Aufarbeitung der Jung Hilax 8293 (1938) bei der Waldeisenbahn Muskau

  • Hallo Sven,

    vielen Dank für diese Informationen.

    Feine Sache, echt.

    Als es hieß "Lok der WEM wird in Tschechien aufgearbeitet" hab ich erstmal geglotzt wie ein Backofen und mich am Kopf gekratzt. Wie jetzt... Velenice ist doch zu...!?

    War das schon 2015, eieiei...

    Alles Gute nochmals!

    Leider ist Žamberk ein großes Stück von meinen Schwiegereltern in Třebenice bei Lovosice entfernt, so dass ich nicht mal eben vorbeikommen kann, wenn ich denn mal da bin.

    LG Peter :wink:

  • Mahlzeit!

    Nun gibt es wieder etwas Neues aus der Werkstatt zu berichten: Die letzte noch fehlende Dampfdüse für den heizerseitigen Injektor wurde vor ein paar Tagen gedreht. Auf meiner 61 Jahre alten Hofstetter&Co. S6 habe ich mit Hilfe einiger eigens dafür geschliffenen Formstähle die recht komplexen Konturen gefertigt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, es geht auch ohne CNC.

    Ausgangsmaterial war ein Stück Rundmaterial aus Rotguss 7. Zunächst wurde die Außenkontur vorgedreht und die 12 mm Bohrung in der Mitte eingebracht.

    Das vorgebohrte Loch wird auf 13,0 mm ausgedreht. Eine passende Reibahle habe ich nicht auf Lager, sie steht nun auf der Wunschliste.

    Mit Hilfe der Formstähle wurde die Außenkontur fertig bearbeitet.

    Der Diffusorkegel der Düsenmündung wurde mit einem Komet-Innendrehstahl gefertigt.

    Die fertige Außenkontur mit Düsenmündung.

    Für die Innenkontur oberhalb der Düsenmündung musste ein weiterer Formstahl mit 6 mm Radius geschliffen werden.

    Die Innenkontur ist recht spannend, da man in 52 mm Tiefe kaum mehr Sichtkontakt zur Schneide hat.

    Die Innenform hat einen Kegelwinkel von 7,68° und läuft zur Bohrung hin in einem 6 mm Radius aus.

    Die fertige Dampfdüse.

    Auf der Oberseite ist die Nut für das Montagewerkzeug eingefräst.

    Unterhalb des Kopfes ist noch ein Gewinde zu schneiden, dass wird jedoch erst unmittelbar vor der Montage geschehen, da das Gewinde im Gehäuse nachgearbeitet werden musste und somit nicht mehr der Zeichnung entspricht.

    Die Dampfdüse wird beim nächsten Besuch in Zamberk dem Meister der Armaturenwerkstatt übergeben, der sie dann einpasst. Die Fertigung als Einzelstück ist auf konventionellem Wege nach wie vor die günstigste Variante, für die Fertigung in größerer Stückzahl ist eine CNC-Drehmaschine natürlich überlegen, das sich die Kosten für CAD-Modell und Programm besser verteilen. Allerdings wurden solche Armaturenteile in der Serienfertigung auch schon früher auf Revolverdrehmaschinen hergestellt.

    Gruß Sven

  • Mahlzeit!

    Nun gibt es auch wieder Neuigkeiten aus der Werkstatt Žamberk: Die Arbeiten an den Injektoren gehen weiter, die neuen Düsenstockteile werden nach und nach eingebaut. Am Fahrwerk wurden die Radsatzwellen an den Stirnseiten blank geschliffen, um sie für die Ultraschalluntersuchung vorzubereiten. Für die anstehende Innere Kesseluntersuchung wurde mit der Reinigung der Feuerbüchse begonnen und die Kontrollbohrungen der Stehbolzen aufgebohrt. Danke für die Unterstützung an Christian Menzel und Ondřej Číž, sowie den anderen Kollegen der Werkstatt Žamberk.

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    Die neue Dampfdüse für den Henschelinjektor wird noch mit dem passenden Gewinde versehen und eingebaut.

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    Das Gehäuse des Henschel-Injektors mit den Düsenstockteilen und dem Rückschlagventil samt Sitzring.

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    Die neue Druckdüse ist in den Grundkörper eingebaut und der Sitzring für das Rückschlagventil eingepresst.

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    Beim Jung-Injektor ist die Druckdüse ebenfalls eingebaut. Es wurden die Details für den Sitzring des Rückschlagventils besprochen, ursprünglich war der Ventilsitz direkt in das Gehäuse gedreht und ist durch die Korrosion keine langlebige Lösung.

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    Der Düsenstock des Jung-Injektors

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    Für die Arbeiten an Fahrwerk und Kessel musste die Jung 8293 auf die Arbeitsgrube rangiert werden. Wegen der kurzen Drehscheibe vor dem Lokschuppen waren dafür umfangreiche Rangiermanöver notwendig. Hier wird die MD 2s auf das Anlassen vorbereitet.

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    Die Jung wird von der BNE 50 aus dem Lokschuppen gezogen, nachdem die MD 2s die Las49 vom Grubengleis geholt und von der BNE 50 neben dem Schuppen abgestellt wurde.

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    Die MD 2s drückt die Jung über die Drehscheibe auf das Grubengleis.

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    Für die am nächsten Tag geplante Ultraschall-Untersuchung mussten die Stirnflächen der Radsatzwellen von Farbe und Schmutz befreit werden, damit das Signal vom Meßkopf sauber eingekoppelt werden kann.

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    Beim Blick auf die Radsatzwelle fällt die eingedrehte Nut auf. Diese ermöglicht es, die Welle zu zentrieren, falls diese die Zentrierbohrung, durch Beschädigung oder Korrosion unbrauchbar geworden ist. Nach dem Ausrichten kann die Zentrierbohrung nachgearbeitet werden. Wie im Bild zu sehen, ist die Zentrierbohrung vorbildlich mit Blei ausgegossen, um sie vor Beschädigungen und Korrosion zu schützen.

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    Um die Stirnflächen der Radsatzwellen reinigen zu können, mussten einige Stangen abgebaut werden.

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    Nach dem Ausbau der Bodenklappe des Aschkastens war der Zugang zur Feuerbüchse frei. Die 300x400 mm große Öffnung reicht gerade so aus, um mit den Schultern hindurch zu passen. An den Rippen ist es noch knapper, ich kam nur nach komplettem Ausamtmen hindurch. Nach dem Herausheben der Roststäbe wurden die Wände und die Decke der Feuerbüchse mit dem Handfeger abgebürstet. Die Schutzmaske musste ich vorrübergehend absetzten, da die Schutzbrille beschlug. Eine Frischluftatemmaske wäre sicherlich gut, aber kommt man damit noch durch den Aschkasten?:grin:

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    Aufbohren der Kontrollbohrungen aller 114 Stehbolzen mit dem Akkuschrauber. Die ungewöhliche Handhaltung resultiert aus der unpraktischen Anordung der eingebauten LED-Arbeitsleuchte.

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    Nach dem Reinigen der Feuerbüchswände mit Winkelschleifer und Zopfbürste sehe ich aus wie der Kesselgeist persönlich.

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    Blick durch den Aschkasten nach oben in die Feuerbüchse. Zwischen der 2 und dritten Reihe der Deckenanker ist der Schmelzpfropfen zu sehen. Interessanterweise haben die Deckenanker abweichend von der Zeichnung keine Kontrollbohrung, sondern lediglich eine Zentrierung. Nach den Aufzeichnungen wurden sie 1961 zusammen mit der Feuerbüchse erneuert.

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    Beim Blick auf die vordere rechte Ecke der Feuerbüchse ist ein der beiden Bodenanker unter dem Rohrspiegel zu erkennen.

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    Die gereinigte rechte Seitenwand der kupfernen Feuerbüchse. Gut zu erkennen auch die gut gehämmerte Schweißnaht zur Feuerbüchsrohrwand. Während die Werkstatt des Steinbruchs mit ihrer Kesselschmiede Niet- und Kümpelarbeiten selber ausführte, mussten geprüfte Kesselschweißer von außerhalb herangeholt werden. 1961 führte ein Schweißer des RAW Cottbus die Arbeiten aus.

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    Die Feuerbüchsdecke muss noch gereinigt werden, dafür fehlte diesmal die Zeit, da wir die 300 km lange Rückreise antreten müssen.

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    Die Bodenringnieten sind noch in gutem Zustand und weisen keine kritischen Abzehrungen auf.

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    Auch die hintere rechte Ecke der Feuerbüchse zeigt die Stehbolzen und Feuerlochringnieten in guten Zustand.

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    Der untere Teil der Türwand macht ebenfalls einen guten Eindruck. Der Feuerlochschoner ist ein geschmiedetes Formstück aus der Kesselschmiede des Steinbruchs. Ursprünglich handelte es sich um ein Gussteil.

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    Arbeiten wie diese sind weit weg von der Welt der Schreibtisch-Helden :D

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    Nach Einbruch der Dunkelheit räumten wir das Werkzeug auf und beluden das Auto für die Heimreise.

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    Die Arbeiten werden beim nächsten Besuch in Zamberk fortgesetzt.

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    Kleine Jungs springen in Pfützen, große Jungs reparieren Dampflokomotiven. Beide haben keine Angst sich schmutzig zu machen und richtig Spaß bei der Sache.

    Zufrieden mit dem Tagwerk machten wir uns am Abend auf den Heimweg nach Dresden.

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    Einen Tag später erfolgte die Ultraschalluntersuchung durch den tschechischen Prüfingenieur: Weder bei den Radsatzwellen, noch bei den Treib- und Kuppelzapfen wurden Risse gefunden. Die Erleichterung bei allen Beteiligten war verständlicherweise groß.

    Ein paar Kleinigkeiten haben wir mit nach Hause genommen, darüber dann mehr im nächsten Bericht.

    Gruß Sven

  • Hallo Sven,

    das macht alles einen sehr guten Eindruck. Die Feuerbüchse ist aber auch sehr klein. Dachte schon, unsere Loks wären klein. ;)

    Mal eine Frage wegen des Schmelzpfropfens. Das Ding sieht irgendwie mehr nach einem Verschlussstopfen aus. Okay, Du hast die Decke noch nicht abgebürstet, aber hat der Pfropfen wirklich einen Bleiausguss, oder hat man an Stelle des Schmelzpfropfens dort nur einen Verschluss reingedreht?

    Dann hoffe ich mal für Euch, dass kein Kesselsachverständiger je etwas kritisches an diesem Kessel findet. Ist ja echt Klasse!!!

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Mahlzeit Achim,

    ja der Zustand des Kessels ist insgesamt recht vielversprechend. Die Kesselschmiede in Bernbruch war gut ausgerüstet und hat bis zur Einstellung des Feldbahnbetriebes die letzten 3 Maschinen gut unterhalten. In den 60ern gab es noch rund ein Dutzend 600-mm-Maschinen im Bestand des Steinbruchs und es wurden auch Fremdaufträge ausgeführt. Auf der Anschlussbahn hatte man zudem 2 normalspurige Werkloks im Einsatz. Der Betrieb lief 7 Tage die Woche. Täglich wurden durchschnittlich rund 1000t Schotter und Splitt verladen.

    Beim Schmelzpfropfen wird sich in der Tat erst beim Ausbau zeigen, ob das tatsächlich einer ist oder nur eine Verschlussschraube mit Kegelgewinde. Laut Kesselzeichnung gehört da ein Schmelzpfropfen nach LON 2063 mit Kegelgewinde 1:10 W30x1/10" rein. Die Zusammensetzung der Bleilegierung war wie folgt festgeschrieben: 85,7% Blei und 14,3% Antimon.

    Was wir sicher wissen, ist dass die Deckenanker erneuert werden müssen, da sie die für Kupferfeuerbüchsen im Laufe der Betriebszeit üblichen, durch elektrochemische Korrosion hervorgerufenen, Abzehrungen in den ersten 50 mm über der Feuerbüchsdecke haben. Die Rohre sind wegen der nur 4 Jahren Betriebsdauer nach der letzten Kesselrevision noch nicht so schlecht, doch soll auch der Kessel grundlegend aufgearbeitet werden, damit man länger Freude dran hat. Alles weitere wird der Kesselprüfer nach der Inneren Untersuchung und ggf. einer Wasserdruckprobe entscheiden.

    Gruß Sven

  • Hallo, Kesselgeist,

    es ist ja ganz offensichtlich nicht nur so, dass du goldene Hände hast; nein, du scheust dich auch nicht, diese und dich selbst so richtig dreckig zu machen!

    Sven, es ist für mich immer wieder ein Erlebnis, deine Beiträge zu lesen und dein Engagement zu bewundern. Hoffentlich belohnt dich die kleine Schwarze auch weiterhin mit möglichst wenigen gravierenden Mängeln und einer tollen Inbetriebnahme.

    Weiterhin viel Erfolg, bleib coronafrei und

    sei herzlich gegrüßt

    Bernd.

  • Das erinnert mich an die Kesselarbeiten, die wir dieses Jahr an der Hilax in Frankfurt durchgeführt haben. Während die Kollegen schon arg wegen der Platzverhältnisse in der Feuerbüchse geflucht haben, war das für mich kein Problem, da ich recht schmal bin. Aber viel Platz ist nicht, das stimmt schon. Vor allem wenn man über Kopf mit dem Winkelschleifer arbeiten muss. Das ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Am Ende des Tages weiß man dann, was man gemacht hat.

    Es geht aber noch schlimmer. Noch kleinere Feldbahnloks haben natürlich auch kleinere Kessel, gerade so die 20 oder 30 PS Maschinen. Da is nix mehr mit von unten reinkriechen.

    Schön, dass euer Kessel einen so guten Eindruck macht!

    Gruß,

    Rafael

  • Mahlzeit!

    Die Feuerbüchse der Hilax hat mit 709x664 mm, also einer Rostfläche von 0,47 m² immer noch die größte Abmessung aller Waldbahn-Maschinen. Allerdings bietet der Innenrahmen weniger Platz für den Aschkasten. Beim nächsten Arbeitseinsatz wird die Reinigung der Feuerbüchse abgeschlossen werden, dann aber mit einer besseren Schutzmaske.

    Gruß Sven

  • Guten Abend,

    also jetzt muss ich doch mal meinen Senf dazu geben. Der tschechische Prüfingenieur ist das Geld nicht wert, welches er für die "Ultraschalluntersuchung" der Achswellen und Zapfen nimmt. Auf Grund der Durchmesserunterschiede dieser Bauteile ist zur Prüfung der rissgefährdeten Bereiche zwingend nicht nur eine Einschallung im Winkel 0° sondern auch mit einem 45°-Vorsatz notwendig.

    Warum?

    Ich versuchs an nachfolgendem Modell der Achswelle einer VIIK klar zu machen:

    Im eingebauten Zustand der Achswelle kann er nur von der Stirnseite mit 0° in die Welle einschallen. Am ersten Durchmesserübergang (blaue Linie) wird er zwangsläufig im Außenbereich ein starkes Signal bekommen, welches er natürlich richtig als den Durchmessersprung deuten kann, allerdings werden dadurch auch eventuelle Anrisse grade in diesem hochbelasteten Bereich überstrahlt, welche er dann nicht sicher oder gar nicht feststellen kann. Gleiches gilt für den nächsten Durchmessersprung am inneren Anlaufbund des Achslagers. Hier kann er maximal im Durchmesser des Achsschenkels einschallen, Anrisse im Radiusübergang welche noch nicht bis in den Achsschenkel hinein reichen, werden ihm zwangsläufig entgehen. Um diese Bereiche Normenkonform und vor allem sicher beurteilen zu können, muss die Welle raus aus der Lok und mit einem 45°-Vorsatzkeil mit dem richtigen Durchmesser! der Kontaktfläche in den entsprechenden Bereichen (grüne Pfeile) geprüft werden. Nur Hohlwellen eignen sich zum Schallen im eingebauten Zustand, da diese von innen geschallt werden. Das gleiche gilt im Prinzip für die Kuppelzapfen, auch diese haben mindestens einen Durchmessersprung am Einpressende welcher so nicht sicher beurteilt werden kann.

    Man kann das Prüfen auch noch weiter perfektionieren, indem zur Ultraschallprüfung zusätzlich eine Magnetpulverprüfung durchgeführt wird. Zum einen hat die Ultraschallprüfung wie hier beschrieben den Nachteil, dass sie keine längs zur Wellenachse liegenden Fehler aufdecken kann, zum anderen ist die sichere Beurteilung der Radien immer eine schwierige Sache durch das recht diffus auftretende Signal eben durch den Radius. Wenn zugänglich kann hier eine MT-Prüfung kleine Oberflächenrisse besser und sicherer zum Vorschein bringen. Natürlich ist das bei einer Maschine dieser Kategorie ein wenig mit Kanonen auf die armen Spatzen geschossen, aber wenn der Prüfer schon Geld dafür verlangt soll er nicht so schummeln... Das Burgfräulin auf Rügen hat bewiesen, dass auch Schmalspurloks vor Achswellenbrüchen nicht sicher sind.

    So ein Schadbild kann er auf diese Weise niemals entdecken:

    Gruß André