Betrieb der Harzer Schmalspurbahnen 2019

  • Hallo Leute,

    hab's durchaus mitgelesen und zumindest geschmunzelt. Nein, einen Vogel hab ich meinem Laptop nicht gezeigt. Ihr seid ja tatsächlich Laien, schon wenn ich hier lese, wie Ihr Euch die Gewinnung von Wasser für die Dampflok vorstellt.

    Okay, mal ganz langsam. Speisewasser führt eine Dampflok der HSB ausschließlich in seitlich neben dem Kessel liegenden Wasserkästen mit. Das heißt, man müsste Unmengen von Schnee einigermaßen gezielt in die Einläufe dieser Wasserkästen werfen und erhielte eine verschwindende Menge Wasser zum Speisen des Kessels, was natürlich voraussetzen würde, dass die Lok immer noch unter Dampf stünde und der Wasservorrat nicht einfriert. Wem will man diese Arbeit unter den Bedingungen des Wetters und des Standorts der Lok zumuten?
    Okay, das Wasser im Wasserkasten vor dem Einfrieren zu bewahren, ist mit der Dampfstrahlpumpe möglich, denn man kann sie so einstellen, dass man Dampf in das Speisewasser leitet und damit etwas warm hält. Aber nochmals, welchem Lokpersonal ist das zuzumuten, zumal von der Außenwelt gewissermaßen abgeschnitten bzw. der Gefahr der Unzugänglichkeit ausgesetzt und dann müssten sie sich bei den Wetterbedingungen auch noch schinden, bis dann der Kohlevorrat verbraucht wäre. Außerdem ist irgendwann Feierabend und man müsste Ersatzpersonal an den Ereignisort schaffen.
    Da lässt man die Lok wohl in jedem Fall erkalten und schleppt sie später von der Strecke. Das birgt natürlich die Gefahr von Frostschäden. Eine fachgerechte Entwässerung aller Wasser und Dampf (Kondensat!!!) führenden Teile der Lok ist auf der Strecke und unter den gegebenen Bedingungen eigentlich unmöglich.

    Gerade jährt sich die Schneekatastrophe 1978/79 zum 40. Mal. Hier beim Rasenden Roland sind damals zweimal Lokomotiven eingeschneit und mussten auf freier Strecke aufgegeben werden. Das Personal hat die Loks damals einfach auf der Strecke entfeuert und hatte danach den Abschlammer geöffnet, so dass das heiße Kesselwasser und der Dampf ausstömten. Es waren die Loks 99 4633 und 4632 und deren Ablasshahn des Wasserkastens ist von außen nicht zugänglich, so dass der Wasserkasten nicht restlos entleert werden kann. So blieb nur die Variante, das Wasser mit der Strahlpumpe und vor dem Ablassen des Kesselwassers einfach auszupumpen (ins Freie). Mehr ging dort vor Ort nicht und völlig leer wird der Wasserkasten dabei auch nicht, allerdings weiß ich nicht, ob die Vorräte angesichts des Kampfes im Schnee nicht ohnehin schon geschwunden waren. Das Personal konnte noch einige Entwässerungshähne (z.B. an den Speiseleitungen) öffnen und musste darauf hoffen, dass die selbsttätigen Entwässerungsventile funktionierten und die Entwässerungsleitungen nicht völlig eingefroren waren.
    Unser Personal musste eine Lok in der Nähe von Beuchow, die andere bei Serams aufgeben und brachte sich zu Fuß in Sicherheit.

    Andere Möglichkeiten fallen mir für 99 234 jetzt auch nicht ein. Also Feuer aus und soweit zugänglich, das Wasser ablassen, bevor es erkaltet. Es ist zweifellos für den Kessel nicht günstig, einfach ganz schnell Wasser und Dampf abzulassen (wie 1979 auf Rügen), aber die Gefahr der Beschädigung dürfte beim Einfrieren deutlich höher sein. Ein großes Problem ist natürlich das Wasser, das als Eispanzer den Umkreis und auch das Laufwerk der Lok lähmen dürfte. Das erfordert vor dem Abschleppen zusätzliche Auftauarbeit.

    Ich gehe davon aus, dass die Kollegen der HSB die in dieser Situation richtigen Entscheidungen getroffen haben und hoffe, dass die Lokomotive keine größeren Schäden davonträgt.

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Hallo Niels,

    nehme Dir ein Beispiel an Achim u. gebe lieber eine fachkundige Erkärung ab, als den Laien den Mund verbieten zu wollen. Das das vielseits beliebte Harzbahn-bashing nicht mein Ding ist, kannst Du an den diesbezüglichen Beiträgen der letzten Jahre selber nachlesen.

    Viele Grüße

    Holger

  • Hallo,

    vielen Dank an Dampfachim für die Aufklärung. Das er da nur schmunzelte beim lesen. :zwink:
    Das die Dampflok ihr Wasser für den Betrieb nicht nur im Kessel hat, sondern als Vorrat in den Wasserkästen, im Rahmen bzw. im Tender mitführt, dachte ich sollte bei allen Freunden der Bimmelbahn bekannt sein. Noch dazu wenn man ließt, mit welch geistigen Ergüssen hier einige schreiben. :rolleyes:
    Mein Chef war damals auch auf Rügen und erzählt zu gerne davon, als bei der eingesetzten Dampfschneeschleuder das Wasser knapp wurde. Zurück fahren ging nicht und da der Schnee rechts und links bis zum Tender hoch war, hieß es:"Schnee in den Wasserkasten vom Tender schaufeln" Und das war eine sehr mühsame Angelegenheit, die Dampfstrahlpumpen hatten eine Förderleistung von 250 l/min. Und da musste man einiges Schaufeln um einmal die Pumpe anzustellen. Da waren einige Leute damit beschäftigt.
    Im Kessel von so einem Harzbullen befinden sich ca 4000 l Wasser mit einer Temperatur von 190°C bei Betriebsdruck. Selbst unter diesen Umständen, nach Entfeuern, wird es einigen Minuten dauern bis sich das Wasser abgekühlt hat und dann gefriert.

    Viele Grüße

  • Hallo Schlafwagenschaffner,

    der eigentliche Kessel speichert die Wärme tatsächlich noch ziemlich lange. Ihn zu entwässern, hat wirklich nicht die höchste Priorität, schon gar nicht bei einer so großen Lok. Der Kessel wird selbst 24 Stunden nach dem Erlöschen des Feuers noch nicht den Gefrierpunkt erreicht haben, vor allem wenn man ihn vorher noch schön vollpumpt und mit relativ hohem Druck abstellt. Ich weiß nicht, ob die Kessel der Harzbullen vielleicht sogar vollständig isoliert sind, wie mancherorts. Dann hat man natürlich noch mehr Zeit.
    Aber die Wasserkästen, die Saugleitungen zu den Pumpen und alle Dampf und Wasser führenden Leitungen rings um den Kessel sind ziemlich empfindlich gegen Einfrieren. Und wenn da über den Brocken noch ein eisiger Wind pfeift, wird die Eigenwärme der Lok ziemlich schnell weggepustet, so dass alle Teile dem Frost ausgesetzt sind.
    Aber wie ich oben schon schrieb, wird ein komplettes und sicheres Entwässern wirklich aller Teile der Lok unter den Bedingungen an der zugeschneiten Strecke praktisch unmöglich sein. Ein weiteres Problem sind übrigens die Leitungen der Dampfheizung, auch in den Wagen. Aber die wichtigsten Dinge kann man auch unterwegs entwässern, wie vorhin beschrieben. Ich weiß leider nicht, wo der Ablasshahn der Wasserkästen an der 1000 mm-Neubaulok angeordnet ist. Bei der 750 mm-Neubaulok kommt man dort heran. Ist das bei den Harzbullen auch möglich? Ich vermute mal, dass der Hahn auch unter dem Kohlenkasten sitzt. Das ist ja die tiefste Stelle. Hab ihn gerade auf meinen Fotos entdeckt - gut zugänglich...

    Man muss also mit einigen Problemen rechnen. Umso besser, wenn nichts kaputt gegangen ist. Vielleicht erfahren wir ja, ob und wie lange 99 234 in die Werkstatt muss.

    Die Dampfschneeschleuder kenne ich nur noch kalt und konserviert auf dem Paschenberg im Bw Stralsund. Sie wurde kurz nach der Wende mit unbekanntem Ziel weggeschafft und wohl verschrottet. Wir hatten für unsere 03 1090 noch alle möglichen Kleinteile von ihr geborgen, die an unserer Lok fehlten bzw. kaputt waren, z.B. Wasserstandsgläser, Schutzkörbe für den Wasserstand usw.

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Hallo Achim,

    meine Frage war ja auch nur theoretisch und mir war klar, dass die Lok am Brocken nicht voreillig aufgegeben wurde. Bei dem Wetter konnte man offensichtlich niemandem das Verbleiben auf dem Berg zumuten. Herzlichen Dank für deine Erklärung! Wie war es bei euch damals, welche Beschädigungen haben die Loks davongetragen?

    Viele Grüße,
    Eckhard

  • Moin Schlafwagenschaffner,

    tatsächlich, ich hatte schon lange das Gefühl, dass die Dampflok ihren Namen trägt, da sie mit Dampf fährt. Dass das Wasser aber mit Kohlen erhitzt wird....na sowas.
    Also sooooooo unbescholten bin ich dann doch wieder nicht und dass es rein technisch gehen würde (und wie es aussieht auch gemacht wurde) hat Achim ja sehr schön beschrieben. Vielen Dank!
    Auf die Gefahren für die Mitarbeiter hatte ja Stefan schon hingewiesen und Achim hatte noch den sehr großen Aufwand betont.

    Ich schließe mich Eckhards Frage an: Achim, was war mit Euren Loks damals?

    Liebe Grüße,
    Lenni

  • Die Harzer Volksstimme berichtet heute, dass der Zug nun frei ist und nach Wernigerode gebracht wurde. Dort werden die Schäden begutachtet. Allerdings ist im Artikel nur von Wagen die Rede, die Lok wird nicht explizit erwähnt.

  • Guten Morgen,

    die Wagen standen seit gestern Abend bis eben an der Einsatzstelle, gut sichtbar auf der Webcam (siehe Anhang).

    Nun wurden sie wahrscheinlich zum Auftauen in eine der Hallen gefahren, sahen ja immernoch recht tiefgefroren aus.

    Hoffen wir das Beste für die 34.

    Gruß,
    Minfred

    Admin: Anhang gelöscht, bitte keine Fotos von fremden Webcams kopieren!

    Edit: ok

    Einmal editiert, zuletzt von Minfred (10. Januar 2019 um 08:53) aus folgendem Grund: Rechtschreibfehler ausgebügelt

  • Wie war es bei euch damals, welche Beschädigungen haben die Loks davongetragen?


    Hallo Eckhard,

    außer, dass man die durch das Wasser regelrecht in einem Schnee- und Eispanzer gefangenen Loks sehr mühsam wieder beweglich bekam, ist mir nichts überliefert, was damals kaputt ging. Ich war ja seinerzeit logischerweise nicht dabei und kann mich immer nur auf Berichte der Kollegen stützen. Da kann aber nicht so furchtbar viel kaputt gegangen sein, sonst hätte man das wohl weitererzählt.
    Die wichtigsten Dinge waren ja ohne Wasser und über irgend welche Rohrleitungen, die ggf. ein Loch bekamen, lohnt es sich nicht, zu berichten. Das zu reparieren, war Alltag damals.

    Viele Grüße

    Dampfachim