Schmalspurbahnen in der Westukraine 2014 Teil 4: Waldbahnmuseum Korostiv der Waldbahn Skole

  • Nachdem wir das Ausrücken der Produktionszüge in Vyhoda verfolgen konnten fuhren wir mit unserem Kleinbus über Dolyna und Stryi ins ca. 85 km entfernte Skole, welches an der Fernverkehrsstraße und der Hauptbahn zwischen Uschgorod und Lemberg liegt.


    Skole war der Ausgangspunkt eines ca. 40 km langen Waldbahnnetzes, welches ab 1888 entstand. Erbaut wurde die Waldbahn in der seltenen Spurweite von 800 mm und es kam ein für Waldbahnen seltenes Kupplungssystem mit Doppelpuffern und Schraubenkupplung zum Einsatz. Bis 1900 wurden 4 kleine Bt Loks von Krauss/Linz geliefert welche die Namen umliegender Orte und Flüsse erhielten. Ab 1938 gab es eine weitere sehr bemerkenswerte Sache, denn ab da wurde ein rein touristischer Personenverkehr in die Berge durchgeführt. Schon damals galten diese als Erholungsgebiet. Dafür wurden extra kleine 2 achsige Personenwagen gebaut welche einfach an die normalen Produktionszüge gehangen wurden.

    Nach dem 2. Weltkrieg wurde die gesamte Bahn auf 750 mm umgespurt und mit sowjetischen Standartfahrzeugen ausgestattet. In den 60iger Jahren kam die allgemeine Verdieselung auch hier an. Allerdings kamen auf der doch relativ kleinen Bahn nur Motovoz vom Typ MUZ-4 zum Einsatz.

    Im Jahr 1970 war der Verkehr schon stark rückläufig als ein großes Unwetter weite Teile der Bahn zerstörte und damit zu deren Einstellung und Abbau führte. Bis 1978 soll es wohl noch werksinternen Verschub im Sägewerk in Demnja gegeben haben, aber spätestens nach dessen Ende war die Geschichte der Waldbahn eigentlich zu ende erzählt.


    Doch natürlich muss es einen Grund geben das wir ausgerechnet zu dieser schon lange still gelegten Waldbahn gefahren sind, denn von denen gibt es dutzende in den Karpaten. Dieser liegt darin das sich hier, an diesem sehr verkehrsgünstig an den touristischen Strömen gelegen Ort, das Projekt ZLZ (ausgesprochen soviel wie "Goldene Waldeisenbahn") angesiedelt hat. Bei diesem soll ein Stück der alten Waldbahn wieder aufgebaut werden und ein Schmalspurmuseum entstehen. Unter Federführung der Ukrainischen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte "AZIZU" und unter Anleitung unseres Reiseführers, dem Österreicher Wolfram Wendelin, wird an diesem weitsichtigen und in der Ukraine einmaligen Projekts gearbeitet.



    Nach dem Mittagessen in Skole fuhren wir einige Kilometer weiter in das kleine Dorf Korostiv wo die Aktivitäten der Vereinigung derzeit konzentriert sind. Leider schüttete es wie aus Kübeln, was nicht nur uns zu schaffen machte sondern vor allem den Aktiven die an diesem Tag einen Arbeitseinsatz hatten. Leider zeigt auch das schon eines der Hauptprobleme dort, denn von den Leuten die sich dort engagieren kommt keiner aus der näheren Umgebung. Nur zu wenigen Arbeitstagen im Jahr trifft man sich und es kommen alle Beteiligten aus der ganzen Ukraine und eben aus Österreich zusammen. Ansonsten liegt das gesamte Gelände in einem Dornröschenschlaf, wird aber von den umliegenden Nachbarn bewacht.


    Auf einer kleinen Wiese, herrlich gelegen zwischen Koppeln und verstreuten Häusern und auf welcher sich wohl früher schon der Bahnhof von Korostiv befand, fanden wir die im strömenden Regen arbeitenden Museumsbahner.


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    Es wurden bisher 2 kurze Gleise aus S18 Profilen verlegt auf denen einige Fahrzeuge ausgestellt sind. Angedacht ist hier später mal einen mehrgleisigen Bahnhof und ein Depot zu errichten. Die Pläne für einen kleinen einständigen Lokschuppen sind schon fertig ausgearbeitet und sollen als nächstes Großprojekt angegangen werden.

    Ein Gleis wird gerade durch eine Art Carport überdacht um wenigstens einige Fahrzeuge etwas zu schützen. Bei jedem Arbeitseinsatz wird ein weiteres Feld errichtet. Es ist lustig anzusehen wie man die verschiedenen Entwicklungsstufen der Konstruktion verfolgen kann und wie man von Abschnitt zu Abschnitt professioneller wird.


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    Dem Verein dort fehlt es wirklich an allem, weshalb wirklich jede Schraube einen besonderen Wert hat. Die einzige Möglichkeit etwas vor Ort zu lagern stellen derzeit diese beide Mini Container dar.


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    Eigentlich war ja noch eine kleine Streckenwanderung geplant bei der uns das geplante Projekt etwas näher erläutert werden sollte, allerdings musste diese aufgrund des schlechten Wetters ausfallen. Trotzdem habe ich mich zumindest im Bahnhofsumfeld etwas umgesehen.

    Hinter der anderen Bahnhofsausfahrt führte die Strecke einst über einen Bach und eine Straße. Interessanterweise hat die Brücke bis heute überlebt, was sicher daran liegen dürfte das ein Wanderweg darüber führt.


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    Leider ist der Zustand sehr sehr schlecht und bevor hier wieder ein Zug drüber fährt ist eine Komplettsanierung unumgänglich.


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    Sehr interessant ist die Bauart der Brücke. Ich vermute das hier eine alte Regelspurige Brücke weiter verwendet wurde, welche an den Enden aufgeweitet wurde um mehr Auflagefläche auf den Widerlagern zu bieten.


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    Unterhalb des Bahnhofs fand sich dann auch das weitere vorhanden Gleismaterial. So hat man sich als gute Investition in die Zukunft neue Holzschwellen liefern lassen von denen der Großteil allerdings schon verbaut wurde.


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    Von der Werkbahn Velykyj Bychkiv konnten vor einigen Jahren 150 m Schienen und 2 Weichen geborgen werden, von denen das meiste aber auch bereits verbaut ist. Der Rest lagert auch hier.



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    Schauen wir uns nun mal die vorhandenen Fahrzeuge an.


    Das einzige hier vorhanden Triebfahrzeug ist eine kleine Draisine bzw. Triebwagen. Dieses Fahrzeug ist wohl eine stark umgebaute Draisine vom Typ Ua und stammt vom Inselbetrieb Myndunok Beskyds'kyj der Waldbahn Vyhoda. Nach der Einstellung dieses Betriebs 2009 konnte das Fahrzeug vor der Verschrottung bewahrt und nach Korostiv gebracht werden. Die Draisine ist zwar derzeit nicht betriebsfähig aber an sich in einem hervorragenden Zustand und könnte ohne großen Aufwand hergerichtet werden.


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    Die Bretter vor den Scheiben sind nur zum Schutz der selben, welche noch komplett vorhanden sind. Im Vordergrund kann man auch die professionell verlegten Gleise sehen. Das wurde übrigens von den Gleisbauprofis der Torfbahn Prysline erledigt.


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    Der Rahmen wurde gerade farblich etwas aufgefrischt.


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    Im inneren kann man den praktisch neuen Aufbau erkennen. Angetrieben wird die Draisine von einem Motor eines alten Zil LKW, welcher samt dem gesamten Vorbau hier rein verpflanzt wurde.


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    Von der Steinbruchbahn Berestovec' stammt dieser alte Schneepflug.


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    Diese beiden sowjetischen Standartgüterwagen stammen von der Torfbahn Rokitne.


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    Die kleine Lore viel beim Gleisabbau in Velykyj Bychkiv mit an. Das Drehgestell allerdings kann ich auch nicht zuordnen.


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    Das zwar auf den ersten Blick unscheinbarste aber historisch gesehen wertvollste Stück der Sammlung ist dieses Gerippe eines gedeckten Güterwagens der von der Kinderbahn Lemberg übernommen werden konnte. Es handelt sich hierbei um einen Wagen der Waggonfabrik Györ und damit um einen Überlebenden der Zeit als dieses ganze Gebiet noch zu Österreich-Ungarn gehörte. Das macht diesen Wagen nicht nur für dieses Gebiet so bedeutend, sondern für die gesamte Schmalspurlandschaft in den ehemaligen Sowjetgebieten, gibt es doch so gut wie keine überlebenden Fahrzeuge vor Einführung der sowjetischen Standartfahrzeuge.

    Es bleibt zu hoffen das man sich dort der Bedeutung dieses Fahrzeugs bewusst wird und man ihn unter diesen Gesichtspunkten restauriert.


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    Sehr schön kann man hier die verschiedenen Kupplungssysteme vergleichen. Während in Österreich-Ungarn die als "Bosnakupplung" bekannte Trichterkupplung am verbreiteten war, entschied man sich in der Sowjetunion für das System der Balancierkupplung. Ich hoffe das der Wagen auch in Zukunft seine, für diese Gegend heute außergewöhnliche, Kupplungsbauform behält und man zum späteren Kuppeln Adapter baut.


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    Zumindest gesichert ist er erst mal.


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    Das waren erst mal die Fahrzeuge die sich derzeit in Korostiv befinden. Der Verein hat aber noch mehr, welche an verschiedenen Orten hinter stellt sind. So steht im Gelände der Forstverwaltung in Skole noch eine Draisine, welche von der Waldbahn Osmoloda stammt und welche ich aus dem Bus selber sehen konnte. Daneben besitzt der Verein mit Tu6A-3222 auch eine erste richtige Lok, welche sogar schon fertig aufgearbeitet und betriebsfähig ist. Diese steht allerdings, zusammen mit einer weiteren Draisine vom Typ PD-2, mehrere hundert Kilometer entfernt bei der Schmalspurbahn von Antonivka und soll erst wenn das Depot fertig ist hier her transportiert werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Kurz bevor wir wieder los sind kam sogar noch einmal kurz die Sonne raus.


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    Hier soll es in Zukunft mal in Richtung Skole gehen.


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    Der Verein dort hat mit seinen begrenzten Mitteln bereits großartiges geleistet und ich denke, auch wenn es sicherlich noch sehr lange dauern wird, das man die gesteckten Ziele erreichen kann. Ich weiss derzeit ist noch nicht wirklich viel zu sehen, aber so hat jede Museumsbahn mal angefangen.

    Ich wünsche denen auf jeden fall das aller beste und hoffe dass dieses in der Ukraine in dieser Form einmalige Projekt von Erfolg gekrönt ist.


    Trotzdem braucht der Verein natürlich jedwede Unterstützung und wer die Enthusiasten sowohl finanziell als auch mit Sachspenden unterstützen will kann sich gerne an den Österreichischen Projektleiter Wolfram Wendelin wenden:


    wwlok@gmx.net


    Für uns war der Ausflug zu diesem Museum auch schon wieder beendet und trotz des schlechten Wetters hat es sich zumindest für mich gelohnt, auch wenn sich kein Rad bewegt hat. Nach der Rückfahrt nach Dolyna verbrachten wir den Abend noch in Ruhe im Hotel und freuten uns auf den kommenden Tag, welcher wieder sehr viel mehr fahrende Züge bereit halten sollte.


    Felix Birkmann


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    Es sind hier zu Lande nicht wirklich viele Quellen zu Schmalspurbahnen in der Ukraine bekannt, daher hier ein paar Vorschläge welche mir beim erstellen dieser Berichtserie sehr geholfen haben und die ich alle uneingeschränkt empfehlen kann.
    Teilweise wird die Ukraine nur angerissen, aber auch das ist definitiv besser als nichts.

    Bücher / Zeitschriften:


    Deutsch:


    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 1 Schmalspurbahnen in Ostgalizien

    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 2 Schmalspurbahnen in der Nordbukowina

    Wolfram Wendelin – Karpatendampf Band 3 Waldbahn Vyhoda

    Paul Engelbert – Schmalspurig durch Ungarn II: die ehemals ungarischen Gebiete

    Helmut Lampeitl – Schmalspur-Romantik in Osteuropa

    Ralf Schreier, Thomas Ölschlägel, Steffen Mann – Schmalspurige Werkbahnen und Feldbahnen in Osteuropa

    Fern-Express I/2013 – Themenheft Ukraine (mit großem Schmalspurbericht von Wolfram Wendelin)


    Englisch:

    David Scotney – 30inch Railways Worldwide: An Introduction to the Development of 750mm, 760mm and 2ft 6 in Gauge Public Railways


    Tschechisch:

    Karel Beneš - Zeleznice na Podkarpatske Rusi

    Karel Just - Motorové lokomotivy na úzkorozchodných tratích ÈSD


    Internetseiten:

    Deutsch:

    http://www.lok-report.de/archiv/europa/…pa_ukraine.html

    http://www.ostgleis.ch/


    Englisch:

    http://www.home.zonnet.nl/p.engelbert/ (Seite über die Tu2 und unter anderem den Einsatz in der Ukraine)

    http://home.zonnet.nl/p.engelbert/cuba/cuba.html (Seite über die Tu7 und ihre Geschichte)


    Russisch/Ukrainisch:

    http://borzhava-railway.com/ukrainian/ (Seite des Fördervereins der Borschatalbahn)

    http://narrow.parovoz.com/emb/index.php (hier findet man einfach alles zu Schmalspurbahnen in der gesamten ex SU, Strecken, Fahrzeugbeschreibungen, aktuelle und historische Bilder, etc.)

    http://railways.id.ru/index.html (Seite über die Kinderbahnen in der gesamten ex SU und die dort eingesetzten Fahrzeuge)

    Einmal editiert, zuletzt von Blix (6. Oktober 2019 um 19:23)

  • Hallo Felix,

    vielen Dank für diesen wirklich sehr ausführlichen und interessanten Bericht! :spos:
    Ich finde gerade die Schmalspurbahnen und das ganze Geschehen im Osten sehr interessant, da sind solche Beiträge immer sehr willkommen. :)

    Grüße Erik

    Grüße Erik

    Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!