Aufarbeitung der Jung Hilax 8293 (1938) bei der Waldeisenbahn Muskau

  • Die runden Kuppen der Stiftschrauben und alten Muttern sind historisch korrekte Details. Die Pragmatiker werden mit dem Kopf schütteln

    Ich persönlich finde ja, dass gerundete Schrauben besser einfädeln, wenn man ohne Druck vorgeht.....vielleicht aber auch nur weil ich Linkshänder bin? :gruebel: Gibt es dazu eine allgemine Anschauung?

  • Mahlzeit Lenni,

    die alten Schrauben mit den runden Kuppen sind komplett anders gefertigt. Die Rohlinge werden in einer Schmiedepresse hergestellt. Die Gewinde sind früher entweder auf einer Revolver/Patronendrehbank gedreht oder wurden auf einer Gewindeschneidmaschine geschnitten. Die heutigen Schraubengewinde werden gerollt, wobei dann der übliche Grat entsteht.

    Hier mal eine 5/8"-Whitworth-Schraube in der Gegenüberstellung mit einer modernen M16-Sechskantschraube. Da werden die Unterschieder recht deutlich. Die Schlüsselweite beträgt 27 mm, bei M16 24 mm. Der Kopf ist wesentlich stärker, was einem in der optischen Erscheinung im eingebauten Zustand auch auffällt. Links ist unter dem Kopf auch der Grat vom Schmiedegesenk erkennbar.

    Die Unterschiede in den Kuppen.

    Auch bei den Muttern fallen die Unterschiede auf. Links 5/8" Whitworth, rechts M16.

    Die Muttern waren größer und höher.

    Gruß Sven

  • Mahlzeit!

    Nachdem die Injektoren fertiggestellt waren widmete ich mich den Schieberstangen.

    Diese waren noch die originalen von 1938, wurden jedoch schon zu Betriebszeiten von der Steinbruch-Werkstatt im Bereich der Schieberstangenführung mit aufgeschweißen Hülsen versehen. Diese waren stark eingelaufen und durch die lange Abstellzeit in Gera erheblich korrodiert. Der Plan sah vor, die Stangen zu überdrehen und mit Hartchromersatz aufzuspritzen. Eine Neufertigung habe ich aus restauratorischen Gründen nur als letzte Option angesehen.

    Bevor die mechanische Bearbeitung der Schieberstangen begann, wurden sie gereinigt. Deutlich sind die Korrosionsnarben in der Führungsfläche und der Dichtfläche sichtbar. Sie entstanden durch die ungeschützte Abstellung der Lokomotive in Gera zwischen 1978 und 1998.

    Auf der Hofstetter S6 wird die Führungsfläche überdreht.

    Nach dem Abdrehen von 5/10 mm wurde neben der Korrosion auch der erhebliche Verschleiß auf der Unterseite sichtbar.

    Die Führungsfläche wurde zunächst soweit abgedreht, bis sauberer Grundwerkstoff zum Vorschein kam. Die aufgeschweißten Hülsen waren relativ hart, was auch an den Spänen zu erkennen war.

    Nachstellen des Reitstocks um die Zylindrizität innerhalb der Toleranz zu halten.

    Während die Korrosionsnarben weitgehend verschwunden sind, ist der Verschleiß noch sichtbar.

    Der letzte Schlichtdurchgang ist geschafft.

    Die erste Schieberstange ist an der Führungsfläche fertig bearbeitet.

    Die zweite Schieberstange musste zunächst vom Voreilhebel gelöst werden. Der Bolzen, der beide Teile miteinander verbindet, ist durch einen Kegelstift gesichtert. Dieser ließ sich jedoch nicht mehr lösen, da das untere Ende stark deformiert war. Zunächst wurde versucht, den Kegelstift auszubohren.

    Das Ausbohren war nicht ganz erfolgreich, etwa in der Mitte des Kegelstiftes stieß der Bohrer auf eine harte Stelle und brach. Auch mit einem Durchschlag ließ er sich nicht austreiben. Deshalb wurde die Hydraulikpresse zu Hilfe genommen und der Stift abgeschert. Der gehärtete Bolzen war dabei von Vorteil. 10t waren ausreichend, um die Kegelstift abzuscheren.

    Der abgescherte Stift in der Bohrung. Diese feldmäßige Methode war letztlich effektiv, die Bohrung muss sowieso aufgerieben werden.

    Die Zentierbohrung im Stangenkopf wurde nachgeabeitet.

    Auch bei der zweiten Stange war erheblicher Verschleiß zu verzeichnen.

    Das Urmaß der Führungsflächen betrug 55 f8. Bereits im Steinbruch wurden die verschlissenen Flächen durch Aufziehen von Hülsen aus dickwandigem Rohr regeneriert, die einen Außendurchmesser von 56-57 mm hatten. Daher konnten die Flächen nun großzügig bis auf 54 mm abgedreht werden. Die Differenz zum Urmaß wird später durch Aufspritzen mit Hartchromersatz wiederhergestellt.

    Beide Schieberstangen haben nun neue Führungsflächen.

    Gleich geht es weiter mit dem Stangenschaft...

  • Und weiter geht es:

    Nun war der Stangenschaft an der Reihe, der in der Schieberstopfbuchse läuft. Das Urmaß betrug hier 30 d10, die Stangen waren bereits auf 28,5-29 mm abgedreht.

    Deutlich ist der korrodierte Bereich zu erkennen, der durch Kondensat in der Stopfbuchspackung entstand.

    Der Stangenschaft ist überdreht, das Fertigmaß beträgt 27,0 mm. Auch hier wird das Urmaß durch Aufspritzen mit Hartchromersatz wiederhergestellt.

    Die fertige rechte Stange im Vergleich mit der unbearbeiteten linken Seite.

    Ziel der Arbeiten ist auch hier die Erhaltung der orginalen Bauteile.

    Einrichten der linken Schieberstange für das Überdrehen des Stangenschaftes auf der Hofstetter S6.

    Korrosion und Verschleiß vor dem Bearbeiten.

    Die Rostnarben im Bereicht der Packung waren besonders tief.

    Die linke Stange ist fertig bearbeitet.

    Nach dem Drehen wurde leicht mit feinem Schleifleinen poliert.

    Das Ergebnis ist zufriedenstellend.

    Beide Stangen sind fertig bearbeitet.

    Im nächsten Bericht geht es mit der Bearbeitung der Stopfbuchsen weiter.

    Gruß Sven

  • Hallo Sven,

    vielen Dank für diese mal wieder sehr interessanten Einsichten!

    Wie funktioniert denn das "mit Chromersatz aufspritzen"?

    Und hat man dann anschließend schon das fertige Maß oder muss man danach noch mal Nacharbeiten?

    Viele Grüße, Matthias

  • Mahlzeit Matthias,

    Das Aufspritzen gehört zu den Thermischen Beschichtungsverfahren. Dabei werden die Zusatzwerkstoffe (zumeist in Form von Pulvern) in einer Brenngas-Sauerstoffflamme aufgeschmolzen, fein zerstäubt und mit hoher Geschwindigkeit auf die Bauteiloberfläche aufgetragen. Neben Metallen können auch Keramik und Kunststoffe aufgetragen werden. Dabei ist es durch die Wahl des Zusatzwerkstoffes auch möglich artfremde Schichten auf den Grundwerkstoff aufzutragen und die Oberflächeneigenschaften gezielt zu beeinflussen. Je nach Anwendungsfall kommen ua. Flammspritzen, Hochgeschwindigkeitsflammspritzen, Laserspritzen, Kaltgasspritzen, Lichtbogen oder Plasmaspritzen zur Anwendung.

    Der Vorteil gegenüber dem Aufschweißen liegt in der geringen Gefahr von Verzug, weil der Grundwerkstoff nur geringfügig, dafür aber gleichmäßig erwärmt wird. Gegenüber dem galvanischen Beschichten sind wesentlich stärkere Schichtdicken möglich. Die Beschichtung wird je nach Stärke in mehreren Lagen aufgebracht, wobei unterschiedliche Zusatzwerkstoffe zum Einsatz kommen.

    Im Falle der Schieberstangen werden sie zunächst aufgerauht und dann mit einer Haftschicht versehen. Es folgt die Füllschicht und die Funktionsschicht, der Hartchromersatz. Anschließend werden die Stangen auf Fertigmaß geschliffen und sind dann einbaufertig.

    Die Lokwerkstatt in Zamberk spritzt Kolbenstangen aufgrund der guten Erfahrungen mittlerweile standardmäßig auf. Dir früher relativ schnell eintretende Riefenbildung wird damit vermieden.

    Gruß Sven

  • Hi Sven,

    vielen Dank! Das ist ja sehr interessant - ein High-Tech Verfahren sozusagen. Eine Frage, die ich noch hatte, hast du gleich noch mit beantwortet: Das aufgespritzte Material ist dann wahrscheinlich sehr hart - du schreibst ja, dass es auf das Fertigmaß geschliffen wird (und nicht abgedreht).

    Viele Grüße, Matthias