Guten Abend,
es ist unbestritten, dass Bahnanlagen, welche verschlissen oder den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechen, von Zeit zu Zeit erneuert werden müssen. Das passiert dann über die Instandhaltung bzw. dem Neubau. Ersteres wird mit Eigenmitteln finanziert, dagegen der Neubau in den meisten aller Fälle mit Mitteln aus der öffentlichen Hand. Somit ist der SDG nicht zu verdenken, dass sie den zweiten Weg gewählt hat. Dann hat aber die SDG so gut wie keinen Handlungsspielraum – die Entscheidung, was und wie gebaut wird, legen andere fest. Angenommen im aktuellen Konjunkturpaket hätte die SDG/VVO einen Zuwendungsbescheid für einen Topf für „Die Erhaltung von historisch wertvollen Bahnanlagen“ erhalten. Ihr könnt mit 100% Sicherheit annehmen, dass der Bahnsteig keine Betonkante, Betonpflastersteine und Blindenleitstreifen hätte. Vielmehr wäre die alte Beleuchtungsanlage restauriert und für das Wartehäuschen wären noch ein neuer Holzfußboden und ein Außenanstrich drin gewesen. Anschießend wäre die SDG in den Medien für die Erhaltung von historischem Eisenbahnkulturgut in höchsten Tönen gelobt worden…
Da die beantragten Bundesmittelittel nur zweckgebunden für den behindertengerechten Ausbau eingesetzt werden durften, blieb der SGD keine andere Möglichkeit, den Bahnsteig so zu bauen, wie er jetzt vorgefunden wird.
Kurz und gut, soweit meine Theorie zum Thema. Jetzt wird es interessanter. Es kommt der Praxisteil. Gestern Abend habe ich dem Hp Lößnitzgrund einen Besuch abgestattet. Folgendes gibt es zu berichten:
Bahnsteig:
Der neue Bahnsteig hat eine Höhe von ca. 5 - 7 cm über OK Schiene. Der Bahnsteig ist nur über eine übersteilte Rampe vom BÜ aus erreichbar. Dieses „Detail“ ist alles andere als behindertenfreundlich.
Bahnsteigbeleuchtung:
Die alte Beleuchtungsanlage, das historische Eisenbahnrelikt schlechthin, musste einer neuen Bahnsteigbeleuchtung weichen. Diese entwickelt ein gelbes düsteres Licht. Für einen „behindertengerechten Bahnsteig“ vielleicht zu wenig Leuchtkraft.
Bahnsteigbelag
Der Bahnsteigbelag besteht aus anthrazitfarbenen 08/15 Betonpflastersteinen im Läuferverband. Das einheitliche Bild der dunklen Bahnsteigoberfläche wird durch weiße Blindenleitstreifen längs zur Bahnsteigkante und den beiden Stirnseiten unterbrochen. Falls wirklich einmal ein sehbehinderter Reisender sich auf den Bahnsteig verirrt und dem Blindenleitstreifen „blind“ vertraut und folgt, dann stürzt er am Bahnsteigende (Ri Radebeul Ost) kopfüber fast 1,50 m tief in die Lößnitz. Auf der anderen Bahnsteigstirnseite (Ri Moritzburg) sieht es für die Sicherheit nicht viel besser aus. Dort geht es am Ende des Blindenleitstreifens abgeböscht ca. 1 m tief auf den bahnparallelen Wanderweg abwärts.
Entwässerung:
Wegen einer fehlenden Wasserwaage konnte ich die Querneigung nicht ermitteln, gehe aber davon aus, dass der Bahnsteig feldseitig hin mit einem Regelgefälle von 2 % entwässert. Der versiegelte Bahnsteigbelag schließt direkt an das Wartehaus an. Zukünftige Wasserschäden am Gebäude sind vorprogrammiert.
Bahnsteigausstattung:
Historisch nachgebildete Bahnsteigbänke sind ausreichend vorhanden.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Bahnsteig einige grobe Mängel in der Ausführung hat. Im Prinzip ist ein neuer alter Bahnsteig entstanden ohne weltbewegende Verbesserungen. Bei einem durchschnittlichen täglichen Reiseaufkommen am Hp Lößnitzgrund von geschätzt 1-20 Personen ist für mich die getätigte Investition mehr als fragwürdig.
Viele Grüße
Jochen
PS:
Am Hp Friedewald funktionieren einige Bahnsteiglampen nicht. Die Eigenmittel für neue Glühlampen könnten gespart werden, wenn man den Haltepunkt einschl. Beleuchtung zum Wohle unserer Fahrgäste mit Bundesmittel „behindertengerecht“ ausbaut.
Ein Schelm, wer jetzt Schlimmes denkt…