Aufarbeitung der Jung Hilax 8293 (1938) bei der Waldeisenbahn Muskau

  • Mahlzeit!

    Nun komme ich endlich dazu, den nächsten Bericht zu schreiben. Diesmal geht es um Neues aus der Lokwerkstatt Žamberk:

    Das Ausbohren der Zylinder hatte im November begonnen. Der rechte Zylinderblock ist auf dem TOS Horizontalbohrwerk aufgespannt und ausgerichtet. Mit einem Narex VHU 125 Plan- und Ausdrehkopf wird die stark eingelaufene Bohrung ausgespindelt.

    Am Rahmen wurde der linke Führerhaustritt mit neu angefertigten Senkkopfschrauben nach DIN 604 und Muttern mit größerer Schlüsselweite angebaut. Am linken Kohlenkastenträger wurden tiefe Korrosionsnarben ausgeschweißt. An der Zentrifuge des Kobelschornsteins war ein Loch in einer der Leitschaufel zuzuschweißen. Außerdem wurde die gerissene Schweißnaht im Deckblech ausgeschliffen und nachgeschweißt

    Der rechte Zylinderblock ist auf dem Maschinentisch des TOS-Horizontalbohrwerks aufgespannt.

    Der Zylinder ist in 40 Betriebsjahren stark eingelaufen und hat die zulässigen Toleranzen für die Kreis- und Zylinderform überschritten.

    Zunächst wird der Zylinderblock mit der Planfläche senkrecht zur Spindel ausgerichtet.

    Im Anschluss wird die Spindel nach der Zentrierfläche für den Zylinderdeckel ausgerichtet, da diese nicht von den Kolbenringen bestrichen wird und somit noch keinen Verschleiß aufweist.

    Die starke Spiegelung in der Bohrung täuscht einen wesentlich besseren Zutand vor.

    Auf der Außenseite ist neben der Modellnummer auch der JUNG-Schriftzug und das Fertigungsjahr 1938 eingegossen.

    An der Fase zwischen Zentrierfläche und der Zylinderbohrung ist der Verschleiß am deutlichsten zu erkennen. Das dieser in Richtung des Rahmenflansches liegt, deutet auf eine falsche Ausrichtung der Kreuzkopfgleitbahn hin.

    Am Führerhausfußboden wurde der Tritt auf der Lokführerseite mit den kurzlich neu angefertigten Senkkopfschrauben mit Nase nach DIN 604 angebaut.

    Die Muttern für die Befestigung sind nach den Vorkriegsnormen gefertigt und vervollständigen den historischen Gesamteindruck.

    Die Auflage des linken Kohlekastenträgers war um das Schraubenloch bis zu 3 mm tief abgezehrt und bot keine saubere Auflage mehr.

    Die Korrosionsnarben wurden in mehreren Lagen ausgeschweißt.

    Nach dem Aufschweißen wurde die Fläche verschliffen.

    In der Zentrifuge des Kobelschornsteins befand sich in einer der sechs Leitschaufeln ein Loch, das es zu verschweißen galt.

    Im Inneren der Zentrifuge war die Schweißnaht, die das kegelförmige Deckblech schließt, nicht richtig durchgeschweißt und musste nachgearbeitet werden.

    Auf der Oberseite war die Naht bereits gerissen und wurde gründlich ausgeschliffen, bevor sie nachgeschweißt werden konnte.

    Die Zentrifuge wurde höchstwahrscheinlich von der Steinbruchwerkstatt als Ersatz für das üblicherweise gegossene Bauteil in Schweißkonstruktion hergestellt.

    Zum Schluss noch ein paar bewegte Bilder der Arbeiten:

    Gruß Sven

  • Mahlzeit,

    weiter geht es mit den Zylinderarbeiten in der Lokwerkstatt Žamberk:
    Beide Zylinder der Jung 8293 sind fertig ausgebohrt. Die Kolben wurden aufgeschweißt und werden an den neuen Zylinderdurchmesser angepasst.


    Der rechte Zylinder hat nach dem Ausbohren einen Durchmesser von 244,3 mm. Ab Werk lag der Durchmesser bei 240 mm.


    Der linke Zylinder wurde nun im Anschluss auf das TOS WHN9B Horizontalbohrwerk aufgespannt.


    Bohrwerkdreher Šimon Bednář beim Messen des Bohrungsdurchmessers vor dem letzten Durchgang.


    Das TOS-Bohrwerk stammt aus dem Jahr 1984.


    Vor dem nächsten Durchgang wird der Durchmesser der Bohrung mit der Innenmessschraube gemessen. Am Boden ist noch eine kleine Fehlstelle vorhanden, die beim letzten Durchgang noch verschwinden wird.


    Auch nachdem der Bohrungsdurchmesser bereits um 5 mm vergrößert worden war, blieb diese Fehlstelle sichtbar. Ein weiterer Durchgang war deshalb notwendig, bei dem dann auch die Oberfläche geschlichtet wird.


    Mit jedem Durchgang wurd die Fehlstelle kleiner.


    Die Lage der Fehlstelle am hinteren Zylinderdeckel und in Richtung des Rahmens deutet auf ein Fehlstellung der Kreuzkopfgleitbahn hin.


    Die Dichtfläche am hinteren Zylinderdeckel wies starke Korrosionsnarben auf und musste deshalb ebenfalls überarbeitet werden.


    Der bereits aufgeschweißte Kolben für den rechten Zylinder ist in der schweren Škoda Drehmaschine aus den 1950er Jahren eingespannt und wird nun auf den neuen Zylinderdurchmesser angepasst.


    Diese Arbeit wurde von Šimons Vater Slavek ausgeführt, der seit einigen Jahren als Dreher in der Lokwerkstatt arbeitet.


    Mit der Fertigstellung der Dichtfläche zum hinteren Zylinderdeckel sind die Bohrwerksarbeiten am Zylinder beendet.

    Im nächsten Bericht geht es weiter mit den Arbeiten in Žamberk.

    Gruß Sven

  • Hallo Sven,

    Ich würde mich sehr gerne an die abendliche Berichterstattung gewöhnen, das ist die perfekte Lektüre vor dem Schlafengehen. Einfach schön beschrieben und für mich als Laie gut durch die Bilder verständlich.

    Ich wünsche dir und deinem Team weiterhin gutes Gelingen, aktuell sieht eure Arbeit einfach wunderbar aus!

    Viele Grüße, Philipp

    MfG, Philipp

  • Hallo Sven,

    ich finde es toll, dass man hier mal eine Dampflok in Einzelteilen sehen kann und nicht wie sonst meist nur als Ganzes schräg von vorne oder schräg von hinten.

    Gruß quercus

  • Mahlzeit!

    Zitat

    Hallo Sven,

    Ich würde mich sehr gerne an die abendliche Berichterstattung gewöhnen, das ist die perfekte Lektüre vor dem Schlafengehen. Einfach schön beschrieben und für mich als Laie gut durch die Bilder verständlich.

    Ich wünsche dir und deinem Team weiterhin gutes Gelingen, aktuell sieht eure Arbeit einfach wunderbar aus!

    Viele Grüße, Philipp

    Nun ich habe noch einige Beiträge zu schreiben, die nächsten Abende sind also gesichert ;)

    Zitat

    Hallo Sven,

    bloß mal Interessehalber, wieviel kleiner ist den der Kolbendurchmesser im Vergleich zur Zylinderbohrung?

    Beste Grüße

    Kay

    Der Kolben ist laut Originalzeichnung 2 mm kleiner als die Bohrung.

    Zitat

    Hallo Sven,

    ich finde es toll, dass man hier mal eine Dampflok in Einzelteilen sehen kann und nicht wie sonst meist nur als Ganzes schräg von vorne oder schräg von hinten.

    Gruß quercus

    Die Standard-Motive können dann nach der Fertigstellung noch zur Genüge gemacht werden ;)


    Beste Grüße Sven

  • Mahlzeit!


    Damit der Oderbruchbahner wieder was zu Lesen hat:

    Nachfolgend der nächste Bericht aus der Lokwerkstatt Žamberk:
    Die Bearbeitung der Zylinder ist beendet, die Zapfenlöcher des Treibradsatzes sind ausgespindelt und die Stiftschrauben am Rahmen wurden nachgeschnitten.


    Der Treibradsatz wurde auf dem Maschinentisch des TOS-Horizontalbohrwerks aufgespannt, um die Bohrungen für die Treibzapfen zu berichtigen.


    Bei diesem Bearbeitungsschritt wird nicht nur die Geometrie des Zapfenlöcher, sondern auch der Hub und der Voreilwinkel der Bohrungen zueinander wiederhergestellt. Die Maße liegen im Anschluss wieder innerhalb der engen Toleranzen ein, die für die Funktion entscheidend sind.


    Mit der Aufspannvorrichtung auf dem drehbaren Maschinentisch können beide Bohrungen bearbeitet werden. Im Vordergrund stehen die neuen Treibzapfen bereit.


    Die Bohrungen waren durch Fehler beim Erneuern der Treibzapfen durch die Steinbruchwerkstatt beschädigt und führten mit den schief eingepressten Zapfen zu einer starken Verringerung der Lebensdauer der Kuppelstangenlager. Das Problem mit dem starken Lagerverschleiß war uns durch die mündlichen Überlieferungen ehemaliger Mitarbeiter bekannt, die Ursache konnte jedoch erst durch die Vermessung des Radsatzes ermittelt werden.

    Die Bohrungen wurden nun in richtigem Hub und Winkel knapp 1 mm größer gebohrt. Auf dieser Aufnahme erkennt sehr schön die ursprünglichen Bearbeitungsspuren am Radkörper.


    Die beiden Zylinderblöcke sind fertig bearbeitet und bereit für den Anbau an den Rahmen.


    Am Rahmen wurden die übeer 40 eingeschraubten und dichtgestemmten Stiftschrauben mit Whitworthgewinde nachgeschnitten. Das Erneuern wäre ein erheblicher Mehraufwand gewesen.


    Für diese Arbeit verwendete ich einen selbst hergestellten Schneideisenhalter mit 1/2"-Ratsche, der auch in engen Bereichen einsetzbar ist.


    Hier werden die Stiftschrauben an den Flanschen der Injektorsaugleitungen nachgeschnitten.


    Die Stiftschrauben sind nachgeschnitten. Der Zustand der Schrauben ist insgesamt gut, auch im Steinbruch wurde alles nach alter Väter Sitte mit Graphitfett eingeschmiert.


    Auch die Schrauben am Einfüllstutzen des Rahmenwasserkastens sind wieder in Ordnung gerbracht.


    Die aufgeschweißten Kolben wurden fertig überdreht und passen nun mit dem notwendigen Spiel in die vergrößerten Zylinderbohrungen. Die Stangen werden im Anschluss durch Aufspritzen wieder auf den ursprünglichen Durchmesser regerniert.

    Soweit für heute, im nächsten Bericht widmen wir uns wieder Kleinkram aus meiner Werkstatt in Dresden.

    Gruß Sven

  • Mahlzeit!

    Nun gibt es wieder Neues aus der Werkstatt: Die Prüfhähne für den Rahmenwasserkasten sind in Arbeit. Der fehlende obere Prüfhahn wurde komplett neu gebaut. Das Gehäuse des unteren Hahns wurde umfangreich instandgesetzt.


    Bereits zu Betriebszeiten war der obere Prüfhahn abgebrochen und der Rest wurde blind gemacht. Für die Funktion ist jedoch auch der obere Hahn von Bedeutung und wird deshalb nachgebaut.


    Aus einem Stück Grauguss entsteht der neue Hahnkörper.


    Der kugelförmige Mittelteil wird mit der Radiendrehvorrichtung hergestellt.


    Nachdem die Kontur hergestellt war, wurde das Teil abgestochen. Die Mündung des Hahns ist noch etwas länger belassen worden, um es mit der Spannzange für das Gewindedrehen spannen zu können.


    Das 3/4"-Whitworth-Gewinde wird auf der UNION-WERK Drehmaschine von 1939 hergestellt, da sie mit der Lamellenkupplung zum Drehen von Gewinden bis an den Bund heran besser geeignet ist.


    Die Mündung ist nun auch fertig gedreht.


    Auf der Fräsmaschine wurden die Planflächen für die Bohrung hergestellt.


    Zum Schluss wurde die Bohrung hergestellt und sollte mit der eigens angefertigten Kegelreibahle aufgerieben werden. Leider zeigte sich, das die Reibahle beim Härten keine gleichmäßige Härte erreicht hatte und beim ersten Einsatz beschädigt wurde.


    Nach einigen Tagen der Lösungssuche habe ich mich dann zum Nacharbeiten der Reibahle entschlossen. Sie wurde noch einmal gehärtet und musste dann erneut geschliffen werden. Da die Wartezeit für das Schleifen im Herbst 2023 mehr als 6 Wochen betrug, habe ich den Versuch gemacht, die Reibahle mit dem Supportschleifapparat auf der Drehmaschine zu schleifen.


    Das Schleifen der Schneiden funktionierte gut, auch wenn nicht alle Winkel wie auf einer Werkzeugschleifmaschine einstellbar waren.


    Eine ausreichende und gleichmäßige Härte wurde beim zweiten Versuch und dem Abschrecken in Wasser erreicht.


    Mit der fertigen Reibahle konnte die Bohrung erfolgreich bearbeiten werden.


    Damit ist das Hahngehäuse fertig bearbeitet.


    Am Gehäuse des unteren Prüfhahns waren am Gewindezapfen starke Abzehrungen vorhanden. Um eine ausreichende Einschraubtiefe sicherzustellen war eine Reparatur notwendig. Im Vierbackenfutter eingespannt wurde das Gehäuse am Bund ausgerichtet.


    Der korrodierte Bereich wurde abgedreht und mit einem Stirnsenkung versehen, in der die Reparaturbuchse eingesetzt und für das Verlöten zentriert wird.


    Die Reparaturbuchse ist mit Flussmittel bestrichen und eingesetzt. Eine Schraube in der Bohrung fixiert die mit dem Hahngehäuse. Beide Teile wurden im Anschluss mit Silberlot verlötet.


    Im nächsten Schritt wird das 3/4" Whitworthgewinde gedreht, wobei auf die Phasengleichheit mit dem ursprünglichen Gewinde geachtet werden muss.


    Das Gewinde ist fertig gedreht und auch die Dichtfläche am Bund wurde plangedreht.


    Damit ist die Aufarbeitung des Hahngehäuses abgeschlossen.

    Soweit für heute, im nächsten Bericht geht es weiter mit der Anfertigung der Hahnküken.

    Gruß Sven

  • Nach einigen Tagen der Lösungssuche habe ich mich dann zum Nacharbeiten der Reibahle entschlossen. Sie wurde noch einmal gehärtet und musste dann erneut geschliffen werden. Da die Wartezeit für das Schleifen im Herbst 2023 mehr als 6 Wochen betrug, habe ich den Versuch gemacht, die Reibahle mit dem Supportschleifapparat auf der Drehmaschine zu schleifen.

    Einfach verrückt! Nicht nur eine Lok bis ins letzte Einzelteil zu überarbeiten bzw. in großen Teilen neu zu bauen. Sondern auch noch einen nicht unerheblichen Teil der dazu benötigten Werkzeuge selbst anzufertigen und das Ganze auch noch in ziemlich perfekter Qualität zu dokumentieren. Hat Dein Tag 48 Stunden??? Respekt!

    Vielleicht gibt es ja in Žamberk im Jahr 2024 einen Tag der offenen Tür an dem sich die in diesem Forum besonders an Deinem Projekt Interessierten dort treffen könnten. Bevor die Maschine dann wieder in ihre Heimat kommt...

    Es macht wirklich (selbst als maschinenbautechnischer Volllaie) riesiges Vergnügen Deinem Projekt zu folgen. Denn auch wenn bestimmt noch ein paar Leute beteiligt sind kann man wohl mit Fug und Recht von "Deinem" Projekt sprechen. Dafür darfst Du gern mit einem Direktlink auf die dazugehörige Spendenaktion verweisen:

    Spendenprojekt - Waldeisenbahn Muskau
    Projekt Hilax Ein Stück Lausitzer Technikgeschichte wird wieder lebendig! Vor 82 Jahren lieferte die Lokomotivfabrik Arn. Jung, Jungenthal unter der…
    www.waldeisenbahn.de

    Gruß von Niels