Dänemark - Mit zwei Triangeln unterwegs

  • Hallo liebe Bimmelbahnfreunde,

    die Überschrift mag irritierend sein, aber nein, ich meine keine Musikinstrumente. Ich meine historische dänische Triebwagen.

    In Dänemark breitete sich in den 1920ern natürlich auch die Automobilkonkurrenz immer weiter aus. So reagierten die Eisenbahngesellschaften auch dort - ähnlich wie in Deutschland - mit der Beschaffung von Triebwagen für den bescheidenen Personen- und Güterverkehr kleinerer Strecken. Sowohl die dänische Staatsbahn DSB, als auch viele Privatbahnen beschafften daraufhin ausgerechnet in der Automobilfabrik Triangel in Odense einfache Triebwagen als Konkurrenz zum aufkommenden Autobusverkehr.

    Diese Triebwagen waren konstruktiv sehr simpel. Es gab zwar etwas unterschiedliche Typen, aber alle waren im Prinzip einfache zwei- oder dreiachsige Personenwagen mit hölzernem Wagenkasten und einseitig einem Führerstand mit einem Serienmotor und Getriebe aus dem LKW-Bau. Der Kühler schaute aus dem Wagenkasten hervor und trug das dreieckige Symbol der Firma und oft den Schriftzug Triangel. Die zweiachsigen Triebwagen besaßen die Achsfolge 1A, so dass die unter dem Fahrgastabteil liegende Achse jeweils mittels einer Gelenkwelle angetrieben war.

    Zu den Triebwagen hat die deutsche Webseite Sebtus einige Fakten zusammengetragen.

    Urlaub auf Seeland

    In diesem Jahr ist so manches anders. Corona hat auch meinen Urlaubsplan etwas durcheinander gebracht. Dänemark stand eigentlich nicht auf dem Zettel. Eigentlich wollten wir ins Nachbarland Schweden, aber na ja...

    Corona hat auch in Dänemark das öffentliche Leben beeinflusst und so geht es auch auf Museumsbahnen dort nicht ohne Terminabsagen. Auf der Homepage des Vestsjællands Veterantog leuchtete dem Besucher wochenlang ein rotes Signal entgegen und man erklärte, dass bis auf Weiteres wegen der Pandemie der Museumszugbetrieb ruht. Ich hatte die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Und so leuchtete Ende Juni irgendwann ein grünes Signal und kurz darauf veröffentlichte der Verein einen Fahrplan für erste Fahrten auf der Strecke von Slagelse nach Gørlev: Sommerfahrplan

    Leider funktioniert die automatische Übersetzung nicht gut und man muss entweder detektivisch kombinieren, oder andere Übersetzungsprogramme nutzen.

    Das war natürlich ein maßgeschneidertes Angebot für mich und meine Familie. Vom Urlaubsquartier erreichbar, aufgrund des derzeitigen Rabatts unschlagbar günstig und auch im Nachhinein sehr empfehlenswert! Es war ein schöner Nachmittag.

    Steigt also ein, ich nehme Euch mit auf eine Bildreise von Gørlev über Høng nach Slagelse und zurück.

    Gørlev

    Diesen Namen findet man heute in keinem dänischen Eisenbahnfahrplan. Der Bahnhof Gørlev war einst Zwischenstation einer Strecke von Slagelse nach Kalundborg. Die genaue Streckengeschichte habe ich noch nicht erforscht, aber herausgefunden, dass in Gørlev schon Anfang der 1970er der Personenverkehr endete, aber der Bahnhof wegen der benachbarten Zuckerfabrik ein wichtiger Güterkunde blieb. Dieser Güterverkehr ist heute offenbar auch eingestellt, es steht nur noch einiger Schrott in Form ausgemusterter Güterwagen herum. Hinter den Güterwagen versteckt sich aber noch eine Dampflok.

    Das Empfangsgebäude von Gørlev ist sehr gut erhalten und beherbergt wohl auch ein Restaurant, oder ähnliches. Rechts führte die Strecke einst in Richtung Kalundborg weiter. Einige rechts früher vorhandene Gleise fehlen heute, so dass der Hausbahnsteig jetzt zum großen Teil an einem Stumpfgleis liegt. Er wurde von unserem Triebwagengespann aber nicht erreicht.

    Wer unvorbereitet den Bahnhof betritt, wird sie nicht entdecken, aber durch ein Foto bei Google war ich vorbereitet. Durch abgestellte Güterwagen verdeckt, wartet am Rand des Bf. Gørlev eine Dampflok auf ihr Schicksal.

    Es handelt sich um die Lok D 826, ursprünglich D 821, Hersteller Richard Hartmann Chemnitz 1905, 1929 umgebaut und in D 826 umgenummert. Die Lok ist heute Eigentum des Dansk Jernbane-Klub DJK, also des dänischen Eisenbahnklubs und steht seit Jahren dort abgestellt: D 821 und D 826

    Dann erreicht unser Gespann bei Regen den Bahnhof. Zwischen beide Triebwagen des Vereins VSVT hat man einen zweiachsigen Personenwagen mit Seitengang eingereiht.

    Nachschuss auf den zweiten Triebwagen. Auch der hintere Führerstand ist mit einem Lokführer besetzt, der mit diesem Triebwagen beim Anfahren etwas hilft. Eine angetriebene Achse bei 6 Achsen insgesamt wäre wohl doch etwas schwierig. Seitlich am Wagen ist das typische historische Schlusssignal der dänischen Eisenbahnen.

    Der "Schluss" ist für die Rückfahrt schon gewechselt. Hier sehen wir den Triebwagen VNJ M 2, Baujahr 1926. Wer Interesse hat, kann sich diesen Text einmal übersetzen lassen, oder zumindest die Fotos ansehen: Jernbanen.dk

    Ein Jahr jünger ist der Triebwagen LNJ M 4. Zwar besteht in Dänemark keine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum, aber die Dänen achten äußerst genau auf Handhygiene und versuchen, den Abstand einzuhalten. Die Sprühflasche enthält also kein Reinigungsmittel, sondern ein Desinfektionsmittel.

    Zum Triebwagen könnt Ihr natürlich auch Bilder und Infos bekommen: DSB M 33 und dann LNJ M 4

    Den Personenwagen habe ich seltsamerweise nicht separat fotografiert.

    Ein Blick unter den M 4 zeigt uns das Achsgetriebe, von rechts kommend die Kardanwelle und die Sandstreuvorrichtung. Die Triebwagen sind mit einer Druckluftbremse ausgerüstet und die Motoren produzieren die Druckluft über einen gekoppelten Kompressor. Darum musste der Motor des führenden Wagens nach längerer Standzeit einige Zeit im Leerlauf Luft pumpen.

    Die Kamera unter den M 2 gehalten, zeigt uns links den Hilfsluftbehälter, rechts zwei Hauptluftbehälter, dazwischen das Wendegetriebe mit angeflanschter Gelenkwelle und den Auspuff.

    Da beide Triebwagen über LKW-Ottomotoren angetrieben wurden, breitete sich ein heute kaum noch bekannter Duft aus nicht nachbehandelten Benzinabgasen aus. Die Wagen besitzen ja keinen Katalysator.

    Wenn Euch dieser erste Ausflug nach Dänemark gefallen hat, lasst es mich wissen und ich setze die Geschichte fort!

    In diesem Sinne verabschiede ich mich von Euch.

    Mit vielen Grüßen

    Euer Dampf - Achim Rickelt

  • Hej Achim,

    tak for rapporten.

    Gørlev war auch Mittelpunkt eines großen 700 mm Rübenbahn-Netzes. Das Netz war zu seinem besten Zeiten um die 180 km lang. Es gab 7 Dampflokomotiven von Jung, O&K und Henschel. Die O&K-Maschine ist heute noch als nicht betriebsfähige bei der Blovstrød Bane erhalten, Später kamen auch noch ein paar motorbetriebene Lokomotiven zur Rübenbahn. In den 1960er Jahren wurde das Netz der Rübenbahn geschlossen und auf LKW-Betrieb umgestellt. In der Zuckerfabrik wurde das schmalspurige Netz noch bis Mitte der 1970er Jahre genutzt. Die letzte Kampagne wurde im Jahr 2000 gefahren und dann die Zuckerfabrik stillgelegt. Von der normalspurigen Werkbahn existiert heute noch eine Rangiertraktor bei der Mariager-Handest Veteranjernbane (MHVJ). Allerdings ist der Zustand nicht der beste.

    Freue mich schon auf die Fortsetzung der Reise in meiner Zweitheimat.

    Gruß

    Stefan

  • Hallo liebe Bimmelbahnfreunde,

    dann wollen wir mal weiter machen...

    Steigen wir also in Gørlev ein und lassen uns nach Slagelse rumpeln.

    Das Publikum war außer uns komplett dänisch. Allerdings konnte ich mich mit dem Lokführer und dem Kassierer, der als Beimann fuhr sehr gut auf Deutsch unterhalten.

    Es gibt auch aus der Umhängetasche des Schaffners richtige Edmonsonsche Pappkarten zu kaufen. Interessant ist die Lochung mit kleinen Pfeilen. Der aufgedruckte Fahrpreis von 130,- DKK stimmt nicht. Der Verein hatte einen gewaltigen Rabatt eingeführt und wir zahlten für Hin- und Rückfahrt lediglich 70,- DKK, also keine 10 Euro.

    Aus dem Fahrgastraum kann man durch ein Fenster in der Tür in den Führerstand schauen. In Bildmitte mit einem Kasten verkleidet, befindet sich der Motor. Den Hebel des Führerbremsventils hat der Lokführer zum zweiten Triebwagen mitgenommen. Es gibt keinerlei moderne Zutaten, abgesehen vom Handfunkgerät und dem Smartphone des Lokführers. Da der Wagen weder SiFa, noch PZB besitzt, wird immer mit Beimann gefahren.

    Los geht's. Da der Führerstand auch für Traglasten genutzt wird, verdeckt ein Kinderwagen teilweise die Sicht. Der Beimann, der wie der gerade fahrende Lokführer prima Deutsch spricht und mir erklärte, ebenfalls Lokführer zu sein, hat auf der Motorverkleidung Platz genommen.

    Das Fahrgeräusch des Triebwagens wird vor allem vom Singen der Getriebe übertönt. Eine beachtliche Geräuschkulisse erfüllt den Fahrgastraum. Ganz links in der Ecke fällt ein Tank auf, der mit einer Handpumpe gekoppelt ist, die auch von Zeit zu Zeit betätigt wurde. Ist das der Benzintank? Ich habe nicht danach gefragt.

    Der Streckenabschnitt zwischen Gørlev und Høng wird kaum noch befahren und ist beidseitig ziemlich vollständig mit Buschwerk zugewachsen. Aus dem Zug heraus konnte ich eine freie Stelle in der Nähe einer Grundstückszufahrt entdecken, die ich dann für den letzten Zug des Tages aufsuchte.

    Høng ist erreicht und damit befinden wir uns wieder auf der aktiven Schiene. Vor dem Bahnhof mündet das heute nur noch als Anschlussgleis genutzte Streckengleis ein, das dort mit einer Gleissperre gesichert ist. Während an der durchgehenden Strecke von Slagelse nach Kalundborg den Bahnhof Høng als Zwischenstation nutzte, schloss die Høng-Tølløse-Jernbahn hier an. Heute geht der durchgehende Personennahverkehr der privaten Lokaltog A/S von Slagelse nach Tølløse im halbstündigen oder stündlichen Takt über Høng.

    War der Motor heiß? Die Blumenvase leer ;).

    Kühlwasser muss sein. In Høng gab es ausreichend Zeit, dem Motor etwas Gutes zu tun.

    Lokaltog A/S ist seit 2015 ein Zusammenschluss der Firmen Regionstog und Lokalbanen. Regionstog brachte unter anderem Regionaltriebzüge der Bauart MF in das neue Unternehmen ein. Der Triebzug aus dem Steuerwagen FS 1123 (hier im Bild) und dem Motorwagen MF 1023 überholt auf dem Weg nach Slagelse hier unseren Triebzug.

    Der Verein Vestsjællands Veterantog hat seinen Sitz seinen Sitz am Bahnhof Høng seinen Sitz und eine große Fahrzeughalle. Museumszüge werden hauptsächlich von hier "aus der Mitte" gefahren. Aber man befährt durchaus auch andere Strecken auf der Insel Seeland.

    Am kleinen Bahnhof Havrebjerg halten die Reisezüge seit 2011 nicht mehr. Als Betriebsstelle bleibt er aber erhalten und so können die Museumszüge dort auch heute mit den durchsausenden IC 2-Gumminasen oder den ebenfalls hier eingesetzten Lokaltog Lint 41 kreuzen. Aussteigen ist eigentlich nicht vorgesehen und wenn man zum Zwecke des Fotografierens doch aussteigt, passt das Personal natürlich besonders auf.

    In Slagelse bleibt bei der Nachmittagswende nicht viel Zeit und leider war gerade auch kein moderner Zug dort.

    So war ich anschließend noch einmal kurz in Slagelse, einer wichtigen Station der elektrifizieren Hauptstrecke zwischen der Hauptstadt Kopenhagen und Odense usw. Slagelse besitzt ein sehr schönes Empfangsgebäude aus Backstein und weist einen ziemlich dichten Zugbetrieb auf den von hier ausgehenden Strecken auf. Auf der durchgehenden Strecke traf ich sowohl dieselbetriebene IC 3 der Litra ML, aber auch elektrische IC 3 der Litra MFA/MFB. Die abzweigende Strecke in Richtung Tølløse wird hier gerade mit einem Lint 41 (in Deutschland BR 648) bedient.

    Auch auf der Rückfahrt reicht der Aufenthalt in Høng für einige Fotos aus, bevor der Zug wieder in das Anschlussgleis nach Gørlev hineinrumpelt.

    Eine Bemerkung noch zur Beleuchtung der Triebfahrzeuge in Dänemark. Heute gilt dort auch das übliche Dreilicht-Spitzensignal. Einst leuchteten in Dänemark aber nur ein Licht, oder oft auch zwei Lichter schräg übereinander. Diese Triangel-Triebwagen bekamen darum für Nachtfahrten eigens kleine Zusatzscheinwerfer aus dem Kfz-Zubehör.

    Ankunft in Gørlev. Jetzt scheint die Sonne und eine wirklich tolle Tour fand ihr Ende. Auch hier sind kleine Scheinwerfer unter dem Wagen installiert, die hier kaum zu erkennen sind.

    Der Wasserkran verrät es. Es gibt auf dieser Strecke auch einen gelegentlichen Dampfbetrieb. Mir wurde allerdings verraten, dass die Waldbrandbestimmungen in Dänemark derart streng sind, so dass man im Sommer gar keine Dampffahrten plant.

    Hinter dem Zug erheben sich Speicher der hier ansässigen Zuckerfabrik. Genau neben dem Zug kredenzt der Verein an Fahrtagen einige Getränke und ein Picknick unter einem kleinen Dach.

    Alle Fotos (5.7.2020): Achim Rickelt

    Eine Fortsetzung wartet noch auf Euch. Aber erst einmal könnt Ihr diesen Bericht genießen.

    Viele Grüße

    Euer Dampf - Achim Rickelt

  • Hallo,

    danke für die schöne Fortsetzung

    Der Rabatt ist eine nette Geste der dänischen Regierung im Zuge der Corona-Pandemie. Der Verein bekommt die andere Hälfte des üblichen Fahrpreises von der dänischen Regierung erstattet. Das "Konjunkturprogramm" läuft bis zum Ende der dänischen Sommerferien am 9. August.

    Das Programm gilt wohl für alle Museen in Dänemark. Es gibt auch kostenlose innerdänische Fährfahrten (nur als Fußgänger bzw. mit Fahrrad) bis Ende Juli, z.B. die Olsenbanden-Fähre IDA.

    Allerdings gelten die Einreisebeschränkungen für Deutsche mit Ausnahme von Schleswig-Holsteinern weiterhin. D.h. man muss 6 Übernachtungen im Königsreich bei Einreise nachweisen.

    Gruß

    Stefan

  • Hallo Stefan,

    dass Fährfahrten usw. rabattiert werden, hatte ich gelesen. Ob da jedes Museum nur den halben Preis erhebt? Ich hab nicht darauf geachtet.

    Auf jeden Fall ist dieser Museumszug eine Reise wert.

    Die "Ida" war diesmal aber zu weit von unserem Urlaubsquartier entfernt. Dafür schipperte andauernd die "Orø" vorbei, die wir aber nicht genutzt haben.

    Du hattest vorhin die schmalspurige Rübenbahn erwähnt. Wie verbreitet waren eigentlich schmalspurige Bahnen des öffentlichen Verkehrs in Dänemark? Ich weiß natürlich vom Schmalspurnetz auf Bornholm und von den Deichbahnen um Agger (Olsenbande). Ansonsten habe ich bisher nur irgend welche Rübenbahnen in Erinnerung.

    Unter Jernbanen.dk sind mir bewusst irgendwie nur Regelspurbahnen begegnet.


    Viele Grüße

    Dampfachim