Aufarbeitung HfB 478 (Henschel 13070 RIIIc)

  • Liebe Bimmelbahn-Freunde,

    nachdem sich ja bereits die Dokumentation rund um den Wismarwagen einiger Beliebtheit erfreut und ich schon an anderer Stelle darum gebeten wurde, möchte ich in diesem Thread ein weiteres, aktuell laufendes Wiederaufbauprojekt aus dem Frankfurter Feldbahnmuseum präsentieren und dokumentieren.
    Die Aufarbeitung läuft bereits seit August 2018 ab der Anlieferung des 'Bausatzes'. Da ich mich bei diesem Projekt als 'freier Mitarbeiter' betätige, und auch mehr oder minder seit Anfang an dabei bin, ist hier die Bilddokumentation etwas dichter.

    Bevor es jedoch los geht ein kleiner Prolog.


    Die Protagonistin:

    Während des ersten Weltkriegs erprobte und beschaffte das Heer verschiedenste Lokomotiven für den Einsatz im Militärwesen, deren bekannteste Vertreterin, die D-gekuppelte "Brigadelok" mit über 2500 gefertigten Exemplaren, den größten Bekanntheitsgrad erreichte.
    Weitgehend unbekannt und teils sogar in der Fachliteratur übergangen war eine 50 PS Loktype mit der Achsfolge Cn2t, die zum großen Teil Die Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel lieferte. Doch auch bei Henschel bestellte die Heeresfeldbahn 1917 4 formschöne Lokomotiven derselben Leistungsklasse, die wahrscheinlich dem Henschel-Lieferprogramm enthalten waren. Wegen der fortschreitenden Beschaffung der D-gekuppelten "Brigadeloks" wurde auf eine weiterführende Beschaffung der Cn2t Maschinen verzichtet, jedoch lieferte Henschel ca. 90 Maschinen dieses Typs an das österreichische Militär, wo die hier bekannte Heeresfeldbahn als 'Rollbahn' bezeichnet wurde.
    Während von den Maschinen der kaiserlich königlichen Heeresbahn (kkHB) 5 Exemplare mehr oder weniger gut erhalten blieben, existiert von den deutschen Henschel-Maschinen lediglich nur noch die Lok mit der Brigadenummer 478.


    Fronteinsätze der Maschine konnten bisher nicht belegt werden, jedoch fanden sich bei der Aufarbeitung Beschriftungsreste der Militär-General Direktion ("MGD 6140H").
    Wie viele andere Heeresfeldbamaschinen wurde auch Henschel 13070 nach dem Krieg an die Privatwirtschaft verkauft und leistete ab 1925 Dienst bei der belgischen Firma Macq in Ecaussines. Vermutlich in den 1960er Jahren wurde die Lok abgestellt und später von einem Eisenbahnfreund erworben.

    2007 erfolgte der Verkauf innerhalb Belgiens, deren Eigentümer die Lok zerlegte und mit der Aufarbeitung begann. Von 2011 bis 1013 wurde das Fahrwerk bei der Grube Fortuna gesandstrahlt und grundiert, danach passierte nicht mehr viel.
    Bilder aus dieser Zeit kann ich hier aus Urherberrechtsgründen natürlich leider nicht zeigen, diese können aber hier eingesehen werden.

    2018 konnte die Lok von Vereinsmitgliedern des Frankfurter Feldbahmuseums nach langjähriger Verhandlung erworben werden.
    Im August ging die Fuhre gen Frankfurt.



    Wie unschwer zu erkennen, war die Lok bereits komplett zerlegt, was zwar Arbeit spart, aber es auch schwierig macht zu beurteilen, ob alles vollständig ist.





    Der allgemeine Zustand der Puzzleteile war ziemlich schlecht. Vieles taugt nur noch um Maße abzunehmen. Da wartet noch viel Arbeit..

  • Hallo
    Es scheinen ein paar Teile mehr zu ein als in/an der Lok waren.Aber es findet sicher alles Verwendung :zwink: .Na denn gutes Gelingen
    Und wir haben ja hier im Forum gelernt und gesehen was durch Können und Fleiß möglich ist :kaffee:

    Gruß
    Harald a.F.

  • Hallo,

    das Frankfurter Feldbahnmuseum ist wahrlich eine Edelschmiede für die 600 mm Spur. Was dort schon für Schrotthaufen zu neuem Leben erwacht sind, ist sehr eindrucksvoll.
    Da wird sich ein Besuch wohl nicht mehr lange aufschieben lassen, zumal meine Frau schon seit längerer Zeit einmal nach Mainhattan möchte. :sing:

    Dieser Bericht wird sicher ähnlich erfolgreich, wie der zum Wismarwagen. Ich freue mich jedenfalls sehr auf weitere Fortsetzungen.

    Viel Erfolg u. beste Grüße

    Holger aus Mahlsdorf a. d. Ostbahn

  • Lieber Rafael,

    na das scheint ja wieder ein äußerst interessanter Thread zu werden. Ein paar Teile der Henschel durfte ich ja schon live bewundern.
    Einfach toll, was ihr auf die Beine stellt und Dein Erzählstil ist auch wirklihc sehr ansprechend!

    Holger: Mainhatten lohnt sich wirklich sehr in vielfacher Hinsicht!!! Die stadt ist viel besser als ihr Ruf, nur die Zeil sollte man tatsächlich meiden und bei "Best Worscht in town" sollte man sich nicht zu hoch hinaus wagen.....sosnt wird es seeeeehr scharf;)))

    Liebe Grüße,
    Lenni

  • Guten Abend,

    danke für die netten Worte! Damit steige ich dann auch gerne in die ersten Wochen der Aufarbeitung. Zeitlich bewegen wir uns von ca. Mitte August bis September.

    Zunächst wurde die Maschine intensiv untersucht um das Ausmaß der Schäden feststellen und eine sinnvolle Reihenfolge der Arbeitsschritte festzulegen.
    Gestartet wurde dann mit der Bearbeitung des Rahmens. Dieser war zwar bereits gesandstrahlt und grundiert, musste jedoch an verschiedenen Stellen geschweißt werden, vor allem der im dem Blechrahmen befindliche Wasserkasten wies einige Löcher auf und war zudem auf nicht besonders geschickte Weise oben aufgeschnitten worden. Auch hat der Vorbesitzer die Rohrführungen der Stangen entfernt, auf denen später die Tragfedern und Ausgleichshebel lagern. Die Originale waren nicht mehr auffindbar, also einmal neu bitte.



    An verschiedenen Stellen mussten Rahmenbleche gerichtet, geschweißt und teils sogar ausgeschnitten und ausgetauscht werden. Andere Teile, wie die Träger der Wasser/Kohlekästen brauchten ein wenig gutes Zureden und Kraft, bis sie wieder in der gewünschten Lage waren.



    Wie auf den Bildern im ersten Beitrag ersichtlich weist der Rahmen, aber auch viele andere Teile nach über 100 Jahren tiefe Rostnarben auf. Aus kosmetischen Gründen wurden diese am Rahmen daher verspachtelt und verschliffen und später erneut grundiert und lackiert. Soll ja später auch ansehnlich sein.



    Parallel bekam der hintere Puffer mit Pendelkupplung etwas Liebe. Da nicht mehr vorhanden, war hier die Neuanfertigung eines Zughakens aus altbrauchbarem Material, sowie Bolzen notwendig. Unser Werkstattleiter, und einer der Eigentümer der Lok, ist eine wahre Koryphäe an der Drehbank. Das war erst der Auftakt zu noch vielen gedrehten Werkstücken, die noch folgen sollten.





    Fertig zum Lackieren! Das zukünftige Farbkleid sollte auch wenig später zu einem heiß diskutierten Thema werden.. :irre:


    Grüße aus Frankfurt,
    Rafael

  • Guten Abend,

    weiter mit der RIIIc!

    So eine Lok aufzuarbeiten, gerade wenn sie so verrottet ist, hat oftmals nicht so viel von dem Pathos, den dann später so eine funktionierende historische Maschine hat. Viel davon ist stunden-,tage und wochenlanges Entrosten, Reinigen, und Lackieren von irgendwelchen Teilen, die mal mehr und mal weniger spektakulär und anspruchsvoll sind. Doch auch diese Arbeiten sollen euch nicht vorenthalten bleiben:

    Als ich in den Gitterboxen des Teile-Salates nach Arbeit suchte, fielen mir recht schnell die beiden Trittstufen am Führerhaus in die Hände. Beiden sieht man den ausgiebigen Gebrauch in der Vergangenheit sehr deutlich an. Dennoch sollen sie so erhalten bleiben, denn auch das gehört zur Geschichte der Maschine.




    Die an der Oberseite zu sehenden Reste der Niete mussten soweit möglich abgetrennt und herausgeschlagen werden.

    Links im Bild und bereits ebenfalls grundiert, liegt eines der beiden Abdampfrohre zur Rauchkammer.

    Wenig später ging es der Steuerwelle an den Kragen. Hier wurde es dann etwas anspruchsvoller. Hier galt es neben einer Befreiung von der braunen Pest auch die Lager und Lagerböcke zu reinigen prüfen und ggf. in Stand zu setzen. Die Demontage wurde begleitet von diversen Kraftausdrücken und bedurfte einiger körperlicher Energie.


    Unter dem ganzen Dreck und Rost kam dafür doch erstaunlich intaktes und schön blankes Metall zum Vorschein, ebenso wie die eingeschlagene Fabriknummer. Damit können wir sicher sein, dass es sich um ein Originalteil, und zugehörig zu unserer Lok, handelt.



    Zwischenergebnis!


    Nach dem Entfernen von Rost und Dreck wurden die Lagerböcke näher in Augenschein genommen. Der Zustand war so gut, dass außer dem ausgiebigen Reinigen der Lagerschalen und Ölbohrungen keinerlei Arbeiten nötig waren.

    Die Grundierung der fertigen Steuerwelle trocknet in bester Gesellschaft neben der 'Brigadelok' HfB 312, unserer Lok 8, samt Wasserwagen.


    Parallel zu den gezeigten Arbeiten wurden neue Ansaugrohre und Flansche für die Speisepumpen angefertigt, eingeschweißt, montiert und später mit Rostschutzfarbe behandelt.



    Zum Abschluss dieses Beitrags noch ein Bild der montierten Trägerplatte für den Führerhausboden. Ich möchte es gerne zeigen, da auf diesem Bild sehr deutlich ist wie der Zahn der Zeit ausgiebig an der Guten genagt hat. Da außerhalb des Sichtbereichs werden diese Rostnarben lediglich gereinigt und vor weiterer Korrosion geschützt. Die noch vorhandene Materialdicke macht keinen Austausch notwendig.


    Im nächsten Beitrag wird das Geheimnis um die Farbe gelüftet und natürlich wieder im Dreck gewühlt und der Pinsel geschwungen.
    Bis dahin!


    Grüße aus Frankfurt,
    Rafael

  • Hallo Zusammen,

    Neues von der RIIIc!


    Als nächstes ging es dem Rost der Bremswelle, der zweiten Trittstufe, dem zweiten Abdampfrohr und dem am Unterboden des Wasserkastens befindlichen Deckel des Wasserkastens an den Kragen.


    Dem folgten alsbald die Tragfedern. Wer von euch jetzt beim Durchzählen die Stirn runzelt: Ja, es sind fünf. Die sechste Feder wurde wegen eines Bruchs einer der Lagen zur Aufarbeitung an eine externe Firma gegeben werden. Bei der Begutachtung der Federn stellte sich außerdem heraus, dass nicht mehr alle Originale , sondern unbekannter Herkunft sind. Teilweise mussten die 'Ersatzfederpakete' angepasst werden, damit wir sie verwenden konnten.
    Auch das maschinelle Entrosten war wegen der vielen Kanten und Ecken eine tagfüllende Aufgabe.


    Ebenfalls auf dem Bild die Halter für die Bahnräumer (die übrigens auch noch komplett fehlen). Diese wurden offensichtlich ein- oder mehrmals kaltverformt, was mit der Hydraulikpresse aber recht leicht korrigiert werden konnte.


    Das geübte Auge hat in meinem ersten Beitrag vermutlich bereits erkannt, dass die Spurkränze der Radsätze zwar noch prima zum Schneiden von Pizza oder Flammkuchen geeignet sind, jedoch den Ansprüchen für einen sicheren Eisenbahnbetrieb nicht mehr genügen.
    Da wir zwar über allerlei Werkzeug und Maschinen, jedoch nicht über eine Radsatzdrehbank verfügen, wurde diese Arbeit bei der MaLoWa Bahnwerkstatt in Benndorf erledigt. Frisch und um über 20 mm abgedreht erreichten sie am 31. Oktober Frankfurt.


    Unterdessen erhielt der Rahmen seine vorläufige Lackierung. Über die Wahl der Farbe hatten die Beteiligten im Vorfeld unterschiedliche Auffassungen. Schlussendlich einigte man sich darauf den Rahmen, Räder Kessel und Anbauteile schwarz zu lackieren. Das Führerhaus sowie Kohle- und Wasserkästen werden einen grauen Anstrich tragen. Historisch lässt sich die korrekte Lackierung nicht mehr ermitteln. Von der RIIIc bei der Heeresfeldbahn gibt es so gut wie keine erhaltenen und aussagekräftigen Fotos.


    Im nächsten Beitrag beschäftigen uns der vordere Puffer und die Achslager, bei denen es leider auch nicht einfach mit einem Wiedereinbau getan war.


    Bis dahin & Grüße aus Frankfurt,
    Rafael

  • Ei spitsemäsij, wie der Hesse sagt! Die Farbgebung erscheint mir recht logisch und ist doch dann mal eine andere Variante bei Euch. Eure 110C hat zwar dieselbe Farbgebung, aber, so sehr ich die Lok eigentlich mag, sie ist bei Euch ja schon fast die Monsterlok und passt nicht ganz so schön in den Fahrzeugpark.
    Ich bin jedenfalls gespannt wie die neue Kleine im grauen Gewand erscheint.....

    Liebe Grüße,
    Lenni

  • Moin Lenni!

    ja, die HF110C ist für unsere verhältnisse schon eine große Lokomotive, passt jedoch meiner Meinung nach gut zum restlichen Heeresfeldbahn-Fuhrpark ('Brigadelok', En2t, RIIIc, HF130C, diverse Brigadewagen, Lazarettwagen, usw.). Aus der Reihe fehlen dann eigentlich nur noch ein Zwilling, eine HF70C, HF160D und die HF210E. :frech:


    Farblich wird sich die RIIIc etwas von der HF110c abheben, da der Grauton wahrscheinlich dunkler werden wird. Als Vorbild dient da etwas die derzeit andere einzig betriebsfähige RIIIc (Nr. 426, kkHB) , die ihre Runden in einem belgischen Tierpark dreht.


    Gruß,
    Rafael

  • Hallo

    Die Lok braucht sich nicht hinter den vielen Normalspurdampfloks verstecken, denn in ihrer Klasse stellt sie was da und kann sich mit den Schwestern in den anderen Spurweiten messen . Selbst die graue Farbgebung steht ihr und hebt sich von den anderen Loks ab . Ich hoffe sie mal im Original zu sehen und den anderen Fahrzeugpark vor Ort.

    Glück auf
    Armin Ahlsdorf