Liebe Leserinnen und Leser,
für August 2020 hatte ich eine Rundreise zu einigen Schmalspurbahnen in Österreich zusammengestellt. Zuerst besuchte ich die Murtalbahn, anschließend die Schafbergbahn, die Steyrtalbahn und zum Abschluss der Reise die Mariazellerbahn. Dabei lernte ich nicht nur Strecken kennen, die ich bisher noch nicht besucht hatte, es ergab sich auch unbewusst ein sehr schöner Querschnitt über fast alle wichtigen Schmalspurtriebfahrzeuge der Alpenrepublik. Als kleine Lektüre an langen dunklen Novemberabenden möchte ich Euch gern in den nächsten Tagen in vier Teilen in Wort und Bild mit zurück nehmen in den sonnigen Sommer und in 132 Jahre Schmalspurbahngeschichte.
Teil 1: Die Murtalbahn und die Reihe U
Am Donnerstag dem 06.08.2020 widmete ich mich dem Dampflokeinsatz auf der Murtalbahn. Auf dem Hinweg nach Tamsweg verfolgte ich den Dampfzug mit dem Auto, zurück ging es auf der ersten Plattform hinter der Lok bis Murau und mit dem planmäßigen Triebwagen wieder zurück nach Tamsweg.
Seit 7. Oktober 1894 verbindet die Murtalbahn den obersteirischen Bezirk Murau mit dem Salzburger Bezirk Lungau. Die 760mm-Schmalspurstrecke führt von Unzmarkt über Murau (27 km), Stadl an der Mur (44 km) bis nach Tamsweg (64,3 km) und verläuft in großen Teilen entlang des Oberlaufs der Mur. Einstmals führte die Strecke weiter bis nach Mauterndorf (76,1 km). In diesem Abschnitt wurde allerdings bereits zum 31.03.1973 der reguläre Personenverkehr und zum 01.09.1981 nach Beschädigung einer Brücke auch der Güterverkehr eingestellt. Seit 1988 werden unter dem Namen „Taurachbahn“ vom „Club 760“ zwischen Mauterndorf und Sankt Andrä-Andlwirt Museumszüge angeboten. Sogar die restlichen 1,2 km sind wieder befahrbar, die Verbindung zur Murtalbahn in Tamsweg wird aber nur zum Fahrzeugaustausch und für wenige Sonderfahrten genutzt.
Der fahrplanmäßige Personenverkehr wird von den Steiermärkischen Landesbahnen mit Triebwagen im Zwei-Stunden-Takt abgewickelt. Die ersten vier Triebwagen (VT 31–34) sowie passende Steuerwagen (Vs 41 – 44) wurden 1981 - 1982 von Knotz in Wien gebaut, ein weiterer kam als VT 35 im Jahr 1999 aus den Jenbacher Werken hinzu. Diese Fahrzeuge dienten auch als Vorlage für Triebwagen für die Zillertalbahn (sechs Stück) sowie für die Reihe 5090 der ÖBB (17 Stück). Zwischen Unzmark und Murau gibt es zudem einzelne Güterzüge mit Diesellok. Das erste Foto des Beitrages repräsentiert den Planbetrieb. Ein Gespann aus VS42 und VT35 steht neben VL 13 im Bahnhof Murau-Stolzalpe und wartet auf den Gegenzug. Hier befinden sich auch die Werkstatt und Abstellhallen der Bahn.
Highlight der Bahn sind die überwiegend in der Sommersaison stattfindenden Dampfzugfahrten mit den Loks U.11 (Baujahr 1894/Krauss & Co. Linz) oder Bh.1 (Baujahr 1905/Krauss & Co. Linz). Die Reihe U wurde zuerst von Krauss & Co. in vier Exemplaren für die Murtalbahn als Weiterentwicklung der Steyrtalbahnlok gebaut und wegen des Ausgangspunktes Unzmark als „U“ bezeichnet. Diese Reihe entwickelte sich zur Standardlok für Schmalspurbahnen auf dem Gebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie: Es wurden 54 Stück als Reihe U, zehn Stück als Nassdampf-Verbundvariante (Reihe Uv), eine Lok als Heißdampflok (Reihe Uh bzw. später Bh) und neun Loks als stärkere und größere Heißdampfvariante (Reihe BBÖ Uh) gebaut.
Sehenswert in Murau ist neben der Bahn der Altstadtbereich mit der Kirche, der hölzerne und überdachte Aufgang auf den Burgberg und die Burg selbst. Hier ist alles auf einem Bild festgehalten als sich die Lok Bh.1 mit ihrem Zug auf den Weg nach Tamsweg macht und gleich den ersten Tunnel durchfahren wird.
Bh.1 verlässt nach dem Wasser- und Fotohalt mit ihrem Zug den Bahnhof Stadl an der Mur.
Ohne Halt wird der 2008 zur Ladstelle degradierte Bahnhof Predlitz-Ladin durchfahren.
Weiter geht die Fahrt entlang des Oberlaufs der Mur.
In Tamsweg gab es frisches Wasser, neue Kohle und die Lok wurde mit Muskelkraft gedreht, so dass sich dieses Lokporträt ergab. Interessant auch die Geschichte der Bh.1: Die Niederösterreichischen Landesbahnen bestellten anlässlich der Verlängerung der Pielachtalbahn von Kirchberg an der Pielach bis Laubenbachmühle 1905 bei Krauss & Co. Linz eine Heißdampflok die ansonsten in den Abmessungen und Leistungsdaten den Loks der Reihe Uv entsprach. Die mit einem Überhitzer nach dem Patent von Wilhelm Schmidt ausgestattete Lok war somit die erste Heißdampflok in Österreich. Trotz positiver Erfahrungen erfolgte kein Weiterbau der zuerst als Uh.1 bezeichneten Maschine. 1923 ging sie zur Salzkammergut-Lokalbahn, 1924 zur Bregenzerwaldbahn, wo sie auch die neue Bezeichnung Bh.1 bekam. Nach dem 2. Weltkrieg kam sie als 398.01 unter der ÖBB auf die Ybbstalbahn und in den 1960er-Jahren zur Waldviertler Schmalspurbahn. Nach der Ausmusterung 1973 gelangte die Lok über den „Club 760“ und einen Loktausch zu den Steiermärkischen Landesbahnen. Diese setzt die Maschine seitdem mit wenigen Unterbrechungen bzw. Gasteinsätzen im Nostalgiezugverkehr auf der Murtalbahn ein. Sie ist heute die älteste erhaltene und betriebsfähige Heißdampflok weltweit.
Auf der Rückfahrt gab es erneut eine Zugkreuzung in Stadl an der Mur.
Hier steht die Bh.1 in Murau wieder in Richtung Tamsweg gedreht vor zwei Wagen, mit denen sie sich als „Ehrenlokführerzug“ am späten Nachmittag noch einmal auf die Strecke begeben wird. Gespannt war ich, wie und ob die Lok in Murau gedreht werden konnte, da dort keine Drehscheibe zu entdecken war. Das Geheimnis (bzw. vielmehr die Drehscheibe) liegt in der Fahrzeughalle verborgen. Zum Drehen der Lok muss aber erst ein Tor in der Seitenwand geöffnet und der Triebwagen auf dem Nachbargleis zur Seite gefahren werden. So fuhr die Lok vorwärts in die Halle und kam wenige Minuten später mit dem Schornstein voran auch wieder heraus.
Zum Abschluss des Beitrages zur Murtalbahn noch ein Bild des Planverkehrs: VS43 und VT 35 verlassen am späten Nachmittag Tamsweg talwärts in Richtung Unzmark.
Auf dem Weg zum Wolfgangsee schaute ich noch in Mariapfarr sowie Mauterndorf an der Taurachbahn vorbei, auf der allerdings an diesem Tag kein Fahrbetrieb stattfand. Dieses Stillleben zeigt den Bahnhof von Mariapfarr.
Das war es für heute. Morgen geht es weiter mit der Schafbergbahn.
Viele Grüße und einen schönen Abend
Christian
Quellen:
Beier, R.: Reihe U, Stuttgart 2001
http://www.schmalspur-europa.at/ [Zugriff am 31.10.2020]
https://de.wikipedia.org/wiki/KkStB_U [Zugriff am 08.11.2020]
https://de.wikipedia.org/wiki/Murtalbahn [Zugriff am 08.11.2020]
https://de.wikipedia.org/wiki/StB_VT_31%E2%80%9335 [Zugriff am 08.11.2020]