Schmalspurbahnen in der Westukraine 2014 Teil 2: Waldbahn Vyhoda Tag 1

  • Und weiter geht's auf unserer Tour durch die Westukraine. Nach unserer Fahrt auf der Borschatalbahn und noch einer kleinen Runde über den Markt in Vynohradiv starteten wir mit unserem Kleinbus zu einer Fahrt über die Karpaten ins 150 km entfernte Vyhoda. An sich ist das keine Entfernung, aber die Straßen sind grade auf solchen Nebenstrecken in einem wirklich katastrophalen Zustand den man sich wirklich erst vorstellen kann wenn man das selber mal erlebt hat. Außerdem führte die Route über 2 hohe Karpatenpässe von denen wir die umliegenden schneebedeckten Gipfel sehen konnten. Das alles führte dazu das wir für die Strecke weit über 3 Stunden gebraucht haben.

    Unser Ziel war die Waldbahn Vyhoda. Diese Bahn ist heute die letzte aktive Waldbahn der Ukrainischen Karpaten, ist aber genau so Einstellungsgefährdet wie alle anderen Bahnen in der Ukraine. Obwohl nicht weniger interessant, steht diese Bahn bis heute im Schatten der Wassertalbahn in Rumänien, der zweiten der beiden letzten aktiven Waldbahnen in den gesamten Karpaten. Der Hauptgrund ist sicherlich das die Waldbahn Vyhoda, wie fast alle Schmalspurbahnen in der gesamten Sowjetunion, bereits in den 60iger Jahren verdieselt wurde und somit nie wirklich in den Fokus von Eisenbahnfreunden gerückt ist, die sich mehr um die komplett dampfbetrieben Bahnen in Rumänien gekümmert haben. Während sich die Wassertalbahn aber in den letzten Jahren stark verändert hat und dort heute mehr und mehr der Tourismus Einzug hält, so zeigt sich die Waldbahn Vyhoda heute fast genau noch so wie vor 20 Jahren.

    Die Geschichte der Waldbahn geht bis auf das Jahr 1878 zurück als vom Sägewerk in Vyhoda eine Pferdebetriebene Rollbahn gebaut wurde. Der Holznachschub wurde damals noch per Flößerei aus den Bergen geholt. Kurz vor dem ersten Weltkrieg gab es dann gleich 2 verschiedene Projekte für Lokbetriebene Waldbahnen von Vyhoda aus. Über eine Bahn ins Myzunka-Tal wurde erstmals 1911 nachgedacht und im Jahr 1918 begann man dann mit dem Bau der Bahn in einer Spurweite von 760 mm. Durch das baldige Ende des 1. Weltkriegs und die darauf folgenden mehrfachen Grenzänderungen in dem Gebiet wurde die Bahn allerdings erst 1928 eröffnet. Der Bau der zweiten Bahn, ins Svica-Tal, wurde kurz vor dem ersten Weltkrieg begonnen, aber kurz danach durch die näher rückende Front wieder abgebrochen. Auch diese Bahn wurde dann erst in den 20iger Jahren eröffnet.
    Nach dem 2. Weltkrieg wurden alle Forstbetriebe der Region zu großen Forstkombinaten zusammen gefasst und in diesem Zusammenhang auch beide Waldbahnen verbunden und auch betrieblich zu einer großen Bahn zusammen gefasst. Außerdem erfolgte zumindest auf dem Papier die Umspurung aller Strecken auf 750 mm Spurweite.
    Mitte der 60iger Jahre bestand nur für ein einziges Jahr eine Gleisverbindung zur nahe gelegen Waldbahn Broschniw was das dadurch entstanden Netz mit ca. 450 km Streckenlänge zu einer der größten Waldbahnen Europas machte!
    Die politische Wende überstand die Bahn zwar, aber die folgende Wirtschaftskrise machte ihr unheimlich zu schaffen. Im Jahr 1998 führten schwere Regenfälle in den Karpaten zum Ende der beiden anderen zu diesem Zeitpunkt noch betriebenen Ukrainischen Waldbahnen, den Waldbahnen Broschniw und Teresva. Beinahe wäre das auch das Ende der Waldbahn Vyhoda gewesen, welche auch unheimliche Schäden davon getragen hat. Zum Glück konnte zumindest die Strecke ins Myzunka-Tal repariert werden, wenn auch nur notdürftig. Auf der sehr spektakulären Strecke ins Svica-Tal wurden leider viele große Brücken weg gespült, was zu deren Einstellung und Abbau führte. Überlebt hatte nur ein kleiner Inselbetrieb um Myndunok Beskyds'kyj, welcher aber mit dem Abbau der Gleise im Mai 2013 auch endgültig aufhörte zu existieren.
    Im Jahr 2008 gab es das bis jetzt letzte große Hochwasser, dessen Schäden grade an den Brücken nur Notdürftig repariert wurden. Daher muss man leider davon ausgehen das schon das nächste große Hochwasser das Ende für die Bahn bedeuten könnte, auch wenn sich Bahn ganz langsam zu einem touristischen Ziel in dieser abgelegen Gegend entwickelt.

    Das heute noch betriebene Netz ist um die 50 km lang, wobei es natürlich Waldbahntypisch zur bedarfsweisen Einstellung und Wiedereröffnung einzelner Stichstrecken kommt.

    Wir erreichten Vyhoda gegen 14 Uhr und fuhren dabei durch das Svica-Tal, wobei wir den Bahndamm und die Überreste der vielen großen Brücken sehen konnten. Für uns stand ca. bei km 10, in der Nähe der Ausweichstelle Novyj Mizun', ein Sonderzug bereit. Heute war die Bereisung der oberen Streckenabschnitts mit vielen Fotohalten geplant, was an diesem Sonntag einfacher zu bewerkstelligen war, als irgendwann in der Woche. Um den unteren Teil kümmerten wir uns später.
    Unser Zug bestand aus Tu4-1695, einem PV51 Personenwagen und 2 Plattenwagen. An sich ein sehr schöner Zug, zwar bissel kurz aber durchaus realistisch. Leider folgte gleich darauf für uns Fotografen ein großer Schock, den die Lok war großflächig mit der Ukrainisches und der Regionalflagge der Karpaten beflaggt! Klar ist es bei der derzeitigen Situation dort nicht unüblich, aber an einem extra bestellten Zug für Eisenbahnfotografen, welchen wir auch teuer bezahlt haben, war das schon für alle eine schwere Katastrophe die auch die Stimmung arg gedrückt hat. Leider lies man sich auch nicht davon überzeugen das zu entfernen und wir mussten den ganzen Tag über damit leben.

    Unsere Fahrt begann einige 100 m unterhalb der Ausweichstelle Novyj Mizun', so konnten wir gleich zu Anfang den Zug auf der Brücke über den Fluss Myzunka verewigen.

    Im unteren Bereich der Strecke, wo diese noch in einem weitem Talkessel verläuft, führt parallel noch ein Schotterweg welcher aber im Zustand immer schlechter wird, je höher man ins Gebirge kommt. Entgegen der Erwartung wenn überhaupt dann Forst-LKW zu sehen, fuhren hier regelmäßig Tank LKW der Marken Ural und Kamaz, welche aus einer Quelle Mineralwasser holten um das zur Mineralwasserfabrik nach Vyhoda zu bringen.

    Während auf der Südseite der Karpaten schon der Frühling Einzug gehalten hatte, war hier auf der Nordseite noch alles in Winterstimmung und ziemlich grau. Keinerlei frisches grün war zu sehen.

    Weiter oben in den Bergen verengt sich das Tal immer mehr. Hier kann man gut sehen was auch die kleineren alljährlichen Frühjahrshochwasser anrichten können. Allerdings ist das hier noch lange kein Grund den Betrieb einzuschränken.

    Die Landschaft hier oben ist wirklich noch Wild und weitestgehend unberührt.

    Ein Blick auf das Fabrikschild von einem der Plattenwagen. Mein russisch ist leider nicht gut genug um alles zu übersetzen, aber das Baujahr 1991 ist deutlich ersichtlich.

    Der Betriebsmittelpunkt in den Bergen heißt Myndunok Solotvyns'kyj, hier teilt sich die Strecke in 2 Hauptäste, welche sich weiter oben in den Bergen wiederum zu den einzelnen Ladestellen verzweigen. Unser Zug folgt der Strecke in Richtung Sobol und überfährt hier eine weitere der vielen Brücken in diesem Gebiet. Hier kann man den leider sehr schlechten Zustand der Brücken erkennen. Der linke Pfeiler ist schon nur noch eine Notabstützung und selbst die ist krumm und schief und droht beim nächsten Hochwasser einzustürzen.

    Wir erreichen den Bereich des Bahnhofs bzw. der Abzweigstelle Sobol mit dem gleichnamigen Forsthaus. Hier her führt keine Straße mehr.

    Der Abzweig nach links führt nach Mahura und auf dieses Gleis wurden die beiden Flachwagen gestellt um sie am wahrscheinlich am nächsten Tag gleich zu beladen.

    Im Bereich der Ausweichstelle lag einiges an Eisenbahnschrott herum, der von Wagen stammt die im laufe der Jahre irgendwo in den Fluss gestürzt sind.

    Im Schrottberg lag auch dieses sehr interessante Drehgestell. Es stammt wahrscheinlich von einem sehr alten Wagen der Waldbahn, was in so fern besonders ist das ja heute nur sowjetische Standartfahrzeuge zum Einsatz kommen.

    Kurz vor dem Ziel unserer Fahrt überraschte uns alle ein Motiv was es so wohl schon lange nicht mehr gegeben hatte, denn in der Woche vor unserem Besuch hatte man diesen kompletten Hang abgeholzt was natürlich gleich für eine ausgiebige Fotoaktion genutzt wurde.

    Unser Ziel, nach ca. 35 km, war die Stichstrecke nach Pravyj Tychyj. Diese Ladestelle war lange Zeit still gelegt und wurde erst vor kurzem wieder eröffnet nachdem der Baumbestand nachgewachsen war. Wir waren wohl seit 20 Jahren die erste Sonderfahrt mit einem Personenwagen auf dieser Strecke.
    Schnell setzte unsere Lok hier um.

    Während die Gruppe auf die Rückfahrt wartete blieb noch etwas Zeit sich unserer Lok etwas näher zu widmen.

    Unsere Lok war wie gesagt Tu4-1695. Die Tu4 war mit ihren 250 PS und 4,5 t Achslast die erste wirkliche Standard Feld- bzw. Industriebahnlok der Sowjetunion und wurde zwischen 1961 und 1973 in über 3200 Exemplaren von Kambarka gebaut.
    Eigentlich handelt es sich bei der Tu4 um eine Dieselhydraulische Lok, aber die Werkstatt der Waldbahn Vyhoda hat bei den beiden hier vorhandenen Exemplaren mechanische Getriebe eingebaut da man die hydraulische Technik nicht unterhalten konnte.

    Die Rückfahrt verlief ohne größere Halte, denn es wurde schnell dunkel und es brachte wirklich nichts mehr noch Fotohalte einzulegen. Nur kurz vor Myndunok Solotvyns'kyj wurde nochmals gehalten um die Lok im dortigen Gleisdreieck zu drehen.
    Dabei konnte auch nochmal ein Blick auf unseren Personenwagen von Typ PV51 geworfen werden. Im Gegensatz zu den Exemplaren auf der Borschatalbahn, in denen ich ja am selben Tag gereist bin, ist dieser hier in einem hervorragenden Zustand und ist unter anderem mit neuen Sitzen ausgerüstet. Der Grund dafür ist der sich langsam und leicht entwickelnde Touristenverkehr, bei dem er zum Einsatz kommt.

    Schnell legte sich im Anschluss die Nacht über die Karpaten und am Fahrstil des Lokführers, bei dem wir manchmal dachten der Wagen kippt um, war zu erkennen das auch das Zugpersonal Feierabend machen wollte.

    Nach diesem sehr erlebnisreichen, aber auch anstrengenden Tag fuhren wir in unser Hotel nach Dolyna und fielen einfach nur noch in die Betten, denn es dauerte nicht lange bis der Wecker wieder klingeln sollte.


    Felix Birkmann


    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Es sind hier zu Lande nicht wirklich viele Quellen zu Schmalspurbahnen in der Ukraine bekannt, daher hier ein paar Vorschläge welche mir beim erstellen dieser Berichtserie sehr geholfen haben und die ich alle uneingeschränkt empfehlen kann.
    Teilweise wird die Ukraine nur angerissen, aber auch das ist definitiv besser als nichts.

    Bücher / Zeitschriften:


    Deutsch:


    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 1 Schmalspurbahnen in Ostgalizien

    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 2 Schmalspurbahnen in der Nordbukowina

    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 3 Waldbahn Vyhoda

    Paul Engelbert – Schmalspurig durch Ungarn II: die ehemals ungarischen Gebiete

    Helmut Lampeitl – Schmalspur-Romantik in Osteuropa

    Ralf Schreier, Thomas Ölschlägel, Steffen Mann – Schmalspurige Werkbahnen und Feldbahnen in Osteuropa

    Fern-Express I/2013 – Themenheft Ukraine (mit großem Schmalspurbericht von Wolfram Wendelin)


    Englisch:

    David Scotney – 30inch Railways Worldwide: An Introduction to the Development of 750mm, 760mm and 2ft 6 in Gauge Public Railways


    Tschechisch:

    Karel Beneš - Zeleznice na Podkarpatske Rusi

    Karel Just - Motorové lokomotivy na úzkorozchodných tratích ÈSD


    Internetseiten:

    Deutsch:

    http://www.lok-report.de/archiv/europa/…pa_ukraine.html

    http://www.ostgleis.ch/


    Englisch:

    http://www.home.zonnet.nl/p.engelbert/ (Seite über die Tu2 und unter anderem den Einsatz in der Ukraine)

    http://home.zonnet.nl/p.engelbert/cuba/cuba.html (Seite über die Tu7 und ihre Geschichte)


    Russisch/Ukrainisch:

    http://borzhava-railway.com/ukrainian/ (Seite des Fördervereins der Borschatalbahn)

    http://narrow.parovoz.com/emb/index.php (hier findet man einfach alles zu Schmalspurbahnen in der gesamten ex SU, Strecken, Fahrzeugbeschreibungen, aktuelle und historische Bilder, etc.)

    http://railways.id.ru/index.html (Seite über die Kinderbahnen in der gesamten ex SU und die dort eingesetzten Fahrzeuge)

    Einmal editiert, zuletzt von Blix (22. Mai 2014 um 23:11)

  • Lieber Felix,

    ein toller Bericht. Ein großes Lob an Dich. Die Fahnen an der Lok mögen auf den ersten Blick störend wirken, aber sie symbolisieren immerhin die Ausstrahlungen der großen Politik bis in das hinterste Gebirgstal und machen die Szenerie damit noch authentischer.

    Viele Grüße

    GL