Auf geht's zur Wilden Zicke...

  • Hallo,

    nun funktionierte auch das Hochladen der Bilder wieder. Es folgen nun also ein paar Impressionen aus dem Jahre 1983, welche im unmittelbaren Bahnhofsumfeld entstanden sind. Leider konnte ich in heutiger Zeit den schönen Wegweiser nicht mehr entdecken. Er ist wohl Opfer der vergangenen Zeiten geworden. Ich öffne also mal mein Fotoalbum aus Kindertagen:

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo René,

    ganz würde ich die Städte nie aus der Verantwortung heraus nehmen....

    Man hat bei fast allen Bahnhofsverkäufen tatenlos zugeschaut und nichts unternommen, damit mit den neuen Investoren vielleicht an der Situation etwas verändert werden könne! Meist hat man sich eher umgedreht , nach dem Motto, "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß"

    Ich bin mir sicher das man die Gemeinden , Städte usw. damals über die Verkaufsabsichten informiert hat. Aber Bahnhöfe und die Bahn interessieren doch bis heute in den unverbrauchten Ländern kaum jemanden.... Man ist noch immer auf den Nachwende Auto Trip! Das Umdenken kommt erst in 10-15 Jahren wenn alles zu spät ist...und die letzten Heuschrecken verschwunden sind!

    Zur Werbebahn:

    Mag sein, daß es in der Geschichte der deutschen Straßenbahnen immer Werbung an den Fahrzeugen gab!
    Jedoch gehört an die derzeit eingesetzten Fahrzeuge in Naumburg in der aktuellen teilweise historischen Lackierung keine Werbung! An den Naumburger Reko, Lowa und Gothawagen wurde erst nach der Wende Werbung aufgebracht. Vor der Wende gab es das nicht. Man schaue sich einmal Vorwendebilder im Netz an. Die Lindner sind auf allen mir bekannten Aufnahmen nur mit dem Naumburger Wappen herum gefahren. Auch alle anderen Wagen hatten keine Werbung....
    An den offenen Straßenbahnwagen gab es oberhalb der Fenster im Dachbereich Tafeln auf denen aber meist der Laufweg angegeben war! Auch bei der Dampfstraßenbahn war es so.

    Somit halte ich weiterhin die Werbung auf den Fahrzeugen für überflüssig und für Naumburg nicht korrekt!

    Mag sein, daß man den Unterhalt der Fahrzeuge mit Werbung finanziert, jedoch kann man das sicher auch anders machen oder sollte zumindest so historisch wertvolle Fahrzeuge wie den Lindner außen vor lassen.... Gothas gibt es noch einige, die kann man für den Linienverkehr gerne anders gestalten

    Ich freue mich sehr als Naumburger, daß die Ille wieder fährt, jedoch könnte man mit NICHT zugekleisterten alten Fahrzeugen noch mehr Nostalgie in Naumburg anbieten und es würde zum historischen Ambiente viel besser passen!

    Im jetzigen Zustand passen die Wagen eher zum ehemaligen Zweck des Depot´s , dieses diente vor der Straßenbahn einem Zirkus als Unterkunft......

    Grüße

    Jörg

  • Hallo Jörg,

    natürlich gebe ich Dir in bestimmten Belangen bezüglich der Straßenbahn recht. Ob die Werbung sein muss oder nicht, darüber habe ich keine Kenntnisse. Ich kenne leider nicht die Details der Finanzierung zum Erhalt dieser Fahrzeuge. Meine Familie und ich haben aber die Fahrt genossen und der Triebwagen war gut besucht. Von Missstimmung bezüglich des äußeren Aussehens des Wagens war zumindest nichts zu vernehmen. Solche Dinge sind auch immer Ansichtssache.

    Bezüglich des Empfangsgebäudes vertrete ich aber eine andere Meinung. Das Gebäude diente repräsentativen Zwecken zum Empfang der Fahrgäste seitens der Bahn, weniger der Stadt. Nun war dem damals unter dem Slogan 'Unternehmen Zukunft' agierenden Unternehmen der Empfang der Fahrgäste in der Fläche schlicht egal, um die eigenen Bilanzen aufhübschen zu können. Deshalb verscherbelte man dutzende Empfangsgebäude im Paket an Investoren, wie wir heute wissen, ohne sich ein solides Nachnutzungskonzept vorlegen zu lassen. Die betroffenen Kommunen wurde bestenfalls informiert, ein Mitspracherecht beim Verkauf hatten sie nicht. Das Vorkaufsrecht für Kommunen kam leider erst später ... und damit viel zu spät. Das die geprellten Kommunen dem Investor, der die Gebäude teils für wenig Geld erwerben konnte, dann nicht beisprangen, in dem sie seine lückenhafte Finanzierung und das fehlende Engagement mit eigenen Mitteln unterstützten, sollte auch verständlich sein. 'Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.' steht im Grundgesetz der BRD unter Artikel 14. Ich kann da keine Schuld der Kommune erkennen, der bei einer solchen Herangehensweise die Hände gebunden sind. Das Geschäftsmodell einiger Investoren war sicherlich solide und hat einige Glanzpunkte hervorgebracht, das von anderen Investoren war eher darauf ausgerichtet: Billig kaufen, einen unerträglichen Schandfleck entstehen lassen, um dann das Schandmal teurer verkaufen zu können, weil der Zustand der Immobilie für die Allgemeinheit unzumutbar geworden ist. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,
    zur Werbung: Ich finde die Werbung an den Naumburger Triebwagen überhaupt nicht störend. Mag sein, daß in der DDR wenig bis gar keine Werbung an ÖPNV- Fahrzeugen vorhanden war, aber erstens ist die DDR nicht das Maß der Dinge, denn in einer sozialistischen Planwirtschaft hatte "Werbung" einen ganz anderen Stellenwert als im Rest der Welt und zum anderen ist gerade für den TW 17 die DDR ja auch nur eine Episode. Das Fahrzeug wird vor 1949 bestimmt Werbeträger gewesen sein und die aktuelle Werbung ist optisch an die Zeit vor 1949 angelehnt. Zudem habe ich absolut Verständnis dafür, daß ein Verein auch diese Einnahmen braucht. Wen es stört, der möge der Bahn ein "werbefreies" Fahrzeug finanzieren.
    Zum Bahnhofsgebäude: Es ist nunmal so, heutzutage werden Bahnhofsgebäude nur noch dort gebraucht, wo Umsteigen und damit verbunden längere Wartezeiten gegeben sind. Weder für die Leit- und Sicherungstechnik noch für Gepäck-/Expreßgutversand oder Fahrkartenverkauf besteht noch ein Bedarf an diesen Bauten. Daß die ebenfalls oft leerstehenden Bahnhöfe im ehemaligen Bundesbahngebiet etwas besser aussehen als die im Reichsbahnland, liegt zum einen daran, daß die Anlagen schon zu DDR- Zeiten vom Erhaltungszustand durchweg her schlechter waren und zum anderen die Auflassung wegen fehlenden Bedarfs früher erfolgte. Und daß die Kommune "pleite" war und in dieser Lage lieber Kitas als ein obsoletes Bahnhofsgebäude finanziert, hat Rene ja schon herausgearbeitet. Das ist nicht schön, aber es ist halt so. Was nicht mehr gebraucht wird, verfällt und wird irgendwann abgerissen, denn niemand hat einen Goldesel daheim.
    Gruß,
    Rolf

  • Hallo,

    auf dem Gebiet der Deutschen Reichsbahn war das Problem, dass die Bahnprivatisierung dazu führte, dass massenhaft Empfangsgebäude am Stück seitens der DBAG abgestoßen worden sind, während dieser Prozess auf Seiten der Deutschen Bundesbahn deutlich schleichender erfolgte. Ein Beispiel die Eiderstedter Strecke oben im Norden: Bahnhofsgebäude Büttel, Harblek, Garding (trotz massiver Proteste der Bevölkerung) noch zu Zeiten der Bundesbahn abgerissen. In Tating stand das "Empfangsgebäude" noch ungenutzt bis in die 1990-er Jahre. Mehrfach wurde es angezündet und es war nur noch eine Ruine. Die Fahrgäste wurden mit Hinweisschildern zur Gefahrenabwehr wegen akuter Einsturzgefahr des Gebäudes empfangen. Letztlich wurde es auf Kosten der Gemeinde abgerissen. Also allein 4 Bahnhofsgebäude an einer Strecke mit 43 km Streckenlänge in einer vom Tourismus geprägten Region.

    Freundlichen Gruß, René


  • ...aber erstens ist die DDR nicht das Maß der Dinge, denn in einer sozialistischen Planwirtschaft hatte "Werbung" einen ganz anderen Stellenwert als im Rest der Welt und zum anderen ist gerade für den TW 17 die DDR ja auch nur eine Episode. Das Fahrzeug wird vor 1949 bestimmt Werbeträger gewesen sein und die aktuelle Werbung ist optisch an die Zeit vor 1949 angelehnt..... Wen es stört, der möge der Bahn ein "werbefreies" Fahrzeug finanzieren......
    Gruß,
    Rolf

    Moin,

    das mag ja richtig sein mit der Werbung vor 49.....

    Nur zu dumm, daß man die 17 im letzten Erhaltungszustand der Naumburger Einsatzzeit wieder aufgebaut hat! Und da gab es keine Werbung an den Fahrzeugen....
    Auch ich habe für die 17 gespendet und wurde in diesem Sinne ein wenig enttäuscht was dabei raus gekommen ist....
    Ich fahre auch bei jedem Heimatbesuch mit der Ille, weil es nun mal ein Stück Heimat ist .... nur passt dieses derzeitige äußere Erscheinungsbild trotzdem nicht zum historischen Stadtbild! Und warum muß man sich immer den anderen angleichen?
    Es ist wahrlich einzigartig auf dieser kurzen Strecke öffentlichen Nahverkehr mit alten Fahrzeugen anzubieten! Da ziehe ich immer wieder meinen Hut.

    Es wäre aber mit Sicherheit ein nicht zu unterschätzendes Alleinstellungsmerkmal für Naumburg mit werbefreien historischen Fahrzeugen öffentlichen Nahverkehr zu betreiben! So ist es nur ein Ding zwischen Gewollt und nicht Gekonnt und sieht aus wie jede andere Straßenbahn in Deutschland...

    Vielleicht bekomme ich mal paar Leute zusammen, damit man zB die 17 auch ohne Werbung für ein paar Fahrten mieten kann?! Die Welt wird es ja nicht kosten....

    Grüße Jörg

  • Hallo Jörg,

    das wäre ja z.B. auch eine Idee, das Fahrzeug für bestimmte Sonderfahrten werbefrei fahren zu lassen. Bei entsprechender Finanzierung wäre damit allen Seiten geholfen. Ich muss echt zugeben, dass mir bei der Mitfahrt die Werbung gar nicht aufgefallen ist, so alltäglich sind derlei Ansichten mittlerweile. Erst dadurch, dass Du die Werbung hier thematisiert hast, ist sie mir wirklich bewusst geworden.

    Eigentlich wollte ich nur einen kleinen unterhaltsamen Reisebericht schreiben. Interessant, was sich hier im Anschluss für eine befruchtende und sachliche Diskussion herausgebildet hat. Danke dafür! :ok:

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    bezüglich der 'Ille' oder 'Wilden Zicke' gibt es für Interessenten noch diese aktuelle Information:

    Öffentliche Führungen durch das Straßenbahn-Depot von März bis Oktober jeweils Samstag um 14:15 Uhr

    Der Verein Nahverkehrsfreunde Naumburg-Jena e.V. bietet von März bis Oktober jeden Sonnabend eine öffentliche Führung durch das historische Depotgebäude der Naumburger Straßenbahn an. Die Führungen bieten neben einem Rundgang viel Wissenswertes über die Straßenbahngeschichte und über die Fahrzeuge. Zum Abschluss können Souvenirs gekauft werden (Postkarten, Broschüren,…). Die nächste öffentiche Führung wird am Samstag, 4. März 2017 stattfinden.

    Freundlichen Gruß, René

  • Hallo,

    ich habe mal bezüglich der Werbung an den Fahrzeugen die Naumburger Straßenbahn angeschrieben und zeitnah von Herrn Plehn der Naumburger Straßenbahn GmbH folgende kompetente Antwort erhalten:

    Zitat

    Vielen Dank für Ihren Besuch bei der Naumburger Straßenbahn. Ihre Aufnahmen sind wirklich sehr gelungen. Wir freuen uns, dass es Ihnen sehr gut gefallen hat. Kurz zu Ihrer bzw. zur Frage der Fans:
    Auf die Werbeeinnahmen können wir leider nicht verzichten. Diese Einnahmen machen fast 10 % unseres Jahresbudgets aus. Mit diesem Betrag können wir immerhin eine Vollzeitstelle fiananzieren.

    Triebwagen 17 gehört dem Verein Nahverkehrsfreunde Naumburg-Jena e. V. (und somit nicht der Naumburger Straßenbahn GmbH). Trotz großzügiger Förderung des Landes mussten rund 80.000 Euro Eigenmittel aufgebracht werden. Deshalb hat sich der Verein auch für die Vermietung der Werbeflächen entschieden. Der Tw 17 würde ohne diese finanzielle Unterstützung heute nicht im Dienst stehen. Dennoch haben wir uns sehr darum bemüht, mit den Werbepartnern verträgliche Lösungen, die zum jeweiligen Fahrzeug passen, zu finden. Und wir finden, es ist ein guter Kompromiss. Natürlich verstehen wir auch die Meinung der Fans. Sie könnten z.B. Werbeflächen selbst anmieten. Dann können sie auch entscheiden, dass diese Flächen nicht beklebt werden. Das gab es übrigens schon einmal bei uns in Naumburg. Wir bitten deshalb die Fans um Verständis und hoffen, dass sie Ihrem Beispiel folgen und die Naumburger Straßenbahn demnächst besuchen.

    Ohne Einnahmen aus Werbung hätten wir den Betrieb (er besteht immerhin seit 1994) nicht erhalten bzw. aufbauen können. Bis 2007 haben wir keine Zuwendungen erhalten.

    Nochmals vielen Dank für Ihren Besuch in Naumburg und freundliche Grüße


    Die Weiterführung der Baumaßnahme zur Streckenverlängerung zum Salztor soll ab Sommer geschehen und möglichst bis Jahresende abgeschlossen sein.

    Vom 15. bis 17. September feiert die Straßenbahn das große Fest '125 Jahre Naumburger Straßenbahn'.

    Freundlichen Gruß, René

    Postskriptum: Ich habe mir natürlich von Herrn Plehn die Erlaubnis geben lassen, die Antwort der Naumburger Straßenbahn GmbH hier kommunizieren zu dürfen. Dafür an dieser Stelle ein Dankeschön!

  • 'Wilde Zicke' und / oder 'Ille' ... die verschiedenen Namen einer Straßenbahn

    Die Naumburger Straßenbahn endet heute in etwa an gleicher Stelle, wie die Dampfstraßenbahn, welche ab dem Jahre 1892 verkehrte, nämlich gegenüber des Nietzsche-Hauses nahe dem Wenzeltor (heute Haltestelle Vogelwiese). Dort lebte der berühmte Philosoph erkrankt in geistiger Umnachtung und wurde dort ab 1890 von seiner Mutter gepflegt. Die Mutter nutzte mit ihrem Sohn Friedrich oft die Dampfstraßenbahn, um zum Bahnhof zu fahren, wenn Gäste erwartet wurden. Ab Beginn ihrer Eröffnung wurde die Dampfstraßenbahn von den Naumburgern liebevoll 'Wilde Zicke' genannt. Bis zum Tod der Mutter des Philosophen im Jahre 1897 bildete die Dampfstraßenbahn direkt vor dem Haus der Nietzsches ein dankbar genutztes Verkehrsmittel. Sie wurde von Franziska Nietzsche in Briefen als 'unsere liebe Straßenbahn' bezeichnet. Ab diesem Zeitpunkt verkehrte die 'Wilde Zicke' noch weitere 10 Jahre. Der Philosoph wurde ab 1897 bis zu seinem Tod im Jahre 1900 von seiner Schwester in Weimar gepflegt. Ab dem Jahr 1907 verkehrte dann die elektrische Straßenbahn, welche ab diesem Zeitpunkt von den Bewohnern wegen ihres 'Bimmelns' auch 'Ille' genannt wurde. Wegen ihres Fahrpreises wurde sie dann zu DDR-Zeiten auch 'Groschenhexe' genannt.

    Freundlichen Gruß, René