Rezensiert: "Die Dessau – Wörlitzer Eisenbahn", Verlag Kenning, 2014

  • Achtung! "Nur-Schmalspur"-Freunde brauchen die folgenden Zeilen nicht zu lesen. Für den Rest ist die folgende Besprechung hoffentlich trotz 1435 mm Spurweite interessant und aufschlussreich.

    Rezensiert:

    Ludger Kenning:
    Die Dessau–Wörlitzer Eisenbahn

    Verlag Kenning, Nordhorn 2014
    160 Seiten im Format 25x21 cm gebunden, 50 Farb- und 162 SW-Fotos, 22 Skizzen und 10 Tabellen
    ISBN 978-3-944390-05-5, Preis: 29,95 €

    Weit über die Grenzen Mitteldeutschlands hinaus ist der Wörlitzer Landschaftspark als Ausflugsziel und UNESCO-Kulturerbe bekannt. Seit nunmehr 120 Jahren können Erholungssuchende den Park auch per Eisenbahn erreichen -und rechtzeitig zu diesem Jubiläum widmet der Verlag Kenning sein neuestes Buch der „Dessau-Wörlitzer Eisenbahn“.

    Zunächst berichtet der Autor von der Vor- und Baugeschichte der Strecke nach Wörlitz und spannt dann den Bogen über die ersten Betriebsjahre unter Vering & Wächter, die Verlängerung nach Gohrau-Rehsen in den 20er Jahren bis hin zum Ende der Privatbahnzeit im Jahr 1949. Dies alles wird garniert durch eine Vielzahl an Auszügen zeitgenössischer Zeitungsartikel, Geschäftsberichte oder Verträgen, die einmal mehr die Detailverliebtheit des Autors unter Beweis stellen. Zur geographischen Orientierung wäre allerdings eine Streckenkarte am Anfang des Buches hilfreich gewesen - eine solche findet man erst im Kapitel „Strecken und Stationen“. Weniger ortskundige Leser könnten dies als umständlich empfinden. Da die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn (DWE) eng mit der Zschornewitzer Kleinbahn verbunden war, hätte sich der Rezensent auch über eine kurze Vorstellung dieses Betriebes sehr gefreut.

    Es folgt ein ausführliches Kapitel zum Fahrzeugeinsatz in der Privatbahnzeit. Neben einem wahren Füllhorn interessanter Aufnahmen wartet es natürlich auch mit den wichtigsten Daten zu allen Fahrzeugen auf, wobei die ausführliche Wiedergabe von Originalberichten mit technischen Beschreibungen des hochinteressanten VT 41 – dem ersten Verbrennungskrafttriebwagen der Dessauer Waggonfabrik – besonders erfreut.

    Ein ausführliches Kapitel widmet sich der Zeit bis zur vorläufigen Einstellung des Personenverkehrs im Jahr 1968. Auch hier schließt sich ein Abschnitt zum Fahrzeugeinsatz in diesem Zeitraum an – eine wahre Fundgrube, denn die DWE-Strecke war in den 50er und 60er Jahren Einsatzgebiet etlicher Dampflok-Exoten. Sowohl Länder- als auch ehemalige Privatbahnlokomotiven gaben sich hier die Klinke in die Hand – und eine nicht unerhebliche Anzahl dieser Einsätze ist im vorliegenden Buch fotografisch dokumentiert! Eine wertvolle Fleißarbeit ist die tabellarische Auflistung sämtlicher Dampflokomotiven auf der Strecke Dessau – Wörlitz ab 1950 mit genauen Zu- und Abgangsdaten. Auch Wagenfreunde werden - nicht nur in diesem Kapitel - auf ihre Kosten kommen.

    Eine reich illustrierte Streckenbeschreibung lädt zu einer Reise zwischen Dessau und Gohrau-Rehsen ein. Bemerkenswert ist die hohe Informationsfülle der Bildunterschriften, die von großer Sachkenntnis und einem umfangreichen Quellenstudium zeugen – besonders im Hinblick auf die vielen kleinen Details abseits der Bahnschienen, welche das Buch auch für Heimatfreunde attraktiv machen. Erfreulicherweise wird auch die Dessauer Waggonfabrik mit einigen ihrer Produkte kurz vorgestellt. Sehr detaillierte Gleis– und Lagepläne, bei denen man jedoch Maßstabsangaben vermisst, runden das positive Bild ab.

    Apropos „Bild“: Die reichhaltige Illustration ist sehr gelungen und wird nicht nur Kleinbahnfreunde erfreuen. Vom Verlag Kenning ist man eine sorgfältige Auswahl und Aufbereitung der Aufnahmen bereits gewöhnt und auch dieses Buch macht dabei keine Ausnahme. Positiv fällt die angenehme Abbildungsgröße auf; etliche Aufnahmen sind gar ganzseitig abgedruckt und laden zum besonders ausführlichen Betrachten ein. Neben bemerkenswerten Raritäten - beispielsweise Einsatzfotos der badischen VI b 75 264 auf der DWE-Strecke oder ein wunderbares Flussidyll mit 75 6476 - begeisterten den Rezensenten vor allem die vielen Aufnahmen der verschiedenen pr. T 13/92er in diesem einst typischen Einsatzgebiet.

    Ein letzter Abschnitt beschreibt die Entwicklungen seit der Wiederbelebung des Personenverkehrs in den 80er Jahren bis ins Jahr 2014 und räumt dabei nicht zuletzt den vielen Sonderfahrten mit interessanten Fahrzeugen auch bildlich großen Raum ein.

    Ästheten werden sich vieleicht an dem etwas unaufgeräumten Seitenlayout stören, das durch Kombination von Ein-, Zwei- und Dreispaltensatz – mitunter auf einer Doppelseite – wenig konsistent wirkt und teilweise den Lesefluss etwas behindert. Wenn ein Rezensent aber derartige Kleinigkeiten aufführt, wird klar: An diesem Buch gibt es wenig zu kritisieren!

    Dies kann man als Fazit getrost so stehen lassen: Für 29,95 € erwirbt man nicht nur ein fachlich fundiertes und reich bebildertes Buch, sondern auch eine kleine Reise in vergangene Kleinbahnzeiten, als sich zwischen Dessau und Wörlitz noch der eine oder andere Dampflok-Methusalem sein Gnadenbrot verdiente! Hoffentlich regt es viele Leser dazu an, einen Besuch im Wörlitzer Park auch mit einer stilgerechten Anreise auf dieser geschichtsträchtigen Strecke zu verbinden!

    Sebastian Günther

    6 Mal editiert, zuletzt von 91 6477 (16. September 2014 um 10:14)

  • Diese Rezension inspiriert mich aber nun doch zum Kauf.
    Hatte es bisher nur eingeschweißt stehen sehen.
    Gerade schon die erwähnten Fotos von der badischen VI b 75 264 machen mich neugierig.
    Danke für die Arbeit dies hier nieder zuschreiben.

    Mit bes-TTm Gruß
    Frank aus der HaupTTstaTT

  • Hallo Ludger,

    mein Weihnachtsbudget ist in diesem Jahr schon reichlich überschritten - ich hoffe, dass mir meine Frau einen noch größeren Überziehungskredit einräumen wird...
    Ich freu' mich drauf...!

    Gestatte mir bitte eine Frage! Lebt das Projekt eines Buches zur "Nebenbahn Gaschwitz - Meuselwitz" noch?

    Herzliche Grüße aus Leipzig,
    Thorsten Reichelt

  • Thorsten, vergiß es!
    Es gibt immer noch eine hochinteressante Schmalspurbahn im Nordosten, zu der noch kein eigenes Buch erschienen ist.
    Ob ich das noch erlebe? :cheers:

    Ansonsten ist die "Dessau - Wörlitzer" natürlich ein Muß! Allein schon wegen den Fahrzeugen. Und, das es sie nach Einstellung des Pv im Jahr 1968 heute immer noch gibt, ist auch nicht gerade die Regel.

    Ich hatte es schon vor längerer Zeit geschrieben: Ginge es nach mir, dann würde heute die Dessauer Straßenbahn im Stundentakt nach Wörlitz fahren. Die gemeinsame Spurweite böte sich dafür an.
    Die Thüringerwaldbahn u. auch das "Nordhäuser Modell" könnten Vorbilder sein.

    Viele Grüße

    Holger

  • Hallo Thorsten,
    das Thema Gaschwitz-Meuselwitzer sollten wir vergessen. Der Autor hatte viel geschrieben, seine ganzen weltpolitischen Anschauungen hineingebracht, aber kaum etwas über die Bahn gesagt.
    Gruß
    LK

  • Hallo Ludger,

    gibt es zwei Persönlichkeiten von dir? In einem anderen Beitrag zerredest du mit Sätzen wie: "Wieso und für wen soll die Bahn nach Schmiedeberg fahren?", sowie: "Wer will schon nach Kipsdorf fahren und vor verschlossenen Wirtshaustüren stehen?" und anderen geistigen Tiefschlägen den Wiederaufbau des oberen Abschnitts der Weißeritztalbahn und auf einmal kommst du mit einem neuen Buch über eben diese Strecke daher???
    Auch wenn es sich deinem Titel nach um die "alte" Weißeritztalbahn handeln soll, so muss ich deine Glaubwürdigkeit wirklich in Frage stellen. Oder willst du den Wiederaufbau deshalb nicht, weil dann Bauarbeiter in Warnwesten auf Fotos zu sehen sein könnten? Deine Abneigung gegen Warnwesten hast du ja in anderen Beiträgen schon oft kundgetan.
    Wie auch immer, das Buch wird mit Sicherheit seine Käufer finden. Ein wenig mehr Respekt vor Mitgliedern von Eisenbahnvereinen, die ihre Freizeit hergeben um Gleise zu verlegen oder den Eisenbahnbetrieb absichern und dabei Warnwesten tragen, solltest du auf jeden Fall an den Tag legen, denn auch sie könnten deine Käufer sein.

    Ist der Ruf erst ruiniert,.....

    Viel Erfolg!

    Robert D.

  • Hallo Ludger,

    danke für Deine Antwort.
    Weltanschauung und Sozialkritik in der richtigen Dosis sind ja manchmal gar nicht schlecht, wenn dann aber ein persönliches Meinungsbild auf die Leser transferiert werden soll, dass dem Niveau so mancher DMV-Broschüre aus den 1980-er Jahren entspricht, in denen der Leser mehr über die großen Erfolge des Sozialismus erfuhr als über die Eisenbahn, dann ist ein Verzicht auf eine Publikation die bessere Wahl.

    Herzliche Grüße aus Leipzig,

    Thorsten