Schienenersatzverkehr wegen Personalmangels

  • Das Leute im mittleren Alter zunehmend Probleme mit den Eignungstests haben, sollte kein Geheimnis sein. Ansonsten ist es die pure Erfahrung aus knapp 2 Jahrzehnten auf dem Führerstand und zeitweise als Ausbilder. Da kommen teilweise Gymnasiasten die mit Begriffen wie Volt, Ampere, Bar usw. nichts anfangen können.
    Was soll man dazu noch sagen?
    Bei den Neubaufahrzeugen läuft die Störungssuche nach folgendem Schema ab, schauen was der Bordcomputer sagt, folge der Wegbeschreibung zum KSS, man lege ihn 10 Sekunden aus und wieder ein, fertig! Wenn nicht fertig, rüste das gesamte Fahrzeug ab, warte 5 Minuten bis der Bordcomputer komplett heruntergefahren ist, rüste es wieder auf. Geht es, gut, geht es nicht, Hilfsfahrzeug.
    Klar, daß derart ausgebildete Tfs bereits auf Altbau-Fahrzeugen extreme Probleme bekommen. Denn die sind nur "digitales Fahren" gewöhnt, den Rest erledigt die Elektronik. Ne Dampflok würden die dir in kürzester Zeit in Grund und Boden fahren, weil sie mit der Bedienung völlig überfordert wären, vor allem abseits von Idealbedingungen. Denn da sind noch alle Sinne und viel Fingerspitzengefühl gefragt, dazu ne Menge technisches Hintergrundwissen, welches heutzutage in dieser Tiefe in der Tf-Ausbildung nicht mehr ansatzweise vermittelt wird, geschweige denn gefühlvolles Fahren von Hand ohne elektronische Unterstützung.

  • Hallo,

    also in unserem Unternehmen ist der größere Teil der Mitarbeiter im Fahrdienst mittleren Alters und allesamt haben logischerweise die erforderlichen Eignungstest bestanden, die den "Vollbluteisenbahnern" (hier rede ich von den "Vollbluteisenbahnern" der Schmalspurbahn) dann Schwierigkeiten bereiten. Das passt dann nicht zusammen. Dann kommen fehlende PZB- und Sifa-Kenntnisse, fehlende Erfahrungen mit höheren Geschwindigkeiten und echtem fahrplanmäßigem Zeitdruck und fehlende Erfahrungen mit Signalisierungen und anderen betrieblichen Abläufen dazu. Somit ist eben nicht jeder "Vollbluteisenbahner" als "Fahrer" auf der normalspurigen Hauptstrecke geeignet, weil man eben doch Erfahrungen braucht, die man in jahrelanger Arbeit bei der Bimmelbahn einfach nicht sammeln kann. Bei den Zugbegleitern geht es ja weiter. Kenntnisse (bei uns) im DB-Tarif, GVH-, VRB-, HVV- und VBN-Verbundtarif treffen auf den Brockeneinheitstarif und ein paar wenige andere Fahrkarten. Wer muss wohl die größeren Kenntnisse mitbringen? Der "Vollblutzugbegleiter" der Schmalspurbahn oder simple "Kundenbetreuer" im modernen Triebwagen? Ich habe durch meine Tätigkeit in beiden Bereichen die Vergleichsmöglichkeit und kann mir glücklicherweise mein eigenes Urteil bilden. Übrigens sagen alle "Vollbluteisenbahner", die den Wechsel von der Schmalspurbahn hin zum "Fahrer" geschafft haben, dass sie nie gedacht hätten, dass es so anspruchsvoll ist, ein solches Fahrzeug zu fahren. Und bei rutschigen Schienenköpfen und leichten Fahrzeugen wird gerade dem "Fahrer" einiges abverlangt am Bahnsteig eben nicht aus einer hohen Geschwindigkeit heraus am Ziel vorbeizuschießen, denn der Zug soll ja kundenfreundlich zum Halten gebracht werden und nicht, in dem man alle vorhanden "Anker" wirft. Und auch für die HSB gilt, was Du bemängelst: Die Vorkenntnisse sicherlich nicht weniger Bewerber lassen einen normalbegabten Menschen erschaudern. Bei der HSB kommt als Dilemma dazu, dass man mittlerweile nehmen muss, wen man kriegt, weil eben kaum ein "Vollbluteisenbahner" seine Perlen vor die Säue werfen möchte. Schließlich gilt es auch, vom Verdienst einigermaßen leben zu können ... und das bietet eben eher die Tätigkeit als "Fahrer" bei der großen Eisenbahn.

    Freundlichen Gruß, René

  • Na häng das jetzt mal nicht zu hoch auf!
    Ich bin in meinem Tf-Dasein nun bisher so ziemlich alles gefahren, jede Sparte, jede Traktionsart, von lumpigen 628 über ICEs bis zu schweren Güterzügen. Halt so ziemlich alles außer Dampf. Ich könnte Dich ja verstehen, wenn du jetzt mit einem 2000 t-Güterzug und dessen Bremsverhalten um die Ecke kommst. Aber mit dem Lint-Triebwagen oder dergleichen? Der hat ne superdirekte Bremswirkung nahezu ohne jegliche Verzögerung, dazu Scheibenbremsen, MGs, elektronischen Gleitschutz usw. Kurzum, der bremst wie ne Straßenbahn. Jeder halbwegs versierte Tf fährt dir sowas im Schlaf, weil es die mit Abstand simpelste Art ist ein Eisenbahnfahrzeug zu bewegen! Einem guten Tf-Anwärter bringt man das in wenigen Fahrstunden bei, dann hat der den Dreh vernünftig raus.

    Aber ich weiß, es gibt tatsächlich Leute, die selbst damit überfordert sind und mit 30 verschiedenen Bremsstellungen inklusive MGs an die Bahnsteige bremsen, teilweise immer noch drüber rutschen, weil sie immer dieselben auswendig gelernten Bremspunkte nutzen, egal wie die Schienenverhältnisse sind. Wirklich null Gefühl halt! Und schon hat sich der Kreis zum obigen Beitrag geschlossen.

  • Hallo,

    Deine technischen Aussagen sind ja richtig, der Kreis schließt sich trotzdem nicht zu Deiner ursprünglichen Aussage, dass "Vollbluteisenbahner", die Dampflok fahren, die echten Eisenbahner sind, während die "Fahrer" eines Triebwagens mit Eisenbahn eigentlich gar nichts am Hut haben. Und das deckt sich eben nicht mit der Erfahrung von Schwierigkeiten beim Wechsel der Traktion, denn dann müssten ja die "Vollbluteisenbahner" den LINT in ein paar Fahrstunden beherrschen ... ist aber eben nicht die Realität. Ich habe dargelegt, woran das liegen könnte. Du leider nicht. Aber ist auch egal. Wie sagt man so schön: Wichtig ist, was hinten rauskommt ... und das ist beim "Fahrer" eben deutlich mehr, weshalb er mit der öffentlich betriebenen Abwertung seiner Tätigkeit durch manch einen "Vollbluteisenbahner" sicherlich leben kann. :zwink: Ich bin auch EiB, würde meine Kolleginnen und Kollegen, selbst Diejenigen die nur ein paar Monate an Ausbildung genossen haben, niemals als Nicht-Eisenbahner abtun. Nicht solange sie die Fahrgäste und mich als Zugbegleiter gut und sicher ans Ziel bringen. Und das machen unsere "Fahrer" wirklich gut! :thumbsup:

    Freundlichen Gruß, René

  • "Wir arbeiten, wenn andere Urlaub machen. Am Wochenende oder nachts", sagt Heide Baumgärtner, Sprecherin der Bahn. :frech: Schön ist immer, wenn von Wir gesprochen wird, aber die eigene Person damit gar nicht gemeint ist.

    Es hat sich ja nun schon fast deutschlandweit rumgesprochen, dass die HSB ein Problem hat. In früheren Zeiten war es so, dass Schmalspurbahnen in der Region verankert waren (es in vielen anderen Regionen auch noch sind), dass die Bewohner dieser Regionen von 'Unserer Bimmel' etc. gesprochen haben. Und wie sieht die Situation heute z.B. in der Stadt des Verwaltungssitzes der HSB aus? Kaum ein Bürger nimmt Anteil am Zustand der HSB. Man nimmt ihr Vorhandensein zur Kenntnis. Es gibt unter der Bürgerschaft kein Engagement für die HSB, um auf den schlechten Zustand aufmerksam zu machen oder ihn durch politischen Aktivismus zu ändern, um der Schmalspurbahn behilflich zu sein. Die HSB ist nicht mehr in der Region verankert. Fragt man einen Wernigeröder, wann er das letzte Mal mit der HSB gefahren ist, bekommt man meist als Antwort: :nixw: Bahnfreunde in einer Interessengemeinschaft zu haben, ist der eine Aspekt. Fehlt allerdings der Rückhalt der Bevölkerung vor Ort, wird dies auf Dauer zum Problem. Und hier offenbart sich ein Versagen der HSB-Verwaltung: Sie setzte und setzt den alleinigen Fokus auf die Touristen, und Null auf die heimische Bevölkerung. Es gibt für die Einheimischen keinerlei Anreize, die HSB zu nutzen (einzige Ausnahme bildet das Nordhäuser Modell). Ein Unternehmen, welches das eigene Betriebs- und Verkehrspersonal nicht sehr gut bezahlt, kann von der Bevölkerung vor Ort kaum erwarten, mal eben an einem freien Tag die Preise von Urlaubsgästen zu zahlen. Wenn schon ein nicht geringer Prozentsatz von Touristen im Angesicht der Fahrpreise an der Fahrkartenausgabe wieder kehrtmacht, wie sollen es sich dann die Einheimischen leisten können, den Berg vor ihrer Haustür (er gehört immerhin zum Stadtgebiet von Wernigerode) mit der Schmalspurbahn zu besuchen? Und durch Nichtnutzung schwindet immer mehr der Rückhalt in der Region, da sind Personalprobleme erst der Anfang. Gerade das Personal muss ja aus der vernachlässigten Region kommen. Wenn sich dann in der vernachlässigten Region herumspricht, dass auch Teile des eigenen Personals der Schmalspurbahn massiv vernachlässigt werden, dann wird es schwer, ein positives Engagement zu erzeugen, z.B. in Form des Verlangens, sich bei einem solchen Arbeitgeber zu bewerben. Gleiches gilt natürlich auch für z.B. Quedlinburg. Auch der Selketalbahn fehlt der Anreiz der Nutzung durch die heimische Bevölkerung in ihrer Freizeit. Hier müssten seitens der HSB-Verwaltung entsprechende Konzepte erarbeitet werden. Die dauerhafte Aufrechterhaltung eines Status quo, kein vorhandenes und / oder kommuniziertes visionäres Ziel zur Entwicklung der HSB führen mittelfristig wohl zwangsläufig zum GAU. Hier würde also dringender Handlungsbedarf bestehen.

    Freundlichen Gruß, René

  • Zu den von Renè notierten Gedanken seien auch mir einige Gedanken gestattet.
    Personal zu finden, ist vermutlich nicht das entscheidende Problem, trotz körperlicher Arbeit und Schichtdienst. Das zentrale Thema istdie Bezahlung, also dass dem Mitarbeiter zu wenig vom Einkommen übrig bleibt. Es lohnt sich schlichtvielfach nicht mehr zu arbeiten, weil der Staat viel zu viel vom Arbeitseinkommen in Form von direkten und indirekten Steuern und Abgabenwegnimmt. Derzeit sind das über 70%! Und von den kargen 30%, die dann noch übrigbleiben, werden dann Mehrwertsteuer, Ökosteuer, Mineralölsteuer und anderes kassiert.
    Trotz allem hoffe und wünsche ich, dass die HSB diese Probleme im Sinne der Bahn und des Publikums werden lösen können.

    Viele liebe Grüße von der Ostseeküste
    und von Peter

  • Hallo

    Nunja die Bezahlung ist schon wichtig, aber der Umgang mit den Leuten ist, wie ich finde, mindestens genauso wichtig. Und genau da scheint ein recht großes Problem zu liegen.
    Wenn ich meinen Beruf gerne ausübe nehme ich auch einiges in Kauf (Die Bezahlung darf natürlich nicht zu niedrig sein!) aber der letzte tropfen bringt bekanntlich das Fass zum überlaufen. Da haben aber auch leider einige Leute außerhalb der Bahn ihren Anteil. Auch einige "Fans" die mit den Personalen teilweise recht unverschämt umgehen wie uns Personale erzählten...
    Aber es scheint etwas Licht am Ende der Tunnels zu geben:
    http://www.hsb-wr.de/news/news-deta…ge-im-selketal/

    Es grüßt
    IVK-Jugendfreund

  • Hallo,

    die Mitarbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst bei der HSB leisten alle eine aufopferungsvolle Arbeit unter meist sehr schwierigen Bedingungen. Leider gibt es unter Fahrgästen und Fans auch Individuen ohne Kompetenzen auf der Soft Skills-Ebene. Rücksichtslose Zeitgenossen werden ja auch des Öfteren bei Fotoveranstaltungen etc. im Bahnbereich thematisiert.

    Bezüglich der Bezahlung ist es eine Schande, dass die öffentliche Hand die Zuschüsse für die HSB nicht erhöht. Geld ist nun wahrlich für die unmöglichsten Dinge vorhanden. Allerdings muss man auch feststellen, das gerade in Wernigerode nicht einmal genügend Geld für die Bildung der Kinder bereitgestellt wird: Massive Unterrichtsausfälle an den zu Teilen maroden Grundschulen in Wernigerode gingen vor wenigen Monaten sogar durch die überregionale Presse.

    Und hier schließt sich der Kreis zu den Ausführungen meines vorherigen Beitrages. Die Gesellschafter der HSB sind politische Institutionen. Diese Politiker werden nicht von fernen Bahnfreunden, sondern von der örtlichen Bevölkerung gewählt. Ist die HSB also nicht im Bewusstsein der örtlichen Bevölkerung, haben auch die politischen Akteure wenig Interesse in dieser Sache tätig zu werden. Um den Mitarbeitern ein vernünftiges und ihrer Leistung angemessenes Gehalt zahlen zu können, müssten die Zuschüsse erhöht werden, wobei gleichzeitig die Gesellschafter darauf dringen müssten, dass die Erhöhung der Kapitaldecke auch bei den Mitarbeitern im Betriebs- und Verkehrsdienst ankommt und eben nicht von der personell völlig überdimensionierten Verwaltung verbrannt wird. Die Erhöhung der Kapitaldecke könnte ja an derlei Bedingungen geknüpft werden.

    Das Desaster der HSB hat seine Ursache in der Gemengelage aus desinteressierter (weil nicht positiv an die HSB gebundene) Bevölkerung, tatenlosen (weil nicht geforderten) Politikern und Fehlentscheidungen der (mit internen Kleinkriegen beschäftigten) HSB-Verwaltung.

    Wer leidet darunter? Das Personal, welches "den Laden" mit seinem überdurchschnittlichen Engagement am Laufen hält, ohne dafür die entsprechende Würdigung zu erhalten.

    Freundlichen Gruß, René