Nach einer kurzen aber erholsamen Nacht im gerade neueröffnetem Hotel "Sofia" in Dolyna begann für uns ein neuer Tag in der Ukraine. Es war Montag und das bedeutet das an diesem Morgen der wöchentliche Arbeiterzug in die Berge aufbrechen sollte. Mit diesem Zug, der meistens auch gleich noch eine größere Anzahl Leerwagen mitnimmt, werden Montags die Arbeiter in die Berge gebracht, wo diese dann die ganze Woche bleiben. Freitags geht es nach Feierabend dann für diese wieder zurück ins Tal. Diese beiden Züge pro Woche sind die einzigen die Planmäßig einen Personenwagen mitführen.
Unser Ziel war es diesen Zug bei der Abfahrt in Vyhoda und auf dem unteren Streckenabschnitt bis Novyj Mizun' zu fotografieren, da man hier noch mit dem Auto bzw. Kleinbus den Zug verfolgen kann. Anschließend sollte es zurück gehen und das selbe bei dem kurz darauf folgenden Leerwagenzug gemacht werden. Soweit die Theorie. Aber bei so einer Industrie- bzw. Waldbahn können solche Pläne natürlich auch schnell zur Makulatur werden, wie wir auch feststellen mussten.
Im Normalfall startet der Arbeiterzug gegen 8 Uhr am Gleisdreieck in Vyhoda. Durch die Kontakte zur Betriebsleitung wussten wir aber das der Zug an diesem Tag schon um 7.30 Uhr starten sollte und waren deshalb schon kurz vor 7 vor Ort. 7.05 Uhr tauchte dann aus Richtung des Depots eine geschobene Leerwagengarnitur auf und drückte durch das Gleisdreieck in Richtung Sägewerk.
Doch dann begann Hektik. Denn entgegen der Erwartung das der Zug ins Sägewerk fährt, fuhr dieser auf die Strecke! Schlagartig wurde klar dass das der Arbeiterzug war und dieser heute weit vor Plan und ohne Personenwagen verkehrte. Wir konnten uns das ganze nur damit erklären das ja Osterwoche war und deshalb so einiges anders verlief als sonst, da wahrscheinlich auch viele Arbeiter im Urlaub waren. Leider entgingen uns dadurch viele Motive, grade an der Ausfahrt aus Vyhoda. Bis wir alle im Gelände verteilten Fotografen wieder zusammen getrommelt hatten verging weitere kostbare Zeit und deshalb erreichten wir den Zug erst wieder kurz vor Novyj Mizun' wo am Vortag unsere Sonderfahrt begann.
Die Zuglok war Tu4-1693, die zweite Lok dieses Typs in Vyhoda.
Auch diese Lok war großflächig mit der Ukrainischen Flagge verziert.
An genau diesem Streckenpunkt befindet sich auch einer der kleinen Draisinenschuppen, in denen auch das Material für die Streckenunterhaltung bereit liegt.
Neben den frisch zugeschnittenen Schwellen lagert hier auch dieses interessante Gleisbaugerät mit dem die Schienen gleichmäßig angehoben werden können um die Schwelle zu tauschen. Eine sehr praktische Konstruktion!
Da wir nun überhaupt nicht mehr sicher sein konnten wann der zweite Leerwagenzug folgt fuhren wir nur ein Stück die Strecke zurück und warteten am Haltepunkt Staryj Mizun' auf das was uns erwartet.
Nach einer knappen Stunde warten bewegte sich etwas am Horizont, doch für eine Lok oder gar einen Zug war es zu klein. Zu unserer großen Freude kam die GMD-2 der Waldbahn angefahren! Bei der GMD-2 handelt es sich um eine Draisinenbauart welche zu einer ganzen Typenserie von Standartdraisinen gehört. In 2 oder 3 achsigen Varianten wurden verschiedenste Arten von Personen-, Güter-, Sanitäts- oder Feuerlöschdraisinen in tausenden Exemplaren gebaut. Entgegen den Eigenbauten mit LKW Aufbauten, zum Beispiel bei der Wassertalbahn, wurden diese Draisinen standartmäßig unter Verwendung von GAZ 51 LKW Teilen gebaut.
Auf der Ladefläche saßen einige Forstarbeiter, also war diese Draisine wohl der Ersatz für den ausgefallenen Arbeiterzug.
Ähnlich wie bei der Wassertalbahn gibt es auch in Vyhoda einen Ort wo jeder Zug hält und sich das Personal noch mit dem nötigsten, meist klaren Flüssigkeiten, eindecken kann. In Vyhoda ist das am Haltepunkt Staryj Mizun', wo der örtliche Krämerladen anscheinend so einen Umsatz gemacht hat das man sich einen protzigen Neubau aus dem Boden stampfen konnte.
Im Fahrwasser der GMD-2 folgte übrigens gleich noch die Draisine der Gleisbaurotte welche auch jeden Tag ausrückt um die Strecke wenigstens notdürftig in Schuss zu halten.
Nach dem standardmäßigen Betriebshalt ging es weiter in Richtung der Berge.
Doch unser Ziel war ja eigentlich ein anderes und das lies noch lange auf sich warten. Wir waren schon kurz vorm abbrechen als dann nach einer weiteren eineinhalb Stunde endlich am Horizont der erwartete Zug zu sehen war. 15 Plattenwagen hatte man an diesem Tag am Haken. Daran erkennt man das derzeit doch einiges an Holz aus den Wäldern geholt wird, denn dazu kommen noch die knapp 10 Leerwagen die der Arbeiterzug mit in die Berge genommen hat und eine ganze Reihe von Leerwagen die wir an den verschiedenen Ladestellen am Vortag sehen konnten.
Auch dieser Zug hielt erst mal am Laden und die gesamte Mannschaft machte ihre "Besorgungen".
Bei der Zuglok handelt es um Tu8-0267. Diese Lok kommt erst wieder seit April 2012 in Vyhoda zum Einsatz und war vorher die letzte bzw. einzige Lok des Inselbetriebs um Myndunok Beskyds'kyj. Zurück auf dem Stammnetz wurde sie neu motorisiert und gehört heute wieder zum Einsatzpark.
Die Tu8 stellt die letzte Entwicklungsstufe von leichten dieselmechanischen Loks von Kambarka dar. Äußerlich ist sie durch das Kambarka Baukastensystem nicht von ihrer Vorgängerbaureihe Tu6A zu unterschieden (zumindest kenne ich keine Merkmale an denen man das fest machen könnte). Gebaut wurde dieser Typ seit Mitte/Ende der 80iger Jahre und gehört wohl auch heute noch zum Angebot von Kambarka, wobei die letzte Lok allerdings Anfang der 90iger Jahre die Werkshallen verlassen haben dürfte.
Schwer arbeitend und unter Einsatz von viel Sand bringt die Tu8 den Zug wieder in Fahrt.
Auch diesen Zug verfolgten wir nun weiter bis zur Brücke vor Novyj Mizun'.
Ein letzter Blick auf den beeindruckend langen Zug auf seinem Weg in die Berge.
Auch hier sieht man gut den sehr schlechten Zustand der großen Brücken. Bei den großen Platten vor den Widerlagern handelt es sich übrigens um Plattenwagen die dort versenkt wurden um weitere Ausspülungen zu verhindern.
Für heute war es das für uns schon wieder auf der Waldbahn Vyhoda, denn es warte noch ein anderes Ziel. Doch wir sollten nochmal wieder kommen!
Felix Birkmann
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Es sind hier zu Lande nicht wirklich viele Quellen zu Schmalspurbahnen in der Ukraine bekannt, daher hier ein paar Vorschläge welche mir beim erstellen dieser Berichtserie sehr geholfen haben und die ich alle uneingeschränkt empfehlen kann.
Teilweise wird die Ukraine nur angerissen, aber auch das ist definitiv besser als nichts.
Bücher / Zeitschriften:
Deutsch:
Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 1 Schmalspurbahnen in Ostgalizien
Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 2 Schmalspurbahnen in der Nordbukowina
Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 3 Waldbahn Vyhoda
Paul Engelbert – Schmalspurig durch Ungarn II: die ehemals ungarischen Gebiete
Helmut Lampeitl – Schmalspur-Romantik in Osteuropa
Ralf Schreier, Thomas Ölschlägel, Steffen Mann – Schmalspurige Werkbahnen und Feldbahnen in Osteuropa
Fern-Express I/2013 – Themenheft Ukraine (mit großem Schmalspurbericht von Wolfram Wendelin)
Englisch:
David Scotney – 30inch Railways Worldwide: An Introduction to the Development of 750mm, 760mm and 2ft 6 in Gauge Public Railways
Tschechisch:
Karel Beneš - Zeleznice na Podkarpatske Rusi
Karel Just - Motorové lokomotivy na úzkorozchodných tratích ÈSD
Internetseiten:
Deutsch:
http://www.lok-report.de/archiv/europa/…pa_ukraine.html
Englisch:
http://www.home.zonnet.nl/p.engelbert/ (Seite über die Tu2 und unter anderem den Einsatz in der Ukraine)
http://home.zonnet.nl/p.engelbert/cuba/cuba.html (Seite über die Tu7 und ihre Geschichte)
Russisch/Ukrainisch:
http://borzhava-railway.com/ukrainian/ (Seite des Fördervereins der Borschatalbahn)
http://narrow.parovoz.com/emb/index.php (hier findet man einfach alles zu Schmalspurbahnen in der gesamten ex SU, Strecken, Fahrzeugbeschreibungen, aktuelle und historische Bilder, etc.)
http://railways.id.ru/index.html (Seite über die Kinderbahnen in der gesamten ex SU und die dort eingesetzten Fahrzeuge)