von 2002 berechtigte Sorgen haben, dass die Brücke im Schadensfall wie ein Staudamm oder Biberdamm Schwemmgut aufstaut und so urplötzlich ein Stausee entsteht, der alles weit und breit unter Wasser setzt.
Recht naiv wirkt auf mich zudem der Umstand, dass 80cm Anheben die meisten Probleme lösen soll. Was den reinen Abfluß des Wassers anbelangt, mögen die Theoretiker vielleicht noch recht behalten, aber Flutwellen bestehen eben nicht nur aus braun-schlammigen Wassermassen. Spätestens dann , wenn Büsche , Bäume und Zivilisationsgut aus Gärten und Häusern mitgerissen wird, wird die angehobene Brücke zur Falle.
Dann zeigt sich dann auf dem Rücken der Anwohner der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
- railfox -