Hallo liebe Eisenbahnfreunde,
in dem Bericht über meine Harzbesuche hatte ich den Abstecher zur Erfurter Traditionsbahn erwähnt und wurde gefragt, ob ich darüber einmal berichten kann. Zwar hatte ich vor langer, langer Zeit wohl schon einmal Fotos der Traditionsbahn gezeigt, aber die sind im Nirvana des Internets seit Ewigkeiten verschwunden. Also dann, gehen wir zurück in der Zeit und begeben uns nach Erfurt.
Die Traditionsbahn
Was ist eigentlich eine Traditionsbahn? Jüngere Leser mögen sich unter diesem Begriff nichts vorstellen können. Darum eine kurze Erklärung.
Spätestens in den 60ern begannen weitsichtige Eisenbahner und Eisenbahnfreunde in der DDR eine umfangreiche Sammlung historischer Eisenbahnfahrzeuge und Utensilien zusammenzustellen. Als Träger kam eigentlich nur das Verkehrsmuseum Dresden in Frage, für das eine umfangreiche und bis zum Ende der DDR immer weiter ergänzte Liste an schützenswerten Fahrzeugen erstellt wurde. Diese Fahrzeuge wurden dem Museum von der Deutschen Reichsbahn überschrieben. Das Museum kümmerte sich damals hauptsächlich um nicht mehr betriebsfähige Fahrzeuge und stellte sie in den eigenen Räumlichkeiten im Dresdner Johanneum, aber auch an verschiedensten Orten der DDR aus und ab. Darüber hinaus betrieb die DR eine auch ziemlich stolze Zahl an historischen und immer noch betriebsfähigen Fahrzeugen. Die Grenze zwischen Eigentum des Verkehrsmuseums und Eigentum der DR war nicht ganz einfach zu ziehen. So waren z.B. verschiedene Schmalspurloks dem Museum zugeordnet, standen bei der DR aber noch im täglichen Betriebsdienst.
Man wollte natürlich nicht nur ein statisches Museum, sondern diese Schätze nach Möglichkeit auch der Nachwelt im Betrieb vorführen. Vorbild dafür mögen die im Ausland schon Jahre zuvor aufkommenden Museumsbahnen gewesen sein, aber man fand in der DDR nicht nur einen anderen Namen, sondern auch eine andere Trägerschaft.
Hier wurde mit der Eröffnung der ersten Traditionsbahn auf der Schmalspurbahn Radebeul Ost – Radeburg im Jahre 1974 der Grundstein für diverse ähnliche Aktivitäten gelegt.
So entstand neben der Traditionsbahn in Radebeul, ein regelspuriger Traditionszug mit zweiachsigen Wagen in Velten bei Berlin, S-Bahn-Traditionszüge in Berlin, ein Traditionseilzug in Zwickau und auf den Schmalspurbahnen im Harz und an der Ostsee ebenfalls Traditionszüge und in Putbus eine kleine Freiluftausstellung.
Anders als bei westlichen Museumsbahnen, wo alle diese Aktivitäten ausschließlich Vereinen vorbehalten waren, die DB verbot den Betrieb mit Dampflokomotiven 1977 ja sogar, trat in der DDR die Deutsche Reichsbahn überall als Betreiber auf und unterstütze diese Vorhaben umfangreich. Betreut wurden all diese Traditionsaktivitäten in den meisten Fällen von Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Modelleisenbahn Verband der DDR DMV, beim Molli von einer Interessengemeinschaft des Kulturbundes der DDR. Neben den Berufseisenbahnern halfen auch extra ausgebildete Eisenbahnfreunde in bestimmten Funktionen des Bahnbetriebs aus, vor allem als Zugschaffner, aber auch als Heizer auf den Dampfloks.
Der Begriff Museumsbahn war verpönt.
Ab 1982 auch in Erfurt
Seit 1974 wurde neben dem planmäßigen Zugbetrieb auf der Schmalspurbahn Radebeul Ost – Radeburg zunehmend erfolgreich die erste Traditionsbahn der DDR betrieben.
Eine umfangreiche Fahrzeugschau im Jahre 1982 gab endgültig den Anlass, in Erfurt West die zweite Traditionsbahn der DDR zu etablieren.
Die ehemalige Kleinbahn Erfurt – Nottleben führte ab 1926 von Erfurt Nord nach Nottleben. Zunächst wurde das Erfurter Stadtgebiet im Westen umrundet und dann in westlicher Richtung verlassen. Die Kleinbahngesellschaft nutzte auf den ersten Kilometern bis Marbach ein schon bestehendes Anschlussgleis. In Erfurt West entstand der Betriebsmittelpunkt mit Lokstation und der Verwaltungssitz der Gesellschaft.
Wurde der Personenverkehr nach Nottleben wegen Unrentabilität schon 1967 aufgegeben, blühte der Güterverkehr im Speckgürtel von Erfurt auf. Die Bahn wurde bis Bindersleben zurückgebaut, bis dorthin aber im Güterverkehr weiter betrieben. In Bindersleben bestand Anschluss an den Flughafen Erfurt. Mit dem Bau neuer Wohngebiete im Norden der Stadt, wurde zwischen dem Hauptbahnhof und dem an der ehemaligen Kleinbahn neu erschlossenen Endpunkt Berliner Straße ein S-Bahnbetrieb mit Elloks und Doppelstockwendezügen aufgenommen.
1982 wurden nun anlässlich einer Fahrzeugschau im Bahnhof Erfurt West erstmals Traditionszüge mit den Loks 74 1230 und 94 1292 und 4 historischen Plattformwagen zwischen Erfurt Hbf und Erfurt West gefahren. Das war die Geburtsstunde der neuen Traditionsbahn Erfurt West. Eine Arbeitsgemeinschaft des DMV mit Unterstützung der DR konnte nicht nur wertvolle Fahrzeuge in Erfurt zusammensammeln, sondern auch Gleisanlagen und Oberbauten teilweise reparieren und ergänzen.
Vor allem wochentags verkehrten nun also normale Güterzüge vor allem mit V 100 oder V 60, an einigen ausgewählten Wochenenden herrschte Traditionsbetrieb. Als Personenwagen nutzte man bis 1987 vier Plattformwagen des Verkehrsmuseums Dresden, die in einem Militärobjekt überlebt hatten und nach ihrer Abstellung in Erfurt Bestandteil des Traditionszug Nord in Schwerin wurden, wo sie sich aktuell betriebsunfähig, aber museal erhalten befinden.
Das Bw Erfurt verfügte schon lange nicht mehr über historische Triebfahrzeuge, die für einen Traditionsbetrieb in Frage kamen. So überführte die DR für die Fahrtage jeweils aus der gesamten Republik für den Traditionsbetrieb geeignete Lokomotiven nach Erfurt und setzte sie dort auch mit ihren Stammpersonalen ein. Es kamen vorwiegend die bekannten Traditions- und Museumslokomotiven, aber auch Lokomotiven des Betriebsparks, oder sogar offizielle Heizloks nach Erfurt. Die Liste der dort im Traditionsbetrieb eingesetzten Loks ist lang und ich kann sie bestimmt nicht vollständig wiedergeben:
38 1182, 41 1185, 50 2740, 50 3576, 52 6666, 64 007, 65 1049, 74 1230, 86 1049, 86 1333, 86 1501, 89 1004, 89 6009, 91 6580, 94 1292 und V 36 027
Außerdem wurden in Erfurt West mindestens 1982 und 1985 große Fahrzeugausstellungen mit Lokomotiven vieler weiterer Baureihen gezeigt. Als ständige Ausstellung waren einzelne Dampfloks vor Ort und wurden an Fahrtagen präsentiert. Auch im Rahmen von internationalen Veranstaltungen des Modellbahnverbands wurde die Traditionsbahn befahren. Ging der normale Traditionsbetrieb zunächst nur von Erfurt Hbf nach Erfurt West, so wurde später auch die Gesamtstrecke bis Bindersleben einbezogen.
Da musste man hin
Als Eisenbahnfreund musste man das doch mal gesehen haben. Ich war 1985 noch Schüler und hatte in der Gegend keine Verwandtschaft, aber im Sommer 1985 ergab sich im Rahmen des „Lager für Arbeit und Erholung" die Möglichkeit. Wir waren für zwei Wochen in einer Erfurter Schule am westlichen Stadtrand untergebracht, mit Sicht auf große Kornspeicher mit Bahnanschluss an der Westbahn. Vormittags ging es zur Schülerarbeit (mit Entlohnung und Verpflegung) auf die Blumenfelder des VEG Saatzucht Zierpflanzen Erfurt, der Nachmittag und das Wochenende war frei. Leider aber war kein Traditionsbetrieb in dieser Zeit angesetzt.
Aber ich streunte so manchen Abend um den Bahnhof Erfurt West, bis ich dort tatsächlich ein Vereinsmitglied antraf und von dem freundlichen Herrn bereitwillig im Gelände geführt wurde. Auch ein weiterer Besuch war erfolgreich, aber es war eben kein Fahrbetrieb, leider.
Mich erfreuten aber die gepflegten Anlagen dieses hübschen Bahnhofs. Der Lokschuppen erhielt wohl gerade ein neues Dach. Die darin abgestellte 91 6580 hatte von oben keinen Schutz. Interessante Fahrzeuge gab es auch ohne Fahrbetrieb zu sehen und leider weiß ich viel zu wenig über sie. Ein Schneepflug auf dem Rahmen einer preußischen Dampflok, ein Kinowagen, wunderhübsche Zwei-,Vier und Sechsachser und die kleine Dampflok 89 6311 standen im Freigelände.
Im Souvenirverkaufswagen konnte ich gleich noch einige Ansichtskarten und drei Broschüren erstehen. Viel Taschengeld war dafür nicht übrig und Lohn hatten wir noch nicht bekommen.
Von der Brücke der Binderslebener Landstraße hatte man einen ersten Blick über den Bahnhof Erfurt West. Unter mir erreichte das Gleis aus Erfurt Nord den Bahnsteig am Empfangsgebäude. Die Gleise fächerten sich erst im weiteren Verlauf auf. Das Gelände präsentierte sich äußerst gepflegt. Rechts schaut gerade noch der Giebel des Lokschuppens hervor.
Das Empfangsgebäude war ab 1926 der Verwaltungssitz der Kleinbahn Erfurt – Nottleben. Heute ist es der einzige erhaltene Hochbau des Bahnhofs. Links oben ist die Binderslebener Landstraße mit der Straßenbahnlinie zu erkennen, die hier auf einer Bogenbrücke das Gleis überspannt. Am EG war ein Personenwagen für den Souvenirverkauf aufgestellt. Sehr interessant auch der Elektrokarren der Mitropa daneben. Ein solches Fahrzeug habe ich anderswo wohl nie gesehen. Auf der Bank sitzen zwei Personen. Ich fasste mir ein Herz und rief herüber, ob ich sie besuchen dürfe und wurde von einem zu einer Besichtigung eingeladen.
Nachdem sich einer der Anwesenden nach einiger Zeit verabschiedet hatte, führte mich der andere – übrigens ein Vereinsmitglied mit Schlüsselgewalt – über den Bahnhof. So dicht hatte ich mich natürlich ohne Begleitung nicht herangetraut. Hinter dem Bahnsteig fächerten die Gleise zu vier durchgehenden Gleisen auf. Das Hauptgleis und das dritte Gleis blieben für die Güterzugfahrten frei. Andere Gleise waren durch Fahrzeuge der Traditionsbahn belegt. Rechts der Giebel des Lokschuppens, der zu dieser Zeit seines Daches beraubt war. Links der Erfurter Traditionszug, in der Mitte eine weitere Garnitur von Ausstellungsfahrzeugen.
Der Wagen an der Rampe links soll nach Bekundungen meines Begleiters ein Kinowagen gewesen sein. Derartigen Service konnte man einstmals in Fernzügen tatsächlich genießen. Gibt es den Wagen noch?
Sehr markant stand auf dem mittleren Gleis ein Schneepflug, den man auf dem Fahrgestell einer preußischen P 4.2 aufgebaut hatte. Was ist wohl aus ihm geworden?
Bekannt und nachlesbar ist die Geschichte des Personenwagens 310-441, der mit den drei dahinter stehenden Wagen heute in Schwerin zu Hause ist. Überlebt hatten die vier Wagen in einem NVA-Objekt und kamen 1972 zurück zur DR und damit in den Bestand des Verkehrsmuseums Dresden. Wer etwas über diesen Wagen und die Wagen 310-353, 310-833 und 330-617 erfahren möchte, dem empfehle ich einen Blick auf die Homepage der Mecklenburgischen Eisenbahnfreunde.
Zum Zug gehörte damals ein von mir nicht weiter beachteter Gepäckwagen. Auch sein Verbleib ist mir nicht bekannt.
89 6311 führte den kleinen Ausstellungszug an. 1936 bei Henschel für eine Sprengstofffirma in Schönebeck gebaut, kam sie dann bis 1965 als Werkslok im Raw Engelsdorf zur Reichsbahn, bekam aber nie eine DR-Nummer. Ihre aktive Karriere beendete sie bei der Hafenbahn in Torgau, von wo sie 1976 schließlich zu den Eisenbahnfreunden nach Erfurt kam und nach der Abwicklung der Traditionsbahn nun im Bw Arnstadt hist. besichtigt werden kann. Die Nummer ist fiktiv in Fortführung der bei der DR bestehenden Nummernreihe dieser Bauart ausgewählt worden.
Vor dem Lokschuppen hatten die Traditionsbahner inzwischen eine funktionierende Bekohlungsanlage mit einem kleinen Kohlekran und einem Wasserkran geschaffen.
Mein Begleiter schloss mir den Schuppen auf. Ich durfte aber nicht hinein, nur durch das offene Tor hineinblicken. Die wackelige Dachkonstruktion, besser die Reste davon, ließen ihn vorsichtig sein.
Vor uns stand die Dampflok 91 6580, eine 1938 für die Ilmenau-Großbreitenbacher Eisenbahn erbaute Tenderlok, die nach ihrer Karriere bei der DR im Dienste der kommunalen Erfurter Industriebahn überlebt hatte. 1990 betriebsfähig aufgearbeitet, konnte sie sogar noch auf der Traditionsbahn eingesetzt werden und zog dann bis zum Fristablauf Sonderzüge in Thüringen. Heutige Heimat auch bei ihr, Arnstadt.
Neuer Tag, neues Glück könnte man sagen. Wieder blicke ich vom gegenüberliegenden Hang auf den abendlichen Bahnhof Erfurt West. Zu dem Kinowagen hat sich ein unbekannter Sechsachser gesellt, der vorher hinter der 89 6311 gestanden hatte. Dieser Wagen erregte offenbar auch das Interesse zweier Personen. Ich erkannte wiederum meinen Begleiter vom letzten Mal und durfte auch wieder zu ihm kommen.
Ein diesmal kürzerer Streifzug verriet mir immerhin, dass man die 89 6311 aus irgend einem Grund vor den Lokschuppen rangiert hatte. Anschließend konnte ich einige Andenken erwerben und mich noch lange mit den Eisenbahnfreunden unterhalten.
Jetzt richtig mit Volldampf
Im Sommer 1988 begab ich mich mit meinen Freunden Ingo und Uwe auf eine Rundreise durch die DDR. Nach fast einer Woche im Harz stand nun ein Tag Traditionsbahn Erfurt West auf dem Programm. Der Modelleisenbahner hatte ein recht umfangreiches Programm angekündigt. Mehrere Loks gaben sich ein Stelldichein. Das versprach interessant zu werden.
Einen Tag zuvor reisten wir vom Harz zunächst nach Weimar. Die Stadt von Goethe und Schiller liegt sozusagen einen Steinwurf von Erfurt entfernt und sollte auch für die kommenden Tage eine gute Ausgangsbasis werden.
Wir hatten noch etwas Zeit und schlenderten in die Einsatzstelle Weimar. Dort kochte ein Dampfspender auf Basis einer Reko-P 10 Dampf, aber das interessierte uns nicht weiter. Nach Meldung beim Lokleiter durften wir das Gelände unsicher machen. Und da stand eine vollständige und betriebsfähige 41 in der Sonne. Nach Auskunft des Lokleiters sollte die 41 1025 eigentlich sogar an dem Wochenende zur Traditionsbahn aufbrechen, aber man hatte auf Grund des schon nicht mehr ganz gesunden Zustands der Lok davon abgesehen.
Im schönsten Abendlicht steht 41 1025 in Weimar. Sie war hier als Heizlok stationiert, noch immer betriebsfähig und wurde von jungen Kollegen gepflegt. Wie wir vom Lokleiter hörten, sollte sie in Erfurt West dabei sein. Weil sie aber nun doch nicht mehr ganz sorgenfrei lief, sah man davon ab. Bis 1986 dampfte sie mit ihren Schwestern im nicht weit entfernten Saaletal im Plandienst. Nach dieser Aufnahme baute sie das Raw Meiningen als nicht betriebsfähige Heizlok (nHL) um und so überlebte sie in Staßfurt, bis sie schließlich nach Hermeskeil verkauft wurde.
Der nächste Tag war trüb und wettertechnisch nicht gerade einladend. Meine Fotos sprechen da eine deutliche Sprache. Der erste Zug der Traditionsbahn sollte am frühen Vormittag in Erfurt Nord starten, wo uns zunächst die leer durchfahrende 65 1049 begegnete. Für welche Zugleistung sie eingeteilt war, weiß ich nicht. Sie war auf jeden Fall auf der angrenzenden Hauptbahn nach Nordhausen zu finden und es blieb an dem Tag unsere einzige Begegnung mit ihr.
Für uns stellte die 86 1501 den Veltener Traditionszug bereit. Nach dem Ausscheiden der Erfurter Zweiachser musste der Veltener Zug nun auch hier eingesetzt werden.
Unsere Zugfahrt ging mit Aufenthalt in Erfurt West bis Bindersleben.
In Erfurt West erblickten wir die nächste Dampflok des Tages. Vor dem Lokschuppen hatte sich die 50 2740 bereit gemacht. Für die Sondereinsätze hatte sie extra Spitzziffernschilder bekommen. Überhaupt nicht geheim blieb, dass die 50 sozusagen auf Abschiedstour war. Sie war an die Ulmer Eisenbahnfreunde verkauft und wir wussten bereits, dass sie nun bald die DDR verlassen würde, damals in schier unerreichbare Gefilde. Um die großohrige 50 1002 hatten Eisenbahnfreunde damals vehement gekämpft und einen Verkauf einstweilen verhindert. 50 2740 war nun das nächste „Opfer". Traurig war ich schon, denn ein Wiedersehen schien unmöglich.
Als vierte Lok im Bunde sollte später noch die Hagenower V 36 027 auftauchen, die mich irgendwie auch nicht so sehr interessierte.
Die in Staßfurt beheimatete Traditionslok 65 1049 kam in den Bahnhof Erfurt Nord gerollt. Woher und wohin haben wir damals nicht weiter erfragt. Wir sahen sie an diesem Tag auch nicht wieder, erfuhren aber, dass sie auf der Hauptbahn unterwegs war.
86 1501 vom Bw Aue, Est. Annaberg-Buchholz Süd schob unseren Traditionszug Velten heran. Bis in den Mai 1988 war sie fast täglich im Betriebsdienst auf der Erzgebirgsstrecke Schlettau – Crottendorf von unzähligen Kameraaugen eingefangen worden. Auf jeden Fall kannten wir den Lokführer schon aus dem Erzgebirge.
Aufenthalt in Erfurt West. Damals wie heute springt immer irgend jemand ins Bild. Damals war ich noch nicht so selbstbewusst, ihn zurückzuweisen und fotografierte trotzdem. Fotos ohne Menschen hätten dem Anlass auch nicht Rechnung getragen. Traditionsfahrten waren ein Massenereignis und mobilisierten die Menschen, auch wenn die Dampflokzeit praktisch noch immer nicht ganz vorbei war und ein Stück weiter nördlich noch immer drei letzte 50.35 durch die Magdeburger Börde schnauften.
Sozusagen Star der Veranstaltung war die Nossener 50 2740, eine der letzten Altbau-50 der DR. Dass sie zu dieser Zeit bereits verkauft und eigentlich auf dem Weg in den Westen war, konnte schon nicht mehr verborgen werden. Auch der Kohlenkran hatte sich gemausert und hatten ein Schutzhäuschen bekommen. Nach der Vorbereitung ihrer Lok reinigte sich das Nossener Personal gerade. Mit dem Lokführer sollte ich fast genau 20 Jahre danach sogar Dienst auf dem Rasenden Roland haben. Aber das war eine andere Geschichte.
Da unser Traditionszug an diesem Vormittag bis Bindersleben verkehrte, hieß es also wieder einsteigen und weiter ging es. Ich hatte einen Logenplatz im Führerstand, aber musste ihn wohl mit gefühlt 10 weiteren Mitfahrern teilen. Wie sich das Lokpersonal dort überhaupt bewegen konnte, ist mir bis heute noch schleierhaft. Jedenfalls gab es etwas hinter Erfurt West in einem Steigungsabschnitt eine Scheinanfahrt.
Der Endbahnhof ist erreicht. Nach meiner Erinnerung war hier nichts, nur lange Gleise und das abzweigende Anschlussgleis zum Flughafen Erfurt.
Nach dem Umlaufen setzt die 86 wieder an den Zug, bevor es zurück nach Erfurt ging. Links zweigt das Gleis zum Flughafen ab. Was wurde da angeliefert? Kerosin für die Flugzeuge, oder Kohle zum Heizen der Flughafengebäude?
Zurück in Erfurt West. Nachdem sich hier schon die V 36 027 an den Zugschluss des in Richtung Hauptbahnhof fahrenden Zuges gemogelt hat, setzt sich auch noch 50 2740 dahinter. Wie man sieht, hat der Lokschuppen inzwischen wieder ein Dach.
Mit Schlussscheibe ausgestattet wartet die 50 auf die Ausfahrt des Zuges. Rechts hat sich die schon bekannte 89 6311 am Empfangsgebäude aufgestellt.
Diese Lok kannten wir noch nicht. Nach ihrer aktiven Zeit bei der DR wurde die 74 231 bei der Erfurter Industriebahn noch gebraucht und kam anschließend als Denkmal zu einer DR-Betriebsberufsschule in Erfurt. Schließlich gelangte auch sie zur Traditionsbahn und konnte dort ausgestellt werden, diesmal leider ohne Schilder. Dafür hatte aber jemand die Rauchkammertür geöffnet, wo der abgestürzte Funkenfänger sichtbar wird. Die preußische T 11 wurde an die Museumseisenbahn Minden verkauft und kam dort vor dem Preußenzug wieder in Fahrt. Nach einem Kesselschaden ist sie jetzt außer Betrieb.
Wir sind wieder an der freien Strecke hinter Erfurt West und erwarten hier die Nossener 50 2740 mit einem Güterzug nach Bindersleben. Ob es ein regulärer Güterzug war, oder ein rein für Fotozwecke beförderter Wagenpark hin und hergezogen wurde, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall musste die Lok an dieser vom Vormittag schon bekannten Stelle etwas arbeiten. Ingo legte seinen Kassettenrekorder ins Gleis und wollte Lok und Rollgeräusche aufzeichnen. Just an dieser Stelle betätigte der Heizer den Abschlammer. Das Gerät hat diese heiße Dusche natürlich nicht überlebt. Die Aufzeichnung brach nach etwas Geklapper der Lok und dem Rauschen des Abschlammers mit einem lauten Ruf Sch… unseres Ingo, der genau daneben am Gleis stand, ab. Unser Gelächter war nicht aufgezeichnet.
Der Traditionszug ist mit der V 36 inzwischen wieder in Erfurt West eingefahren und auf Gleis 2 abgestellt worden. 50 2740 kommt mit dem Güterzug aus Bindersleben zurück. Ob sie damit weiter in Richtung Erfurt Nord dampfte, oder ob sie hier abspannte, weiß ich nicht mehr.
Dafür spannt V 36 für die nächste Fahrt zum Hauptbahnhof vor den Personenzug. Die V 36 027 war als Traditionslok der DR im Bw Hagenow Land beheimatet. Die Reichsbahn setzte diese aus einer Wehrmachtsdiesellok WR 360 C 14 hervorgegangene Baureihe bis Mitte der 70er in den Bahnbetriebswerken Neuruppin und Wismar ein. Besonders imposant war das Geräusch des langsam laufenden Dieselmotors.
Wieder im Zug können wir das Vorziehen an den Bahnsteig beobachten und dabei noch einen Blick auf 74 231 erheischen. V 36 027 musste stets zweimännig besetzt werden, weil der Lokführer wegen des voluminösen Vorbaus keine Sicht nach links hatte. Quasi wie ein Lokheizer hatte der Beimann seinen Platz und beobachtete Gleise, Signale und natürlich die Zeichen des Rangierleiters.
Alle Fotos: Achim Rickelt
Was wurde daraus?
Nachdem es 1990 noch normalen Traditionsbetrieb in Erfurt gegeben hatte, wurde es nach der Wende schnell ruhig um diese Traditionsbahn. Der Güterverkehr nach Bindersleben wurde bis 1992 aufgegeben und den Traditionsbahnern gelang der erfolgreiche Neuanfang als Verein nicht. Die Strecke als Verein zu kaufen und den Traditionsbetrieb in Eigenregie durchzuführen, war nicht nur finanziell unmöglich. So starb nach nicht einmal 10 Jahren dieses schöne Projekt in Thüringens Landeshauptstadt.
Wohin die Fahrzeuge kamen, kann ich nur teilweise nachvollziehen.
Die vier Plattformwagen des zunächst eigenen Traditionszuges 310-353, 310-441, 310-833 und 330-617 gelangten im Schweriner Traditionszug wieder in Betrieb, Lok 74 231 wurde 1993 an die Museumseisenbahn Minden verkauft und war lange Zeit sogar betriebsfähig, Lok 89 6311 wird im Eisenbahnmuseum Arnstadt hist. ausgestellt und 91 6580 war in den 90ern für einige Jahre von Anstadt aus im Sonderzugdienst und ist dort heute auch Ausstellungsstück.
Wo der übrige Fahrzeugbestand verblieben ist, kann ich nicht sagen.
Gleisanlagen, Lokschuppen und Anlagen wurden noch in den 90ern abgerissen und das Bahngelände in Erfurt West mit einem Wohngebiet bebaut. Einzig das Empfangsgebäude zeugt mit der Anschrift Erfurt West noch heute von der Vergangenheit als Bahnhof.
Viele Grüße
Euer Dampf – Achim Rickelt