Die HSB Rollwagen haben Bad Doberan verlassen

  • Hallo alle miteinander,

    heute morgen verließen die beiden ex HSB Rollwagen 99-50-81 und 99-50-82 nach fast zwei Jahrzehnten den Bahnhof Bad Doberan und somit auch den Molli, in Richtung Spreewald.

    HSB Rollwagen beim Molli? Wie kam es dazu?

    Anfang der 2000er Jahre suchte man für die hauseigene Werkstatt beim Molli nach einer Möglichkeit, Materialien, Großteile oder auch ausgeachste Wagenkästen so zwischenzulagern, dass sie im Werkstattbereich jederzeit mobil und transportabel sind. Man suchte etwas, was rollfähig ist, aber nicht einer umfassenden Zulassung und Überwachung durch die zuständige Aufsichtsbehörde bedarf. Die kurz zuvor angeschafften Flachwagen aus der Braunkohle besaßen eine Druckluftbremse, dadurch konnten sie frei im Arbeitszugdienst verwendet werden und waren eigentlich viel zu schade, um sie mit diversen Materialien beladen, monatelang auf "den hintersten Abstellgleisen" stehen zu haben.

    Man schaute sich nach Alternativen um und so kam es, dass im Jahr 2002 die Mecklenburgische Bäderbahn Molli GmbH zwei Rollfahrzeuge in 1000mm Spurweite von der HSB erwarb. Es war vorgesehen, diese beiden Rollwagen auf 900mm umzuspuren und dann als "Werkstatthilfsgerät" im Verschub zu nutzen.

    Bei den Rollwagen handelt es sich um zwei sogenannte Neubaurollwagen, die einer im Jahr 1959 beim Waggonbau Niesky gebauten Serie für die Schmalspurbahn im Spreewald entstammten. Nach Einstellung der Spreewaldbahn gelangten die Rollwagen zur Harzquerbahn. Nach Beendigung des Güterverkehrs im Harz waren die Rollwagen arbeitslos geworden.

    Für die geplante Anpassung an die neue Spurweite wurden die Drehgestelle zerlegt, sandgestrahlt, grundiert. Die Radsätze wurden durch Einbau neuer Achswellen auf die neue Spurweite von 900mm angepasst......und dann war plötzlich Schluss! Keine Weiterbau, keine Montage, keine Fertigstellung! Man hatte festgestellt, dass eine Umspurung einen komplexen Umbau des Drehgestellrahmens nach sich gezogen hätte! Es war einfacher, einen 750mm Rollwagen auf 900mm umzuspuren, was dann auch nach Anschaffung zweier Rollwagen der Zittauer Schmalspurbahn geschehen ist. Für die beiden ex-HSB Rollwagen begann nun eine fast 18jähre Zeit, in der sie im demontierten Zustand auf dem Doberaner Bahnhof eingelagert wurden.....

    Über kurz oder lang musste eine Entscheidung zu den Rollwagen gefällt werden: verschrotten oder verkaufen! Mit der IG Spreewaldbahn fand sich nun ein Käufer, der erstens mit meterspurigen Wagen etwas anzufangen weiß, und zweitens, der den geschichtlichen Wert dieser Fahrzeuge kennt und sie damit nun in die alte Heimat zurückholt!

    In diesem Sinne, alles Gute für die Zukunft der Fahrzeuge in ihrer neuen, alten Heimat!

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    Die Abstellgleise neben der großen Wagenhalle in Bad Doberan waren der letzte Abstellort der beiden Rollwagen: von unten nach oben: ex-Zittauer Rollwagen, Rahmen vom zerlegten Schotterwagen 23-036, dann die beiden ex-HSB Rollwagen.

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    Die Drehgestellrahmen:

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    Die umgespurten Radsätze mit den Achslagergehäusen:

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    Heute nun der Abtransport:

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    Damit beginnt für die beiden Rollwagen nun ihr 4. Leben........

    Alles Gute und Grüße von der Küste

    Robert D.

  • Danke für den Bericht. Ob die jemals wieder fahren oder auch nur ausgestellt werden ist ja noch fraglich.

    Ich denke, verschrotten wäre sinnvoller gewesen, statt diesen Aufwand.

    Gruß von ganz oben, der Bergmensch. 🙋‍♂️

  • Hallo,

    wow ich merke hier spricht jemand mit ausgeprägter Erfahrung im ehrenamtlichen retten und erhalten von original Fahrzeugen seiner bzw. einer Bahn! Bei soviel Verachtung der beachtenswerten Arbeit anderer finde ich es schon schade das es die Dislike Funktion nicht mehr gibt.

    Von daher meinen Glückwunsch in den Spreewald zu dieser gelungenen Aktion und der Rettung der historisch wertvollen original Fahrzeuge der Spreewaldbahn! Und besten Dank Robert für den Bericht.

    VG Felix

  • Vielen Dank Robert für den Bericht. Ich durfte letztes Jahr im Spreewald der Führung beiwohnen und freue mich sehr für die Aktiven dort, das solch geschichtlich wertvolle Rollwagen dort hingehen. Möge die Aufarbeitung von Erfolg sein und eine Strecke zum fahren geben.

    Alles Gute in der neuen alten Heimat

  • Hallo zusammen.

    Vielen Dank für die Bilder. Die Ladung ist bestens angekommen und auch gestern noch abgeladen worden. Ein Bildbericht wird vom Vereinskollegen folgen.

    Der eine der beiden, der 99-50-82, ist geschichtlich bedeutend, er war nachweislich Teil des Abbauzuges in den 1980er Jahren. Wir haben da Fotobelege, u.a. von Gerd Schlage. Was mich noch verwirrt, zwei der Drehgestellkörbe haben ein Schild mit einer 97er Nummer sind von den Abmessungen aber identisch mit den anderen beiden, ich hab aber auch noch nicht in die Literatur und in meine Notizen geschaut.

    Viele Grüße, Sven

  • @ Markus:

    du meinst diesen Wagenkasten:

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    Hierbei handelt es sich um die Reko-Karossierie des 990-205. Diese Karosserie wurde 2002 von seinem Fahrwerk abgehoben (Fahrwerk für Tradiwagen Nr.17 verwendet) und in Bad Doberan abgestellt. Man wollte ihn hinterstellen um eventuell noch mal einen neuen Personenwagen aufbauen zu können, was allerdings bis heute nicht geschehen ist. Von daher denke ich, dass bei der aktuellen großen Aufräumaktion in Doberan, auch dieses Wrack verschwinden wird.


    @Sven:

    Ich freue mich schon auf den Bildbericht! Gerne auch Bilder von damals!

    Zu den Nummern auf den Schildern habe ich leider auch keine weiteren Infos.

    Gruß aus Kühlungsborn

    Robert


  • Hallo Bimmelbahnfreunde,

    Ergänzend zu den Ausführungen von Robert, möchte ich gern noch von dem erfolgten Rollwagen-Transport von Bad Doberan nach Straupitz berichten.

    Im Herbst letzten Jahres erreichte uns die Nachricht, dass die Mecklenburgische Bäderbahn Molli beabsichtigt zwei ehemalige Spreewälder Rollwagen (99-50-81 und 99-50-82, Baujahr 1959) zu verschrotten. Die Fahrzeuge wurden durch den Molli einst von der HSB übernommen und fanden allerdings aufgrund fehlgeschlagener Umspurung auf 900 mm Spurweite keine weitere Verwendung. Im Zuge einer Beräumungsaktion des Betriebshofes sollten die Fahrzeuge nun bis Ende März verschrottet werden.


    Nach Rücksprache im Vereinsvorstand und nach Abstimmung im Rahmen unserer Jahreshauptversammlung hat die IG Spreewaldbahn e.V. beschlossen beide Rollwagen in die Fahrzeugsammlung nach Straupitz zu übernehmen. Die Rollwagen stellen eine wichtige Ergänzung der bestehenden Fahrzeugsammlung, insbesondere im Zusammenhang mit der im Jahr 2018 als Dauerleihgabe übernommenen V10C 199-005, dar. So waren bis 1983 im verbliebenen Restbetrieb der Spreewaldbahn in Cottbus bis zuletzt eine der beiden V10C in der Anschlussbedienung mittels Rollwagen eingesetzt. Es wird unserseits deshalb vorgesehen einen Rollwagen für unser Museum (99-50-82) aufzuarbeiten, um zukünftig unseren Besuchern die Technologie des einstigen Rollwagen-Betriebes bei der Spreewaldbahn veranschaulichen zu können. Das zweite Fahrzeug würde vorerst nur als Ersatzteilespender (99-50-81) genutzt werden. Beide in die Hauptbestandteile Rahmen, Drehgestelle und Achsen jeweils teilzerlegte Fahrezuge wurden seitens des Mollis nur zusammen als „Paket“ abgegeben.


    Dank großzügiger finanzieller Unterstützung mehrerer Vereinsmitlglieder sowie des Straupitzer Holländermühlen-Vereins, konnten wir die Kosten für den Erwerb und Transport innerhalb kurzer Zeit aufbringen. Weiterhin war geplant, neben dem Transport der beiden Rollwagen ebenso Ersatzteile von einem in Bad Doberan abzuwrackendem SKL24 (mit Baggerkran T157!) übernehmen zu können. Für die Bergung der Ersatzteile sowie zur Unterstützung der Verladung planten wir mit vier Vereinsmitglieder und zwei Fahrzeugen nach Bad Doberan zu fahren und die Teilebergung und den Transport durchzuführen.

    Leider kam aufgrund der aktuellen Gesundheitskrise alles anders, sodass zeitweise aufgrund von Ungewissheit und drohender "Ausgangssperre" die gesamte Umsetzung der Aktion auf der Kippe stand. Im Teilnehmerkreis mussten wir deshalb fast schon täglich die Situation neu beurteilen, wobei im Ergebnis für uns eine Teilnahme und Anreise nach Bad Doberan letztendlich aufgrund der Ausgangbeschränkungen und zum Selbstschutz als nicht durchführbar erschien.

    Nach Rücksprache mit unserem Spediteur und dem Betriebsleiter des Mollis konnte unter Berücksichtigung der aktuellen Rahmenbedingungen schließlich kurzfristig ein für alle Seiten mehr als zufriedenstellender Kompromiss erzielt werden.

    Der Transport der Rollwagen konnte am 26./27.03.2020 ohne unsere Beteiligung stattfinden, weil das Verladen des Materials durch das Werkstattpersonal des Mollis sowie durch den LKW-Fahrer koordiniert wurden. Die Verschrottung des SKL24 mit den für uns zur Bergung reservierten Ersatzteilen, wird seitens des Mollis verschoben, sodass wir die Teile zu einem späteren Zeitpunkt übernehmen können.

    Das Verladen des gesamten Rollwagen-Materials in Bad Doberan erfolgte am 26./27.03 und dauerte insgesamt ca. 4 Stunden bevor sich am Freitag früh der Tieflader in Richtung Spreewald aufmachte. Die Entladung erfolgte zusammen mit der Kranvermietung KRANTRANS aus Lübbenau am Nachmittag des 27.03.2020 in Straupitz. Das entladen in Straupitz erfolgte nur mit einer Minimalbesetzung von drei Mitgliedern und unter Einhaltung der geltenden Abstandsregelungen. Auf Presse und Zaungäste waren wir zum Schutz Aller diesmal gezwungen zu verzichten, sodass sogar unsere Vereinsmitglieder erst in Nachgang von erfolgreiche Aktion erfuhren! 

    Anbei ein paar Schnappschüsse von der Ankunft in Straupitz:


    oben der Rahmen von 99-50-81 und darunter von 99-50-82

    Detail der wahrlich meisterhaften Ladungs- und Sicherungskünste vom Werkstattteam des Mollis sowie des LKW-Fahrers!

    Die Herausforderung des Transportes bestand eindeutig darin das gesamte Material auf Einmal transportiert zu bekommen.

    Entladung und Zwischenlagerung des als Ersatzteilespender vorgesehenen Rahmens von 99-50-81

    Entladung des Rahmens von 99-50-82


    Rollwagen-Teilepuzzle: Während die Drehgestellkörbe jeweils 600 kg wiegen bringen die Achsen jeweils 400 kg auf die Waage (gemäß Waage des Krans).

    Fazit: "Ein geglückter Spezialtransport unter sepziellen Rahmenbedingungen"


    Damit sind nach über 50 Jahren wieder zwei Rollwagen in Straupitz! 

    Trotz des erfolgreichen Transportes, werden auch bei uns bis auf weiteres die Arbeitseinsätze und Museumsöffnungen in Straupitz aufgrund der allgemeinen Gesundheitslage ausgesetzt.


    Soweit die Neuigkeiten aus dem Spreewald!


    Mit Besten Grüßen, 


    Philipp :wink: