">Das Mantelläutwerk
Seinerzeit habe ich die Renovation der Spindelläutewerke in meinem Garten beschrieben:
Läutewerke im Garten, Teil 1, Teil 2 und Teil 3, Zweiklangglocke Revision
Dabei habe ich auch bemerkt, dass ich ein Mantelläutwerk suche. Das wäre die Krönung für meine Sammlung.
Nun, dank einem Freund bekam ich die Information, wo eines noch zu haben sei. Am gleichen Tag bin ich es, mit dem Einverständnis meiner Frau, anschauen gegangen. Es stand bei einem pensionierten Lokführer im Garten.
Schnell wurden wir uns Handelseinig und der Betrag überwiesen.
Da noch gebaut wurde, konnte ich das Läutwerk erst 3 Monate später holen. Aber das Werk und das Gegengewicht habe ich dann schon ausgebaut um es zu Hause zu revidieren.
Bei dieser Gelegenheit habe ich auch genau hingeschaut und mir überlegt, wie ich das Ding dann transportieren könnte.
Da sich die mehrmonatige Lagerung bis zum Transport abzeichnete, wollte ich die Zeit nutzen und die Schrauben gängig machen: Also alles mit Kriechoel eingespritzt. Kriechoel wirkt am Besten, wenn viel Zeit vorhanden ist.
Das Werk sah so aus:
Und das Gegengewicht, das aus zwei ineinander gesteckten Gewichten bestand. Ich habe mir fast den Rücken gebrochen, als ich es zum Auto trug.
Zu Hause wurde es dann begutachtet und elektrisch ausgemessen. Es war alles soweit in Ordnung.
Das Werk wurde irgendwann mal revidiert. Der Zustand, war noch gut. Auch die Spulen hatten zusammen 10 Ohm Widerstand, was, wie ich jetzt weiss, normal ist.
Die Achse der Umlenkrollen sind ziemlich abgenutzt aber noch genügend dick. Was viel Spiel hat, klemmt auch nicht.
Das originale Schmiedeteil wollte ich behalten. Wie auch das Brett, dass wahrscheinlich auch noch original ist.
Ja, die Datierung ist schwierig: Leider weiss ich nicht, wo genau das Läutwerk stand. Nur, dass es an der Gotthardbahn stand. Daher kann als sicher gelten, dass es spätestens 1882, dem Eröffnungsjahr der GB, in Betrieb kam.
Also, nach der Begutachtung wurde zur Demontage geschritten:
Zuerst wurde die hintere Platte abgebaut:
Dort ist der Elektroteil befestigt.
Der noch voller Leben war: ein Bug
Der Rest sah dann so aus:
Links sieht man, dass ich alle Teile in separaten Gurkengläsern gesammelt habe. Besonders wichtig ist das bei den Schrauben: Die haben alle noch “Kaiserwillhelmgedächtnisgewinde” Einen Gewindebohrer zu finden, wäre wohl sehr schwierig!
Alle Teile wurden auch dokumentiert. Aus Erfahrung weiss ich, dass man nie genug Fotos macht! Immer fehlt beim Zusammenbau, gerade die Ansicht, die im Nachhinein eminent wichtig wäre!
Teil für Teil wurde abgebaut:
Die Auslöseklinke:
Der Auslösehebel:
Die Klöppelzugwelle:
Das Grossrad mit Bremse:
Die Luftbremse:
fixiert:
Die Trommel mit der Aufzugsklinke:
Da Klinkenrad: Die 12 Nocken betätigen die Klöppelwelle, die dann den Hammer zum Anschlagen der Glocke bewegt. Es macht eine halbe Umdrehung für 6 Schläge. Zwei gegenüberliegende Nocken sind länger (auf Pos “2” und “8”). Diese drücken dann den Auslösehebel wieder in die Auslöseklinke, und der blockiert das Grossrad.
Auf der andern, der Trommelseite, sieht man den Klinkenmechanismus, der es zulässt, dass das Seil wieder aufgewickelt werden kann.
Nach der Demontage begann dann die Aufarbeitung. Zuerst die beiden Schilde: Sie wurden abgelaugt und dann grundiert:
Ich nehme da normale Gel-Ablauge aus dem Baumarkt. Nach dem Einstreichen, stecke ich die Teile in luftdichte Mülltüten und lasse sie mindestens einen Tag da drin. So kann die Lauge wirken, ohne dass sie austrocknet.
Grundton Grau:
Ich nehme da Industriefarbe von Rustoleum. Die ist nicht ganz billig, aber für den Zweck gut geeignet. Sie ist, im Gegensatz zu der Baumarktfarbe, die ich für die ersten 2 Läutwerke benutzte, wesentlich weniger dreckanfällig.
Die Schilde habe ich gespritzt.
Abkleben und Orange auslegen:
Rand schwärzen:
Schrift auslegen:
Dazu nehme ich einen Lackstift. Der ist sehr gut dazu geeignet. Allenfalls kann die Schrift noch mit farblosem Lack abgedeckt werden.
Als nächstes war die Trommel dran: Die habe ich auf der Drehbank abgeschliffen:
grundiert:
und gestrichen:
auch das Trommelrad wurde aufgearbeitet:
und alles wieder zusammengebaut:
Dann kam das Grossrad mit Bremse dran:
Der Zahnkorb ist zwar in den 140 Jahren ein wenig abgenutzt, wird mich aber überleben:
Die Auslöseklinke mit der Bremse:
und alles wieder zusammengebaut:
Die Auslöseplatte des Magneten auch gereinigt:
Und der Rest der Elektronik:
Vorher:
Während:
und nach der Revision.
Ich habe die Spulen mit speziellem Schrumpfschlauch überzogen. Der Bitumenbelag der drauf ist, scheint mir zu porös, als dass er noch die Feuchtigkeit gut abhält.
Der Bremsflügel wurde demontiert, die Lederteile der Rutschkupplung neu angefertigt, und gereinigt.
Auch das Gewicht wurde abgelaugt und neu gestrichen,
Ebenso die Umlenkrollen:
Das Holzbrett, das das Werk im Mantel beherbergt, habe ich mit Soda geschruppt und mit Leinöl behandelt und die Eisenteile gestrichen.
Ja, am 9.Juli kam der Tag, wo der Rest nach Hause kam:
Dann begann die richtige Arbeit: Die alte Farbe musste runter:
Mit dem Nadelhammer gings ganz gut.
Die alte Eisenglimmerfarbe hat den Untergrund hervorragend geschützt. Obwohl keine Grundierung drauf war.
Ich habe daher auch wieder Eisenglimmerfarbe, diesmal mit Grundierung, verwendet. Zweimal grundiert und zweimal Deckanstrich.
Als ich den Mantel grundierte, habe ich bemerkt, dass Farbe unter dem Oberteil nach innen sickert. Ich habe es dann demontiert.
Heute weiss ich, dass so ein Läutwerk von 2 Personen und einer Sackkarre demontiert und transportiert werden kann. Die waren nicht dumm, unsere Vorfahren:
Das Ganze besteht aus dem Mantel:
Der Glocke:
fixiert mit 2 Halbschalen und Schrauben:
Der zentralen Säule:
Dem Hut links:
und dem Gupf mit Flacheisen, das im Mantel alles zusammenhält mittels Keilverbindung:
Hier nochmals der Keil gut zu sehen und daneben der Draht, der zum Hammer führt:
Der Hammer, mit zwei Winkeln am Hut gelagert:
Die Eisenglimmerfarbe, das muss man sich bewusst sein, ist schwierig ohne Wolken aufzutragen,
Das wurde mir beim Kauf schon gesagt, und ist so eingetroffen, trotz mehrmaligen und langen Mischen an einem Auftrag.
Aber ich bin zufrieden mit dem Aussehen:
Das Innere habe ich mit der restlichen Farbe des Spindelläutwerks gestrichen. Der alte Anstrich war noch so gut, dass ich ihn lediglich anschleifen musste.
Ich habe den Mantel auf der Sackkarre, mit Spanset gesichert, ohne Probleme alleine transportieren können.
Die Füsse bleiben dran, haben aber lange Gewinde: Ich war mir nicht sicher, ob das Läutwerk so standsicher ist, dass es ohne zusätzliche Fixierung steht. Mit den langen Gewinden hätte ich die Möglichkeit gehabt, noch einen Betonsockel zu giessen, in dem die Füsse eintauchen. Das ist aber nicht der Fall, so werde ich die in nächster Zeit kürzen und mit Hutmuttern versehen.
Paralleldazu wurde das Werk wieder komplettiert und eingebaut:
Dann kam der grosse Tag, wo alles in Betrieb genommen wurde: Wie üblich gab es eine Montageparty: 2 Stunden arbeiten und 5 Stunden festen!
Alles liegt bereit:
Das Werk mit dem Gewicht wurde schon vorher eingebaut, verdrahtet und getestet:
Die Glocke wurde, auf einem H-Rahmen mit Spanset fixiert und konnte so bequem gehoben werden. Man darf nicht vergessen: Das ist alles in gewisser Höhe und die Glocken sind schwer zu greifen.
Der Hut mit Hammer und dem Einfädeln des Zugdrahtes, war nicht ganz einfach: Auch das Flacheisen lässt dem Hammer nur wenig Platz. Hier muss man ein wenig zirkeln!
Am Schluss noch der Gupf mit dem Flacheisen. Dann nur noch die grosse Unterlagscheibe mit dem Keil einbauen und ein paar kräftige Hammerschläge. Dann ist alles fixiert.
und dann noch das Abschlussfoto:
Stilgerecht mit der alten Arca Swiss aufgenommen!
Ja, das wars!
Was nebenbei noch geschah: Dass die SPS-Steuerung angepasst wurde: Jeden Mittag (genau um 11:59:45, wegen der Mittagsruhe) läutet abwechselnd ein Läutwerk.
Dies, damit die Dinger sich bewegen und gängig bleiben.
Ich habe noch 2 Abläutkästen gebaut, für die 3 Glocken. Für das Mantelläutwerk habe ich die Steuerung so angepasst, dass der gleiche Knopf, wie für das Zweiklang-Spindelläutwerk benützt werden kann.
Wenn ich den mehr als 3 Sekunden drücke, läutet das Mantelläutwerk, sonst das Spindelläutwerk. Inzwischen habe ich noch einen unglaublichen Fang getan: Ich konnte einen Kurbelinduktor erwerben, mit dem die Läutwerke anfangs gespiesen wurden. Doch das ist eine andere Geschichte.
Ich hoffe es hat Euch Spass gemacht, einen Nebenkriegsschauplatz der Eisenbahn kennen zu lernen.
Gruss Guru