Hallo liebe Freunde der schmalen Spur,
Eckhard war mal so freundlich, einige von mir erstellte Videosequenzen aneinanderzureihen, damit sie etwas übersichtlicher werden.
Die RüBB-Lok 99 1784-0 bekommt bekanntlich derzeit ihre Hauptuntersuchung. Die ist fast abgeschlossen. Erstmals wurde eine RüBB-Dampflok in Kooperation mehrerer Firmen dieser Untersuchung unter Federführung der RüBB-Werkstatt Putbus unterzogen. Somit liegt die endgültige Fertigstellung jetzt auch in den Händen der Putbuser Werkstatteisenbahner.
Am Mittwoch wurde der Kessel der Lok erstmals angeheizt, die Dampfwege ausgeblasen (erste kurze Szene) und Sicherheitsventile eingestellt (zweite kurze Szene).
Am Donnerstag nun bewegte sich die Lok erstmals lautstark über den Bahnhof und diesen Vorgang schauen wir uns einmal genauer an.
Ihr werdet bemerken, dass der Auspuffschlag am Anfang (von der 251 901-5 gefilmt) noch extrem unrund und ungleichmäßig klingt. Die Schieber wurden halt nur sehr grob ausgerichtet. Immerhin, die Lok bewegt sich schon mal.
Die korrekte Einstellung der Schieber ist bei der Dampflok allerdings sehr wichtig. Um die Schieber in die korrekte Einstellung zu bringen, kann die Schieberstange auf einem Gewinde verstellt und korrekt gekontert werden. Eine möglichst gleichmäßige Dampfverteilung in allen Zylinderräumen einer Dampfmaschine garantiert eine optimale Leistung der Dampfmaschine, eine hohe Laufruhe und eine optimale Schonung der Lager. Verstellte Schieber wirken sich sogar bis in die angekuppelten Personenwagen aus, indem dort ein rhythmisches Rucken in Längsrichtung zu spüren ist.
Wie stellt man nun die Schieber optimal ein?
Das Dampflokwerk Meiningen z.B. verwendet das sogenannte Indizieren der Dampfmaschine. Dabei werden Geräte an allen Dampfzylindern angebaut, die in allen Zylinderräumen den Dampfdruck über einen kleinen Zylinder messen und damit einen Schreibstift heben oder senken. Mittels Seilzug wird die Bewegung der Kreuzköpfe auf eine Rolle übertragen, auf der ein Papierstreifen vom Schreibstift beschrieben wird. Die Lok wird für die Messung mit hohem Schieberkastendruck (Dampfdruck in der Dampfmaschine), ca. 30 % Füllung und geringer Geschwindigkeit hin und hergefahren. Die aufgezeigten Diagramme (Dampfdruckschaubilder) müssen in allen Zylinderräumen nun deckungsgleich sein (bzw. gespiegelt). Bis dieser Zustand erreicht ist, werden die Schieber verstellt. Hat man die korrekte Einstellung gefunden, werden die Schieber fest gekontert und man bringt die sogenannten Schieberstichmaße an. Das sind zwei Körnerschläge beidseitig des Gewindes. Der Abstand dieser Körnerschläge wird an geeigneter Stelle (meist die Schieberschubstange) wiederholt eingeschlagen. Muss nun später zu Reparatur- oder Wartungszwecken ein Schieber ausgebaut werden, kann man mit Hilfe dieser Stichmaße die korrekte Justierung mit Hilfe eines Stechzirkels leicht wiederfinden, indem der Abstand der Körner einfach wieder eingestellt wird.
Das Indizieren in dieser Art, oder neuerdings auch elektronisch, stellt die genaueste Methode zum Einstellen einer Dampfmaschine dar.
Eine zweite Methode zum Finden der richtigen Einstellung ist das Regulieren nach Gehör. Mit dem Verstellen des Schiebers ändert sich nämlich auch das Auspuffgeräusch. Eine korrekt eingestellte Dampflok weist normalerweise von allen Zylinderräumen gleich starke Auspuffschläge auf. Ausnahmen gibt es bei Dreizylinderloks, weil die Dampfwege der Ausströmung beim Mitteltriebwerk hier meist kürzer sind und damit ein Schlag schneller dem anderen Schlag folgt. Hier ist ein Einstellen nach Gehör also nicht möglich.
Beim Regulieren nach Gehör wird zunächst genauso verfahren, wie beim Indizieren. Die Lok wird langsam (meist gebremst) mit hohem Schieberkastendruck und ca. 30 % Füllung gefahren. Dabei muss auf das Auspuffgeräusch genau geachtet werden und dabei wird der Kreuzkopf genau beobachtet. Die Auspuffschläge haben bei einer verstellten Dampfmaschine eine unterschiedliche Lautstärke bzw. auch Länge. Ertönt nun der starke Auspuffschlag in der Nähe eines Totpunks des Kreuzkopfs, ist der zugehörige Schieber verstellt. Um dies zu korrigieren, muss nun der Schieber in Richtung dieses Totpunkts verstellt werden. Das muss nun so lange probiert werden, bis die Schläge gleichmäßig sind. Tritt der harte Auspuffschlag irgendwo in Mittellage des Kreuzkopfs auf, ist der andere Zylinder betroffen und die Einstellung muss dort gefunden werden. Hören sich am Ende alle Schläge gleich an, ist die Dampfmaschine korrekt eingestellt.
Das Video zeigt Euch nun das Einstellen der Schieber nach Gehör am 99 1784-0. Ihr könnt zum Beginn gut hören, dass die Auspuffgeräusche ungleichmäßig sind und könnt das Verstellen an den Schiebern beobachten. Weil man bei dieser Lok schlecht seitlich mitfahren kann, müssen die Kollegen neben der Lok laufen, um den lauten Schlag zu lokalisieren.
Weil die Lok mit geringer Füllung fährt, gerät sie teilweise ins Taumeln. Im normalen Betrieb wird bei so geringen Geschwindigkeiten mit voll ausgelegter Steuerung gefahren und die Kolbenkräfte sind viel gleichmäßiger. Dieses Taumeln ist also keine Störung, sondern Resultat dieser absolut notwendigen Fahrweise.
Das Einstellen nach Gehör war nur vorläufig, denn die Dampfmaschine wird noch korrekt indiziert. Es war allerdings notwendig, damit die Lok vernünftig gefahren werden konnte und erste Probefahrten durchgeführt werden konnten.
Viel Spaß also mit dem Video.
Viele Grüße
Euer Dampf - Achim Rickelt
Edit: Richtung korrigiert