Hallo Freunde,
es ist wieder angerichtet.
Wir bewegen uns aber heute wieder zwischen 1435 mm, so dass das Menü wieder einmal über den Tellerrand zeigt.
Wer kennt sie noch, die Franzburger Südbahn?
Sie war eigentlich immer eine der unbedeutenderen Bahnstrecken in Norddeutschland. Trotzdem sollte sie für uns von Interesse sein, auch wenn sie mein Interesse erst sehr spät wecken konnte.
Die Strecke Velgast – Tribsees mit der abzweigenden Strecke Neu Seehagen – Franzburg war am 19. Mai 1895 als Franzburger Südbahn AG eröffnet worden. Eigentlich bis zur Betriebseinstellung fast genau 100 Jahre später war sie immer die „Südbahn“.
Als Kleinbahn durch Lenz und Co erbaut, konnte sie nie eine bedeutende Bahnstrecke werden und kämpfte fast ständig ums Überleben, ein Kampf den sie zum Glück erst nach 100 Jahren verlieren sollte. Ansonsten wäre es uns nie möglich gewesen, diese Bahn noch kennen zu lernen.
Es gab viele Verbindungen zur meterspurigen Franzburger Kreisbahn, aber nie eine Fusion. Erst mit der Eingliederung in die Pommerschen Landesbahnen 1940 kamen beide als „Franzburger Bahnen“ verwaltungsmäßig auch zusammen. Die Werkstatt Barth der Franzburger Kreisbahn war aber schon vorher für die Instandhaltung sämtlicher Südbahnfahrzeuge zuständig gewesen.
Auf dem Bahnhof Velgast angekommen, suchte man zunächst vergeblich nach den Triebwagen nach Tribsees, die 1969 erstmals in Form eines LVT ( damals VT 2.09, ab 1970 BR 171/172 ) verkehrten. Dem Probeeinsatz 1969 folgte aber noch eine Phase bis 1975, in der die Vorkriegstriebwagen der BR 186 eingesetzt waren. Als Ersatz verkehrte sogar zeitweise eine V 60 ( BR 106 ) mit einem vierachsigen Beiwagen.
Velgast, ein größeres Dorf zwischen Rostock und Stralsund hatte einen ansehnlichen Bahnhof, der im Zuge der „Modernisierung“ ab 1999 ordentlich Federn lassen musste.
In der geräumigen Bahnhofshalle fand man in den 80ern umfangreiche Abfahrtspläne mit klangvollen Zielbahnhöfen. Weder auf der Ankunfts- noch auf der Abfahrtstabelle fand sich ein Zug nach Tribsees. Erst ein kleiner Plan daneben, der so unbedeutend wie hässlich, neben der großen Tabelle geradezu in Deckung ging, erweckte mein Interesse. Dieser kleine Zettel, handschriftlich geschrieben, wirkte irgendwie provisorisch.
Allerdings stand unter der Überschrift „Abfahrt Velgast Südbahn“ nur ein unbedeutendes Angebot von gerade einmal 4 Abfahrten am Tag.
Es kam Bewegung in die Halle, als ein paar stark schwankende Zeitgenossen laut palavernd die Mitropa-Gaststätte verließen und zum Ausgang torkelten.
Wo die wohl hinwollen? Tür auf und da wurde mein Blick auf die Seitenwand des Triebwagens frei, der an der Straße parkte. Unsere Wirtshausgäste stürzten über die Straße und fanden doch tatsächlich den Türöffnerknopf des 172 135. Prost!!!
Der Triebwagen stand an der Bahnhofsstraße in Velgast. Hier befanden sich einst drei Gleise der Südbahn. Ein Stück Gehweg diente als Bahnsteig, gerade so lang wie zwei Wagen. Wenn man zum Ort lief, kam man am alten Lokschuppen der Südbahn vorbei, der aber jetzt schon lange keine Lokomotive beherbergen konnte.
In Gegenrichtung gab es zwei Übergabegleise zum „großen Bahnhof“. Nach links zweigte das Streckengleis nach Tribsees ab.
Wie üblich war der 172 135 am Vormittag solo in Velgast erschienen. Der Bahnsteig, der eigentlich nur ein besserer Gehweg an der Bahnhofstraße war, wirkte passend zum Triebwagen ganz und gar nicht wie „Großbahn“.
Ein Foto von hinten, eins von vorn und wieder zum großen Bahnhof rüber. Der Zug nach Rostock müsste gleich kommen und tatsächlich, 132 547 brummte mit ihrer E-Bremse lautstark an den Bst. 1 des Bf. Velgast.
So weit, meine erste fotografische Begegnung mit der Südbahn 1988. Ich bin auch zweimal mitgefahren, allerdings ohne Fotoapparat. Es war ja bloß eine olle Dieselbahn. Das magere Zugangebot und die unspektakuläre Traktion konnten mich nie zu einem fotografischen Ausflug dorthin animieren.
Sogar den Nahgüterzug, der mich einmal nach Tribsees mitnahm, habe ich nicht fotografiert. Ich hatte gar keine Kamera dabei.
Die Triebwagen sah ich regelmäßig in Barth. Die Einheit kam täglich einmal zum Tanken in meine Heimatstadt. Auch die im Nahgüterzugdienst auf der Strecke in den 80ern verkehrende V 100 ( BR 112 oder seltener BR 110 ) gehörte zur Est. Barth, der der Lokbahnhof Tribsees damals unterstand.
Viele Barther Lokführer halfen auch auf der Südbahn aus.
Der Stern der Südbahn begann mit der Wende schnell zu sinken. Es war nun nur noch eine Frage der Zeit, wann der rote Brummer das letzte Mal in die kleine, immer mehr verfallende Stadt an der Trebel knattern würde.
Das immer noch konstante Angebot von 4 Zugpaaren und die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung ließen die Stilllegung immer wahrscheinlicher werden.
Letztes Planfahrzeug war der 771 059, der ehemals in Prenzlau zu Hause war und die Stralsunder LVT hier ablöste. Immer wieder verkehrte eine V 100 mit einem Personenwagen. Eine teuere Alternative.
Jetzt musste ich es aber endlich mal schaffen. Die Zeit war reif und wenn nicht jetzt, wann dann?
Mitte Mai 1995, so etwa zwei Wochen vor der Einstellung des Personenverkehrs, war ordentliches Fotowetter und ich nahm mir die Zeit für einen Fototag an der Südbahn mit meinem Freund Andreas. 771 059 rumpelte auch an diesem Tag über die Strecke, begleitet von einigen Eisenbahnfans.
Am 19. Mai 1995 beging die Südbahn ihren 100. Geburtstag völlig unbeeindruckt. Zum Fahrplanwechsel endete der Personenverkehr am 27. Mai 1995 für immer.
Der Güterverkehr war schon 1994 eingestellt worden, bestand aber zuletzt nur noch auf dem Papier.
Steigt also ein und kommt mit nach Tribsees.
Im Mai 1995 steht nun der 771 059 in Velgast Süd und wartet auf Fahrgäste. Auch wenn die jetzt die letzten Züge recht zahlreich bevölkern, hat die Strecke keine Zukunft mehr.
Behrenwalde heißt eine der bedeutenderen Stationen an der Strecke Velgast – Tribsees, auch wenn man es ihr nicht ansieht. Hier wurde bis in die 80er Jahre sogar noch etwas Güterverkehr abgewickelt. 1995 war das Ladegleis allerdings schon unbrauchbar gemacht worden.
Nachschuss an der selben Stelle.
Hinter Ravenhorst biegt der Triebwagen in einen Wald ein. Semlower Holz heißt dieses Waldgebiet, das der LVT nun bis Forkenbeck passiert. Forkenbeck, welch passender Name!
Semlow war der bedeutendste Unterwegsbahnhof. Die landwirtschaftlichen Betriebe im Hintergrund stellten die bedeutendsten Güterkunden an der Strecke dar. Die Güterzüge hatten hier immer einen längeren Rangieraufenthalt. Vom Bahnhof führten Anschlussgleise bis direkt in das Betriebsgelände.
Hier hat der 771 aber nach kurzem Halt Semlow schon wieder verlassen.
Da ich nur wenige Stunden Zeit hatte, war nicht jedes Motiv besonders sorgfältig gewählt. Die etwas verschlungenen Straßen entlang der Strecke waren auch bei der großzügigen Fahrzeit des Triebwagens nicht besonders gut zum Verfolgen geeignet.
Nahe Kavelsdorf werden saftige Wiesen passiert.
Wenige Stunden später durchfährt 771 059 wieder Kavelsdorf. Im Hintergrund sind die letzten Häuser des Dörfchens sichtbar. Den Haltepunkt haben wir schon hinter uns gelassen.
Tribsees
Wer mit der Südbahn in den Bahnhof Tribsees einbog, kam sich plötzlich gar nicht mehr vor, wie auf einer Kleinbahn und das hatte auch seinen handfesten Grund. Die Stadt Tribsees bekam 1895 nicht nur aus Richtung Velgast einen Bahnanschluss, auch wenn die Südbahn der erste Schienenstrang war, der das Städtchen erreichte, zunächst aber an einem provisorischen Endpunkt endete.
Aus Richtung Rostock erreichte die mecklenburgische Staatsbahnstrecke der Mecklenburgischen Friedrich Franz Eisenbahn ( MFFE ) nur kurze Zeit später die Stadt auf preußischem Boden und teilte sich den Bahnhof mit der privaten Greifswald-Grimmener Eisenbahn ( GGE ), die nun den großen Bahnhof zunächst mit der MFFE nutzte. 1900 kam dann noch die Stralsund-Tribseer Eisenbahn ( STE ) dazu, die ebenfalls die umfangreichen Gleisanlagen des Bahnhofs Tribsees mitnutzte. Die Südbahn hatte als Kleinbahn die geringste Bedeutung und die geringste Wirtschaftskraft, so dass für die Südbahnzüge eine eigene Gleisanlage neben den langen Durchgangsgleisen angelegt wurde. Die Südbahn endete sozusagen im Vorgarten des Bahnhofsgebäudes an einem kleinen Bahnsteig und erhielt gesonderte Übergabegleise zum „großen Bahnhof“.
Gegenüber dem Empfangsgebäude befand sich bis zuletzt ein recht großer Güterschuppen an der Ladestraße. Rechts davon errichtete die MFFE einen viergleisigen Ringlokschuppen, in dem aber auch die Südbahnlok ein Gleis nutzen durfte. Auch die STE und GGE hatten dort Nutzungsrecht, bauten sich aber am Ostkopf des Bahnhofes einen eigenen Lokschuppen mit Werkstatt sowie später einen Triebwagenschuppen. Dieses Gebäudeensemble erlebte als Lokbahnhof Tribsees die Wende. Der Ringlokschuppen wurde schon in den 70ern abgetragen. Lediglich Reste der Drehscheibengrube waren 1995 noch zu erkennen.
Aber auch die Anlage an der Ostseite stand 1995 schon leer und wurde dann bald abgerissen.
Nachdem 1945 alle Strecken, außer der Südbahn als Reparationsgut abgebaut wurden, nutzten die Pommerschen Landesbahnen, ab 1949 die Deutsche Reichsbahn, den gesamten Bahnhof und zunächst auch den Ringlokschuppen.
Hier hatte unsere Kleinbahn nun einen richtig großen Bahnhof, der irgendwie nie so ganz zu den einfachen Anlagen an der restlichen Strecke passen wollte.
Unser Triebwagen hat den Bahnhof Tribsees erreicht. Links neben ihm, zwischen dem Einfahrgleis des LVT und der Baumreihe, befand sich bis 1945 die Gleisanlage der FSB. Nur über gesonderte Übergabegleise wurden die umfangreichen Gleisanlagen des Gemeinschaftsbahnhofs erreicht.
Tribsees hat ein wehr schönes und gut gepflegtes Empfangsgebäude, das man heute sogar von der Autobahn 20 als Andenken an die Franzburger Südbahn erblicken kann. Die freie Fläche vor uns sollte schon immer das projektierte Gleis 3 aufnehmen, das allerdings nie gebaut wurde. Nicht sichtbar ist das Ladegleis, in dem ich mit meiner Kamera stehe. Außerdem gab es noch einige Stumpfgleise als Anschlussgleise und die Anlagen der beiden Lokschuppen, sowie des Triebwagenschuppens.
Wir waren offensichtlich nicht die einzigen Eisenbahnfreunde an diesem Tage. Wer erkennt sich wieder?
Weil die Anlagen des Lokbahnhofs schon verwaist waren, pausiert der Triebwagen am Bahnsteig im hinteren Bereich. Hier hatten die Lok- und Zugpersonale jetzt Aufenthalts- und Umkleideräume bekommen. Für die Frühschicht war nun Feierabend und ein neuer Lokführer übernahm den Dienst. Entgegen der Veröffentlichung im Kursbuch, verkehrte der nächste Zug nun aber 30 Minuten später als üblich, um den Schülern den Heimweg nach Landsdorf zu ermöglichen.
Für uns war genug Zeit, um das Gelände etwas zu erkunden. Der Triebwagenschuppen wuchs zusehens zu. Er wurde aber schon in den letzten Jahren nicht mehr genutzt.
Der Lokschuppen der ehemaligen Greifswald-Grimmener und der Stralsund-Tribseer Eisenbahn hatte der Deutschen Reichsbahn noch lange als Lokbahnhof des Bw bzw. der Est. Barth gedient. Das linke Gleis hatte die Bahnmeisterei für ihren SKL erhalten. Die deutlich längeren rechten Gleise beherbergten sowohl die V 100 der Strecke, als auch ein komplettes LVT-Gespann. Unser Plan, dort 03 0090-5 unterzubringen, ließ sich 1989 nicht mehr realisieren.
Vor Landsdorf schweift unser Blick nicht nur zu unserem Triebwagen, sondern auch nach Tribsees.
Nach dem Halt am Bahnsteig, nimmt 771 059 wieder Fahrt auf und rumpelt nach Velgast.
Ein letzter Eindruck von der Südbahn entstand an diesem Tage vor Ravenhorst. Nur noch wenige Tage lagen vor 771 059 auf dieser Strecke.
Alle Fotos: Achim Rickelt
Soweit die erste Portion Südbahnsalat und mein Beitrag zum Thema Ferkel auf verkrauteten Gleisen.
Das war aber noch nicht alles.
Einen Nachschlag serviere ich Euch dann demnächst in diesem Kino. Ich möchte darum alle User bitten, ihre Fotos von 1996 noch etwas zurückzuhalten. Über weitere Fotos des Betriebs bis einschließlich 1995 würde ich mich allerdings sehr freuen und wohl nicht nur ich.
Viele Grüße
Dampf – Achim Rickelt