Kohlebahnen - Abschied vom größten Schmalspurnetz Deutschlands

  • Hallo Schmalspur-Freunde,

    während ich das Lausitzer 900mm-Netz nach der Wende zwei mal besucht habe und dort sogar eingeladen wurde, auf der Lok mit in den Tagebau zu fahren, habe ich vom mitteldeutschen Kohlebahnnetz leider kaum Betriebsaufnahmen.

    Das mitteldeutsche 900mm-Netz war mit über 700 km Länge das größte Schmalspurnetz Deutschlands und reichte vom südlichen Stadtrand Leipzigs bis vor die Tore Altenburgs. Davon waren 511 km stationär ausgeführt, etwa 200km waren rückbare Gleise in den Tagebauen. Insgesamt gab es 72 Stellwerke der Bauformen GS I und GS II.

    Immer wenn ich mit dem Zug von Leipzig nach Zwickau gefahren bin, hab ich mir an der Scheibe die Nase plattgedrückt und nach den Schmalspurzügen Ausschau gehalten. Und jedes mal habe ich vorgenommen, dort muß ich mal hin ... irgendwann war es dann leider zu spät. Bis auf zwei innerbetriebliche Restverkehre, die ich euch später noch zeigen werde, waren die romantischen, teils eingleisigen Überlandstrecken alle außer Betrieb und wurden nach und nach abgebaut. Einige Aufnahmen aus dieser (traurigen) Zeit konnte ich jedoch 1995 machen und möchte euch diese von Süd nach Nord zeigen.

    Die Brikettfabrik Zechau bildete den südlichsten Punkt des Netzes und wurde 1991 stillgelegt. Ursprünglich sollte die Fabrik als technisches Museum erhalten bleiben, die Pläne zerschlugen sich und so findet man dort heute nur noch eine große planierte Fläche.

    Am Grabenbunker der Brikettfabrik Zechau steht eine V10C der Mitteldeutschen-Braunkohle-Sanierung MBS.

    Am Bahnhof Treben-Lehma begann eine knapp 2km lange Materialseilbahn zur Papierfabrik Fockendorf, auf dem Foto ist der Schornstein im Hintergrund erkennbar. Über diese Seilbahn wurden Roh- und Fertigprodukte zur Umladung auf die Reichsbahn transportiert. Die Kohle für die Papierfabrik kam über ein nichtelektrifiziertes 900mm-Anschlußgleis von der Brikettfabrik Thräna, wofür 2 Loks des Typs V10c vorgehalten wurden. Seilbahn und Schmalspurbahn sind heute Geschichte, die Papierfabrik ist als technisches Denkmal erhalten geblieben.

    Auf dem Geländer der ehemaligen Hauptwerkstatt in Regis-Breitingen rostete noch eine EL3 und etliche Wagen vor sich hin. Hier gab es für ein paar Jahre noch einen kleinen Restbetrieb, den ich euch später noch vorstellen werde.

    Die Brikettfabrik Regis-Breitingen erhielt die Rohbraunkohle über das 900mm-Kohlebahnetz, die Abfuhr der Briketts erfolgte mit der Reichsbahn. Am 8.7.1993 wurde die letzte Schicht gefahren und die Dampfspeicherloks waren wie hunderte Beschäftigte arbeitslos.

    Rückbauzug am Stellwerk 6 bei Deutzen, im Hintergrund ausgediente Kohlezüge.

    Ebenfalls am Stellwerk 6 in Bahnhof Deutzen warteten 3 Loks vom Typ EL3 auf ihr Schicksal.

    Im Bereich des Stellwerkes 1 bei Heuersdorf standen weitere EL3 und warteten auf die Verschrottung.

    Ausweiche Breunsdorf südlich von Neukieritzsch im Stellwerksbezirk 28.

    Ebenfalls zum Stellwerksbezirk 28 gehörte dieser Abzweig. Rechts ging es nach Borna und links unter die Unterführung nach Lobstädt, oben auf der Brücke die DR-Strecke Neukieritzsch - Geithain.

    Im Sanierungstagebau Witznitz kamen noch bis 1996 die Schmalspurzüge für Abraumtransporte zum Einsatz. In Bildmitte sind 2 Züge mit EL3 erkennbar. Ein Besuch wurde mir leider verwehrt. Dafür durfte ich den allerletzten Kohle-Restbetrieb in Zwenkau besuchen, auch davon später mehr.

    Heute erinnert die Museumsbahn des Kohlebahnvereins Meuselwitz durch den Kammerforst an dieses große Schmalspurnetz, ansonsten gibt es so gut wie nichts mehr zu sehen.

    Über das 900mm-Netz gibt es auch eine sehr informative Internetseite mit einer in OpenStreetMap intergierten interaktiven Karte: http://www.schmalspurige-grubenbahn.de/

    Viele Grüße

    Toralf

    Einmal editiert, zuletzt von Toralf750 (7. Oktober 2020 um 17:17)

  • Hallo Toralf,

    so viel zum Thema zu spät geboren. ;)

    Danke für die Bilder. Im Raum Borna-Espenhain habe ich die Bahn auch noch erlebt. Von der F95 aus. Wirklich hingezogen hat es mich da nicht. Da war mir die Luft zu schlecht. Irgendwann in den 90ern habe ich noch ein paar Reste fotografiert. Da war aber schon kein Betrieb mehr.

    Ich freue mich auf die Fortsetzung.

    Alles Gute!

    Lutz

  • Hallo Lutz 68 ,

    an die "dicke Luft" in Espenhain, die zu spontanen Atemaussetzern führte, kann ich mich auch noch erinnern. Als bekennender Bergbau-Fan haben mich solche Sachen aber magisch angezogen. Neben den schmalspurigen Netzen in der Lausitz und in Mitteldeutschland besuchte ich auch noch die normalspurigen Bahnen in Amsdorf, Geiseltal, Merseburg Ost, Profen und natürlich in der Lausitz. Auch die polnischen Braunkohlebahnen bei Konin und Turek (seit 2018 stillgelegt) konnte ich erleben.

    Noch interessanter ist für mich aber der Steinkohlebergbau mit seinen Fördergerüsten und riesigen Tagesanlagen. Unzählige male besuche ich daher schon das Oberschlesische Industrierevier GOP.

    Viele Grüße

    Toralf

  • Ich kenne die Anlagen auch nur vom Vorbeifahren und die. Kohlebahnn war ja immer da. Als ich dann was von ihr wollte, war sie weg.

    Traurig ist das Schicksal der Brifa. Zechau. Mit Liebe als Museum umgestaltet, aber dann abgebrochen.

    Aber es gibt ja noch das Museum in Zeitz und die Kohlebahn in Meuselwitz..

    Liebe Grüße von der Havel, Thomas

  • Hallo

    Ein Senftenberger Eisenbahner und Buchschreiber brachte 2019 folgendes Buch heraus ISBN 978-3-944316-16-1, "Tagebaugeschichte erleben". Ich kann seine Werke nur empfehlen.

    Max

    Max G

  • Hallo Max G ,

    zum Lausitzer Schmalspurnetz kommen ich später noch, da kannst du gerne den Link nochmal anfügen. Irgendwo habe ich aber auch gelesen, daß es ein Buch direkt über die Lausitzer Kohlebahnen gegeben haben soll, ich muß den Link mal suchen. Hier soll es um das mitteldeutsche Netz gehen.

    Wer sich aber mit dem mitteldeutschen 900mm-Netz tiefer befassen möchte, dem sein die o.g. Web-Seite oder die wirklich tolle Broschüre der LMBV empfohlen: https://agreement-berlin.de/wp-content/upl…ahnen-Mideu.pdf

    Viele Grüße

    Toralf

  • Hallo,

    danke für den Bildbericht! Gibt es möglicherweise auch Bilder vom Bahnübergang Pappelweg an der Altenburger Ausfahrt von Neukieritzsch? Dort unterquerte die Grubenbahn einen Bahnübergang der LH sowie die Anschlussbahn vom Braunkohlenwerk Deutzen.

    Als Neu-Neukieritzscher rückte dieses gigantische Gleisnetz auch in mein Interesse. Ehemals war Neukieritzsch tatsächlich wie eine Insel von Gleisen, seien es 1435 mm oder 900 mm, umgeben, was sich auch im Wappen mit dem Flügelrad widerspiegelt. Allerdings findet man heute auf den Kohlebahntrassen rund um Neukieritzsch fast keinen einzigen Schotterstein mehr. Größtes Überbleibsel ist wohl die Verladebrücke in Lippendorf für die Umladung von 900 mm auf 1435 mm.

    Über das 900mm-Netz gibt es auch eine sehr informative Internetseite mit einer in OpenStreetMap intergierten interaktiven Karte: http://www.schmalspurige-grubenbahn.de/

    Das ist eine wirklich prima Seite!

    Ich empfehle folgendes Buch:

    Leider ist dieses nicht mehr erhältlich, aber zum Glück hatte es die Stadtbibliothek Borna in ihren Bestand aufgenommen, sodass ich die zahlreichen Gleispläne darin schon begutachten konnte.

    Gern kann ich einige Vergleichsbilder der Trassen von heute zeigen.


    Grüße aus Neukieritzsch

  • Hallo Chemnitzer

    Gibt es möglicherweise auch Bilder vom Bahnübergang Pappelweg an der Altenburger Ausfahrt von Neukieritzsch?

    Leider nicht. Alles was ich an Bildern habe, zeige ich hier in meinem mehrteiligen Bericht. Teil 1 war dieser hier mit den Kohleverbindungsbahn, im Teil 2 ging es um den Tagebau Zwenkau. Als nächstes folgt die Hauptwerkstatt in Regis. Dann geht es zu den normalspurigen Kohlebahnen und zum Schluß kommt das Schmalspurnetz in der Lausitz dran.

    Das ist eine wirklich prima Seite!

    Leider ist dieses nicht mehr erhältlich, aber zum Glück hatte es die Stadtbibliothek Borna in ihren Bestand aufgenommen, sodass ich die zahlreichen Gleispläne darin schon begutachten konnte.

    Das gezeigte Buch ist nur eins von 3 Teilen zu den Kohlebahnen. Die anderen beiden Bücher befassen sich mit dem Altenburg-Meuselwitzer Revier und dem Zeitz-Weißenfelser Revier. Leider aber alle ausverkauft.

    Sehr empfehlenswert ist auch das Buch "Die letzten schmalspurigen Kohlebahnen Ostdeutschlands" vom Herdam Fotoverlag, leider aber auch vergriffen.

    Die Gleispläne findest du aber auch auf der OSM-Karte der Internetseite. Da sind blaue Pfeile, wenn du die anklickst, dann öffnet sich ein Feld mit der Beschreibung und darin steht blau "Stellwerkskizze". Wenn du diese anklickst, dann öffnet sich der Gleisplan.

    Gern kann ich einige Vergleichsbilder der Trassen von heute zeigen.

    Gerne. Ich vermute nur, daß es da kaum noch etwas zum vergleichen gibt, da ja meist auch das Gelände verändert wurde. Auf dem Satellitenbild sind die Streckenverläufer ja nur noch teilweise nachvollziehbar.

    Viele Grüße

    Toralf