Schmalspurbahnen in Osteuropa 2013, Teil 8 Die Schmalspurbahn von Vynohradiv

  • Wie bereits im letzten Bericht dargelegt, gehörte die Region Transkapratiens bis 1918 zum Königreich Ungarn. Noch heute ist die Region von ungarischstämmiger Bevölkerung bewohnt. Die Orte tragen zweisprachige Namen. Zur besseren Orientierung verzichten wir hier jedoch auf die ungarischen und orientieren uns an den ukrainischen Ortsnamen.


    Gefahren wird derzeit nur von Vynohradiv (rechts unten) bis zum Abzweig nördlich Schalanky (in Bildmitte).

    Die Städte Beregovo und Vynohradiv wurden Anfang des 20. Jahhunderts Ausgangspunkte einer Schmalspurbahn, die die Theiß-Ebene nach Norden hin erschloß. 1907 erhielt die Borschatalbahn die Konzession zum Bau und Betrieb der Strecke. Die Spurweite wurde mit 760 mm festgelegt. Am 23. Dezember 1908 konnten die Strecke von Beregovo nach Dovhe sowie der Abzweig von Chmyl’nik nach Vinohradiv in Betrieb genommen werden. Im Mai 1909 wurde die Strecke bis Kusnycja verlängert. 1910/11 wurde ab Irshava ein Seitental bis Kamjanka erschlossen. Damit erreichte das Netz eine Ausdehnung von 106 km. Das Bahnbetriebswerk entstand in Beregovo.
    Nach dem Vertrag von Trianon kam die Region 1920 zu neu gegründeten Tschechoslowakei und die CSD übernahm die Strecke. 1929 wurden die ersten zweiachsigen Dieseltriebwagen auf der Strecke in Betrieb genommen, 1936 folgten zwei Vierachser des Typs M21. 1938 annektierte Ungarn die überwiegend ungarischsprachigen gebiete entlang der Theiß. Nach der Besetzung der gesamten karpato-Ukraine kam die Bahn zur ungarischen Staatsbahn MAV. 1943 wurde durch die MAV das Druckluftbremssystem auf der Bahn eingeführt. Beim Rückzug der ungarischen Truppen im Verlauf des zweiten Weltkrieges wurde ein Großteil der Fahrzeugausrüstung jedoch abtransportiert.
    Mit der Besetzung der Ukraine durch sowjetische Truppen gelangte die Bahn zum sowjetischen Eisenbahnministerium MPS. 1948/49 wurde das Netz auf die in der Sowjetunion gebräuchliche Spurweite von 750 mm umgebaut. Ab 1951 kamen als Reparationsleistung in der DDR gefertigte Schlepptenderlokomotiven vom Typ GR zum Einsatz. Erst ab 1970 wurde das Netz verdieselt. Seit 1972 kommen nur noch TU2-Diesellokomotiven zum Einsatz, die z.T. von anderen sowjetischen Bahnen stammten. Anfang der 1980er Jahre wurde der Personenverkehr zwischen Beregovo und Kusnycja eingestellt. Die Strecke verfügte jedoch noch über einen umfangreichen Güterverkehr.
    Mit der Unabhängigkeit der Ukraine wird die Bahn ab 1991 durch die Ukrainische Staasbahn betrieben. Ab 1992 verkehrten wieder Personenzüge zwischen Chmyl‘nik und Irshava, im Februar 1994 zwischen Beregovo und Chmyl’nik. Auf letzterer Strecke wurde der Personenverkehr jedoch im gleichen Jahr mangels Fahrgästen wieder eingestellt. Die parallel verlaufende, gut ausgebaute Straße zog mehr Fahrgäste an. Seit 2007 gibt es zwischen Chmyl’nik und Irshava nur noch ein Alibi-Zugpaar, das jedoch an Markttagen in Vynohradiv nicht verkehrt.

    Damit soll es nun an die Strecke gehen.


    Kurz vor 13 Uhr rollt die TU2-034 am 17. Oktober 2013 zum Zug. In Vynohradiv ist Markttag. Der Bahnhofsvorplatz, von dem die Schmalspurbahn abfährt, hat sich zum Marktplatz verwandelt. Die beiden Personenwagen sind bereits gut gefüllt, es gibt sogar Stehplätze.


    Angesichts des bevorstehenden Winters zählen Mitte Oktober Schuhe zum bevorzugten Handelsgut. Nach dem Ankuppeln geht alles ganz schnell. Ruck-Zuck ist der Zug schon unterwegs.


    Wir fahren vor bis Oleschnyk, wobei die Fahrt eher einem Hindernis-Parcour ähnelt. Gut fahrbare Abschnitte wechseln plötzlich mit Schlagloch-Kaskaden. Kein Wunder, daß hier kein öffentlicher Verkehr auf der Straße stattfindet. Kurz vor dem Haltepunkt kreuzt die Straße die Bahn. Im Bahnhof verlassen viele Fahrgäste den Zug.


    Die Bahn verläuft in etwas größerem Abstand zur Straße, die zwischen Oleschnyk und Berbowetz gekreuzt wird. Im Hintergrund ist noch die Kirche von Oleschnyk zu erahnen. Die Straße wird immer schlechter, hinter Cerny Potik verläuft sie parallel zur Bahn, nur an ein Überholen des Zuges ist kaum zu denken. Von Schlagloch geht es zu Schlagloch auf der Schotterpiste.


    Bei Schalanky haben wir den Zug dann doch überholt, nur drehte hier die Strecke genau nach Norden, also bescheidene Lichtverhältnisse. Es bleibt nur ein Seitschuß.


    Anschließend versuchen wir zum Bahnhof Chmyl’nik zu Fuß zu gelangen. Einen Weg gibt es hier nicht. Das Chmyl’nik überhaupt noch angefahren wird, ist der Tatsache zu verdanken, daß sich hier die einzige Umsetzmöglichkeit befindet. Wir sind jedoch eindeutig zu langsam, die Borscha-Brücke wird unerreichbar, da der Zug gleich die Rückfahrt antritt. So bleibt nur ein Bild vom grünen Tunnel bei Schalanky.


    Angesichts des schlechten Straßenzustandes zwischen Schlanky und Cerny Potik unterbreitete mir mein Mitfahrer die Alternative über Puschkino zurückzufahren. Leider entpuppte sich auch dies als schlechte Wahl, die Straße war kaum besser. Am Bahnübergang in Vynohradiv hatten wir den Zug doch tatsächlich eingeholt und es entstand noch das Bild mit dem Plattenbau.


    Inzwischen war starke Bewölkung aufgezogen. Der Bahnhofsvorplatz von Vynohradiv war inzwischen geräumt und TU2-034 setzte für den Nachmittagszug um.


    Die Regenfälle des vergangenen Tages hatten einen ordentlichen See hinterlassen, der für eine Spiegelung genutzt wurde.


    Um 15.45 Uhr machte sich der Zug wieder auf den Weg nach Chmyl’nik, nach wenigen Minuten ist das Kreuz am Bahnübergang der Hauptstraße erreicht.


    Gut 15 Minuten später erreicht der Zug wieder Oleschnyk. Hier steht schon ein Pferdegespann für die Umladung bereit.


    Ein Junge kehrt offensichtlich von der Schule in Vynohradiv zurück. Angesichts des einsetzenden Regens und der Straßenverhältnisse entlang der Schmalspurbahn beschließen wir, die Tour für heute abzubrechen. Wir haben ja noch gute eineinhalb Tage.

    Nach einem kurzen Besuch im Depot Korolewo beziehen wir unser im Netz gebuchtes Hotel „Sunny Mountain“. Da gerade dieses nicht im Navi ist, gilt es die Augen aufzuhalten, schließlich entdecken wir das Hinweisschild am rechten Straßenrand. Oberhalb von Vynohradiv gelegen, bietet sich ein schöner Ausblick über die Stadt und Theiß-Ebene. Der Pool lädt allerdings aufgrund der Temperaturen nicht unbedingt zum Baden ein.
    Die Reservierung hat geklappt (ca. 45 Euro für 2 Personen mit Frühstück) und angesichts der Straßenverhältnisse beschließen wir, unser Abendessen doch lieber gleich hier einzunehmen. Auf Schlaglochpisten mit Nieselregen im Dunkeln haben wir keinen Appetit.
    Die Karte ist glücklicherweise reich bebildert. Soweit reichen die rudimentären Russisch-Kenntnisse doch nicht. Nur außer Sushi steht kaum etwas zur Verfügung. Immerhin reicht es noch für ein argentinisches Steak sowie eine Pilzsuppe und ein Schweinesteak mit Pommes. Auf die Frage nach einheimischem Wein (wir sind immerhin in einer Weigegend) muß man leider passen. Also doch wieder ein Bier. Das Essen war immerhin sehr lecker, schließlich hatten wir ja das Mittagessen ausfallen lassen. Über das WLAN wurde noch der Wetterbericht gecheckt, bis Mittag war mit anhaltendem Regen zu rechnen, danach sollte es auflockern. So ein Mist, ausgerechnet morgen müßte der Frühzug nach Irshava fahren! Mit der Hotelmanschaft wird ein Frühstück für 7.30 Uhr am nächsten Morgen ausgemacht, dann geht es ab in die Betten.

    Viele Grüße
    Falk Thomas

  • Sehr schöne Fotos. Da muß ich unbedingt auch mal hin, allein schon wegen der kultigen TU2. Schaut alles sehr interessant aus! :-D

  • Hallo,

    welch eine Wohltat für die Augen, eine TU2 in interessanter Landschaft, der bekannte Basar auf dem Bahngelände, nette Menschen und Herbststimmung.
    Da wird man sofort neidisch. Aber es gibt keinen Grund, wir fahren bald dort wieder hin.

    Bei unseren Besuch war noch mehr Auflauf zwischen den Gleisen. Interessant ist auch eine Mitfahrt. Vor einigen Jahren gelang uns die Mitfahrt von Chmelnik nach Berogovo, immer wunderschön entlang der Borscha.

    Daran denkt man gern zurück, beim betrachten deiner Bilder.

    MfG

  • Hallo Falk,

    schöner Bericht! Ich war 2008 dort und viel hat sich seit dem anscheinend nicht verändert. Ganz besonders auch nicht die Straßen, die ich auch bei der Verfolgung per Auto kennen lernen durfte. ;)

    Die Aussage das seit 1972 nur die Tu2 zum Einsatz kamen ist so aber nicht ganz richtig. Natürlich dürften die seit damals 99,9 % aller Leistungen gefahren haben, aber sollte man den kurzzeitigen Einsatz der extra angeschafften Tu7a nicht vergessen, welche heute ja alle in Berehovo abgestellt stehen. Außerdem gab es ja in den 90igern noch einige Einsätze der Gr-286.

    Tja eigentlich wollte ich ja im April wieder mal in die Ukraine zu fahren und ich hoffe nach wie vor dass ich das auch kann, aber bei der derzeitigen Entwicklung dort weiss man ja nie wie es dann dort aussieht, auch wenn vorerst nur das andere Ende von diesem riesigen Land betroffen ist.