Hallo zusammen,
die Diskussion in Michas aka 99 99 572 Beitrag über Tonwerte, Helligkeitsverteilung und die Anmutung analoger Aufnahmen verfolge ich sehr interessiert und möchte dazu ebenfalls einen Vergleich zwei unterschiedlicher Ausarbeitungen zur Diskussion stellen.
Ich muss sagen, dass ich bis heute überzeugter „Analoger“ bin und überwiegend im 6x7-Mittelformat sowie auf 13x18cm-Planfilm fotografiere. Zusammen mit einem sehr guten Freund widme ich mich zudem schon seit einigen Jahren der Aufnahme analoger Loktypen-Portraits, ganz so wie wir sie von den Fotografen um Maey, Hubert und Bellingrodt kennen – ohne diese nachahmen zu wollen, aber freilich auch ohne deren Meisterschaft und Produktivität erreichen zu können.
Wir verwenden dabei ebenfalls analoge Fachkameras mit 13x18cm-Negativformat, können jedoch heute auf leistungsfähigere Objektive sowie modernes S/W-Filmmaterial zurückgreifen.
Jüngst hatten wir die Gelegenheit, die 99 3462 in Mühlenstroth aufnehmen zu dürfen: An einem kalten Dezembermorgen posierte diese wunderschöne Lok für mehrere Ansichten auf der reifüberzogenen Wiese am Gleisdreieck. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verein Dampfkleinbahn Mühlenstroth für die Gastfreundschaft!
Die ersten Negative sind nunmehr entwickelt und eine Ansicht bereits gescannt. Wie immer bei der Ausarbeitung von Rohdaten (egal ob analog oder digital) kann man diese in viele Richtungen bearbeiten.
Hier möchte ich zunächst jene Version präsentieren, die ich als „technisch korrekt“ bezeichnen würde: Alle Bereiche sind sauber durchgezeichnet, die Tonwerte im Histogramm gut verteilt, die Lichter brennen nicht aus und die Tiefen saufen nicht ab, die Lok hebt sich gut vom Hintergrund ab, usw.
Zugleich fehlt dem Bild der Charme; es tritt jener Effekt auf, den Eckhard HIER beschreibt, dass sich moderne analoge Aufnahmen oft von reinen Digitalfotos gar nicht unterscheiden lassen. Ich würde es als eine sehr technische Abbildung beschreiben, bei der die tatsächlichen Verhältnisse möglichst exakt in ein S/W-Bild umgewandelt wurden.
Den DLA-Fotografen standen seinerzeit nur orthochromatisch sensibilisierte Trockenplatten zur Verfügung, die durch die abgeschwächte Wiedergabe von Blautönen bei entfernten Hintergründen einen starken „Dunsteffekt“ aufweisen. Damit wird die Lok i.A. besser vor dem Hintergrund freigestellt und rückt somit mehr in den Blickpunkt des Betrachter – was ja gerade der Sinn eines technischen Porträts ist. Ich habe mich in einer zweiten Bearbeitung an diesem Effekt orientiert, indem ich den Hintergrund stark aufgehellt (in der Dunkelkammer würde man an dieser Stelle „abhalten“) und eine leichte Tönung eingefügt habe.
Wenn der Sinn von Fotografie ist, einen Moment so wiederzugeben, wie ihn der Fotograf erlebt und in Erinnerung hat und weniger so, wie er ihn gesehen hat, dann gefällt mir diese Version besser. Nun ist so eine technische Porträtaufnahme andererseits kein Kunstwerk, sondern eine exakte, geradlinige Abbildung und unter diesem Gesichtspunkt wäre sicher Version 1 vorzuziehen.
Mich würde daher brennend interessieren, welche Version für euch subjektiv „schöner anzuschauen“ ist? Ich kann mich - wie ihr seht - schlecht entscheiden…Wie Ludger schon schreibt, ist Vieles sicher auch vom jeweiligen Monitor (und ggf. dessen Kalibrierung) abhängig, doch ich schätze, die grundsätzliche Tendenz ist erkennbar.
Gerne stelle ich auch die Rohdaten für eigene Bearbeitungen zur Verfügung.
Betonen will ich noch, dass es mir eben nicht darum geht, mit irgendwelcher Effekthascherei ein „altes“ Typenporträt zu simulieren – dieser Versuch wäre von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Mein Anliegen ist vielmehr, mit analogen Mitteln (die einerseits gegenüber bezahlbaren Digitalsystemen einen erheblichen Qualitätsvorteil haben und andererseits zum planvollen Arbeiten zwingen) stimmige und moderne Lokporträts zu erstellen und dabei auch Fahrzeuge aufzunehmen, die den DLA-Fotografen nicht zugänglich waren. Am Ende ist es vor allem eines: Großer Spaß
Viele Grüße,
Sebastian
P.S. Falls es jemanden interessiert:
Fujinon 250 mm, f6.3,
Ilford Delta 100, belichtet auf ISO 100 und entwickelt auf ISO 50,
1/15 sek, f22