Das Industriemuseum Brikettfabrik Knappenrode

  • Hallo,

    seit nun mehr fast 10 Jahren bin ich unzählige Male beinahe direkt an der Brikettfabrik Knappenrode in der Nähe von Hoyerswerda vorbeigefahren. Und obwohl ich eigentlich recht genau wusste, was für interessante Eisenbahnfahrzeuge dort stehen, hab ich es nie geschafft, dort mal reinzugehen. Immer nach dem Motto "Das ist auch nächstes Jahr noch da". Am 1. März hat sich nun ganz spontan doch die Möglichkeit ergeben, dieses Museum zu besuchen und es gab weitaus mehr zu sehen, als ich dachte, unter anderem auch einen 600-mm-Teil, darum hier ein paar Bilder dazu.

    Die 1918 eröffnete Brikettfabrik galt bis zur Mitte der 1940er Jahre als modernste Brikettfabrik Europas, wurde dann aber 1993 stillgelegt. 1994 eröffnete dann das heutige Industriemuseum, welches zum Verbund der Sächsischen Industriemuseen gehört.
    Bis zum Jahr 2001 war das Gelände auch der Ausgangspunkt einer 900-mm-Museumsbahn auf der alten Kohlebahnstrecke in Richtung Senftenberg. Leider ging dieses Projekt grandios zu Grunde, weshalb es heute so gut wie keine Überbleibsel des einst riesigen 900-mm-Netzes in der Lausitz gibt. Über die Geschichte und die Hintergründe dieser Bahn kann man sich am besten im folgenden Beitrag informieren:

    http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,5218936

    Als wir auf einmal vor dem Tor des Museums standen, war ich erst mal sehr überrascht. Da ich mich nie wirklich mit dem Museum beschäftigt hab, hatte ich auch keine Ahnung, dass das Museum mit Ausnahme einiger weniger Tage das gesamte Jahr geöffnet hat. Mitten in der ersten Märzwoche waren wir als Besucher gegenüber dem Museumspersonal aber definitiv in der Unterzahl.
    Gleich zu Beginn der Blick auf die imposanten Backsteingebäude! Leider wurden nach der Betriebseinstellung schon einige größere Nebengebäude, wie das Kesselhaus, abgerissen.

    Da das Wetter leider ziemliche Kapriolen schlug, beschäftigte ich mich erst mal mit den Ausstellungen in den Nebengebäuden und lies die Loks am Eingang erst mal im Regen stehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Neben verschiedensten Ausstellungen zur Kohle im Allgemeinen sowie Kunst- und Mineralienausstellungen beherbergt eines der Nebengebäude eine Ausstellung zur Grubenwehr. Für die, die an der Technik interessiert sind, natürlich das bevorzugte der gebotenen Themen.

    Doch widmen wir uns nun den interessantesten Sachen, denn rund um die ehemalige Kohleentladung wurden einige Fahrzeuge in Regelspur und 900 mm Spurweite aufgestellt. Der Großteil stammt von den riesigen Kohlebahnnetzen der Lausitz.
    EL2 6763/1953, die wohl älteste erhaltene EL2.

    Eine sehr interessante Dampfspeicherlok (WLF 9194/1942) mit typischen Spezialwagen aus der Kohleindustrie.

    Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass der Wagen eigentlich eine große dreiteilige Kipplore ist. :D

    LKM V18B (261194/1962) zusammen.....

    ....mit einem aus den USA stammenden Wagen aus der Zeit des 1. Weltkrieges, welchen es im Endeffekt in die Kohleindustrie der DDR verschlagen hatte.

    900-mm-Schienenkran

    Eines der interessantesten Exponate steht neben dem Gleis des 900-mm-Rundkurses (dazu später mehr). Natürlich handelt es sich offenkundig um eine ehemalige 900-mm-Dampflok. Allerdings konnte ich in den bekannten Listen keine Hinweise auf einen Hersteller oder eine Nummer finden. Evtl. aber Borsig?! Wie man sieht, ist die Dampflok aber keine Dampflok mehr, sondern wurde zu einer (wahrscheinlich selbstfahrenden) E-Lok umgebaut.

    Könnte der Umbau vielleicht sogar bei LEW im Jahr 1958 stattgefunden haben? Zumindest findet sich dieses Schild am großen Luftkessel an der Vorderseite der Lok.

    Ein ganz besonderes Exponat ist auch die von CKD gebaute T334.0616, eine von wohl nur zwei überlebenden Exemplaren von den etwa 70 in die DDR gelieferten Loks dieses Typs. Während der Großteil ihrer Schwestern kein langes Leben hatte, überlebte diese Maschine, weil sie 1976 mit einem sowjetischen Strahlentriebwerk zu einem mobilen Auftaugerät umgebaut wurde.

    Die Dampfspeicherlok von Hanomag (9968/1923) wurde zuletzt als mobiler Löschwassertank im Kraftwerk Jänschwalde eingesetzt und steht heute auf einem Wagen vom VEB Waggonbau Altenburg.

    Im Obergeschoss der ehemaligen Kohleentladung hat heute der Modellbahnclub Hoyerswerda sein Domizil, welcher aber nur an bestimmten Tagen in seinen Räumen ausstellt. Direkt darunter steht unter anderem die LKM Dampfspeicherlok vom Typ FLC 146723/1961.....

    ....sowie einige 900-mm-Kohlewagen.

    Von der typischsten Lok der 900-mm-Kohlebahnen im Osten Deutschlands, der EL3 von LEW, befindet sich mit der 7117/1954 auch ein Exemplar im Museum.

    Wie schon geschrieben, endete der Betrieb auf der von hier ausgehenden Museumsbahn im Jahr 2001. Ein Großteil der Fahrzeuge gelangte daraufhin zur Kohlebahn Meuselwitz. Daraufhin errichtete man unter Nutzung einiger originaler Streckenabschnitte einen 900-mm-Rundkurs rund um das Museum. Leider kommt darauf im Sommer maximal die unter Plane stehende Handhebeldraisine zum Einsatz. Die zu sehende V10C 250396/1965 ging als einzige der vorhandenen Loks nicht nach Meuselwitz und soll nach einigen Aussagen auch noch betriebsfähig sein. Allerdings dürfte es schon Jahre her sein, wo sie das letzte mal gelaufen ist. Die angeschriebene Pseudo Reichsbahnnummer "299 915" stammt noch aus der Museumsbahnzeit, wo man mehr Wert auf eine verkitschte Touristenbahn als auf den Erhalt der historischen Kohlebahn legte.

    Zwar nicht typisch für die Kohlebahnen, aber typisch für die Lausitz, ist die größte ausgestellte Lok, die 52 8115.

    Die direkt ans BKK Knappenrode gelieferte V60D (LEW 13856/1974) zeigt sich heute mit einem weiteren amerikanischen Flachwagen und einem zum Schneepflug umgebauten alten preußischen Tender, welcher von einer P8 stammen dürfte.

    Kommen wir nun zum Großgerätebereich. Die hier ausgestellten Bagger und Absetzer sind schon beeindruckend groß, aber immer noch winzig, wenn man weiß, was heute in den Großtagebauen für Maschinen eingesetzt werden.

    Für den Feldbahnfreund ist natürlich die auf einem kurzen Gleisstück ausgestellte 900-mm-Henschel vom Typ Helfmann (25006/1939) samt dem schönen Zug aus großen Hokakis am interessantesten. Die Lok stammt nicht aus der Lausitzer Braunkohle, sondern kam über verschiedene Wege erst nach der Wende in den Osten Deutschlands.

    Das Ganze aus Sicht des Lokführers auf der Abraumbahn. ;)

    Beeindruckend ist auch der sehr imposante Eimerkettenbagger, der direkt daneben steht.

  • Einige Meter weiter folgte ein Bereich, in dem es um die Entwässerungsstollen der Großtagebaue ging und der mir hier vollkommen unbekannt war. Bis in die 1990er Jahre wurden dazu nämlich 600-mm-Grubenbahnen verwendet, von denen einiges an Material hier ausgestellt war. Neben den frei zugänglichen Fahrzeugen stand in einem der zwei künstlich angelegten und verschlossenen Stollen mindestens noch eine weitere, augenscheinlich recht gut erhaltene, EL9/01 von LEW.

    Der Zustand dieser unbekannten EL9/01 ist dagegen nicht mehr ganz so Fabrikneu.

    Interessant fand ich diese sehr massive Lore, die ich für einen Eigenbau hielt.

    Oberhalb der künstlichen Stollen steht das Fördergerüst der ehemaligen Entwässerungsanlagen des Tagebaus Nochten. Evtl. stammt daher von dort auch das ganze Grubenbahnmaterial.

    Hier steht auch eine weitere unbekannte Akkulok von LEW. Diesmal eine EL9 mit Eigenbauführerhaus.

    Stutzig wurde ich, als hier neben einer normalen Vetschauer Flachlore eine weitere dieser schweren Flachloren stand.

    Durch das fehlende Blattwerk konnte man hinter den Austellungsanlagen eine weitere Freifläche erahnen, die recht interessant schien und die man, ohne irgendwelche Absperrungen zu übertreten, erreichen konnte. Da war die Neugier des Feldbahners natürlich geweckt. :D Und der Anblick war auch umwerfend! Anscheinend hatte man hier einfach alles an Material im Dornröschenschlaf liegen lassen was man von den 600-mm-Grubenentwässerungsanlagen bergen konnte, ohne eine weitere Verwendung dafür zu haben.

    Unmengen an verschiedenen Grubenhunden, Flachloren und Gleismaterial konnte man finden.

    Doch was war das? Eine weitere der ominösen schweren Flachloren. Und die hat doch tatsächlich ein Fabrikschild dran! Also handelt es sich mitnichten um Eigenbauten, sondern um eine mir bisher vollkommen unbekannte Bauart vom VEB Waggonbau Vetschau!

  • Nach dem hoch interessanten Rundgang durch das Außengelände mit seinen ausgestellten Eisenbahnfahrzeugen ging es zurück in Richtung der eigentlichen Brikettfabrik. Dabei wurde noch der Bereich von nicht minder interessanten Straßenfahrzeugen aus der Braunkohle mitgenommen.

    Hier ein Kraz 255B mit einem Nachwende Aufbau für Besuchsfahrten in die Tagebaue. Solche Fahrten gibt es auch heute noch, allerdings natürlich mit modernen Fahrzeugen.

    Eine interessante Eigenart der DDR Braunkohleindustrie war die Verwendung von ausgemusterten Panzerfahrgestellen für verschiedene Tagebaugeräte. Das hier zu sehende HG 125 besteht aus einem ADK 125 Kranaufbau und einem T 34 Fahrwerk. Da sowohl die Fertigung des Kranaufbaus als auch die komplette Endmontage des Fahrzeuges beim VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg erfolgte, sehen wir hier praktisch einen Panzerkran von LKM! :D

    Das eigentliche Museum im Pressengebäude erreicht man praktisch vom Dachgeschoss aus. Dazu muss man gute 10 Stockwerke über einen außerhalb stehenden Turm erklimmen. Von dort oben hat man aber einen hervorragenden Blick über das Gelände. Hier ein Blick auf die Eisenbahnausstellung um die ehemalige Kohleentladung. Auf der hellen Fläche am Boden stand früher das Kesselhaus der Brikettfabrik. Und ganz am Horizont, recht schwer zu erkennen, sieht man das Kraftwerk Boxberg.

    Der Blick zum Eingangsbereich, mit den ehemaligen Verwaltungs- und Sozialgebäuden der Brikettfabrik. Im Hintergrund das Kraftwerk Jänschwalde.

    Vom Hauptgebäude der Brikettfabrik selber habe ich fast keine Bilder. Aber es war hoch interessant! Die Anlagen zeigen sich wirklich, wie sie 1993 verlassen wurden und machen teilweise den Eindruck, dass sie sofort wieder in Betrieb genommen werden könnten. Die heute üblichen Klang- und Videoinstallationen machen das ganze dazu noch ziemlich lebendig. Hier nur ein Bild der untersten Ebene, wo unzählige Brikettpressen beinahe darauf warten, wieder in Betrieb genommen zu werden.

    Auf einer Freifläche auf der anderen Seite des Pressengebäudes standen noch weitere Grubenhunde und auch recht große straßengebundene Kipploren.

    Nach fast vier Stunden im Museum befanden wir uns nun wieder am Ausgang und auch wenn das Licht schon fast verschwunden war, wurden noch die Fahrzeuge am Eingang festgehalten, welche zu Beginn aufgrund des Wetters erstmal nicht beachtet wurden.
    LKM Dampfspeicherlok FLB 146043/1954:

    Und zum Abschluss noch die zweite hier vorhandene LEW EL2, die 9769/1961.

    So ich hoffe mein kleiner Museumsrundgang hat gefallen? Auch wenn das Industriemuseum "Brikettfabrik Knappenrode" für den Eisenbahnfreund ein eher totes Museum ist, kann ich jedem Technikbegeistertem den Besuch dort nur empfehlen!

    Viele Grüße
    Felix

    P.S.: Aufgrund der limitierten Zeichenanzahl musste der Beitrag hier in 3 Teilen erscheinen. Ich bitte das Stückwerk daher zu entschuldigen.

  • Hallo Blix!
    Vielen Dank für den sehr interessanten Beitrag. Unglaublich, was es alles für Fahrzeuge gab. Was ist aus den Fahrzeugen geworden, welche damals nach Meuselwitz zur Kohlebahn gegangen sind? Auf der dortigen Seite findet man darüber leider gar nichts. Sind die noch vorhanden oder alle verschrottet?
    Viele Grüße
    99 191

  • Hallo 99 191,

    was im einzelnen dort hin gegangen ist weiß ich leider auch nicht. Von den 4 V10C (davon mehrere Schallgedämmte) konnte ich zumindest keine dort identifizieren. Definitiv aus Knappenroder Bestand stammen aber die beiden Sachsen und der "Panorama" Wagen.

    Viele Grüße
    Felix