Liebe Freunde,
da ich vor einigen Monaten Blumenberg und Oschersleben vorgestellt hatte, möchte ich nun auch das Mutter BW vorstellen.
Mitte der 80er war noch fast in allen RBD der Deutschen Reichsbahn Dampfbetrieb angesagt und wir Dampfbegeisterten konnten uns da noch voll austoben. Einzig, man hatte wenig Geld, da Schüler bzw. Student. Somit waren die Ziele etwas eingegrenzt und auch der Erwerb von Filmen kostete natürlich etwas, wie auch die Fotoausrüstung selbst. Ganz nebenbei stört ja auch irgendwie die Schule, denn den Dampfbetrieb festhalten empfand ich als weitaus wichtiger als mein Abitur - ich kann aber alle beruhigen, auch das habe ich hinbekommen.
Da viele Freunde, wie ich auch nur ein Fahrrad besaßen und sonst nicht Mobil waren, waren alle Tagesausflüge mit der Bahn zu erledigen. Aber es gab noch keine Taktfahrpläne und von manche interessante Einsatzorte kam man einfach wieder schlecht weg. Dann hieß es, anderes Ziel oder über Nacht auf einem Bahnhof kampieren.
Letzteres war gar nicht so schlecht. Die Bahnhöfe waren besetzt und oft - vor allem auf dem Land - gut gepflegt. Ein alter Kachelofen sorgte für Wärme und die ganze Nacht durch gab es Zugbetrieb, auch Dampfloks, dass brachte Abwechslung. Wenn man Glück hatte, wollte der Fahrdienstleiter seine Schicht abwechslungsreicher haben und lud einem zu Plausch und extrem starke Bohnenkaffee ein. Wenn man Pech hatte, war der Eisenbahnerkaffee auch noch türkisch und alles wuselte dann zu einer Brühe zusammen... und dennoch war es eine schöne Zeit. Eisenbahner und Eisenbahnfans achteten einander. Oft half man sich oder bekam Tipps. Die Kolleginnen und Kollegen der Bahn waren noch Stolz - Eisenbahner zu sein.
Für mich lag Halberstadt recht günstig als Tagesausflug. Es gab noch eine Menge Planloks und auf dem Weg dorthin, konnte man in Aschersleben, Güstener 41 oder 50er abpassen.
Bei meiner ersten Tour nach Halberstadt (Hab) waren wir dann aber doch erschrocken, als die Transportpolizei in ascherleben dem Eilzug Halle - Wernigerode zustieg und unsere Ausweise sehen wollte und fragte: "Was wir in Halberstadt wollen..." Ich antwortete: "Den Dom besichtigen..." ..denn Dampfloks fotografieren wäre wohl die falsche Antwort gewesen. Als die TraPo weg war, fragte ich meine Freunde: "Gibt's da überhaupt einen Dom?"
Gut, mit 14 war ich noch nicht so kulturell interessiert, wie es später kommen sollte.
Aber es klappte alles bestens, aus dem Modelleisenbahner kannten wir einige Umläufe und sollten in Wegeleben - dem Trennungsbahnhof der Strecke Halle - Wernigerode - Ilsenburg zur Strecke Wegeleben - Thale unsere erste dampfende Begegnung haben. bei der einfahrt in Halberstadt begrüßten uns die ausgedehnten Bahnanlagen vom Güterbahnhof und Bahnbetriebswerk. Abgestellt kalte Loks, dampfende 50er am Kohlebahnsen usw.
Heute ist von der Pracht eines großen Bahnhofes nicht mehr viel geblieben. Der Rückbau in den 90ern hat hier volle Tatsachen geschaffen. Güterverkehr ist kaum noch möglich, das Bw längst Geschichte und abgebrochen.
Das Bahnhofsgebäude sah in den 80ern noch aus, wie ein riesiger Container um netten blauweißen Design. Wie sich herausstelle, war die Blechfassade nur dazu da, die Kriegswunden des Gebäudes zu übertünchen.
Halberstadt zählte in den 80ern noch zu den großen Dampfbetriebswerken. 6 Planloks, davon 3 in Oschersleben im Einsatz, dass war schon eine Leistung. Gefahren wurde nach Ilsenburg, Blankenburg, Aschersleben, Thale, Gernrode/ Ballenstedt, Wernigerode, Nienhagen, Gunsleben, Magdeburg, Wanzleben....
Es gab hin und wieder noch Doppeltraktion zu erleben und eigentlich gab es hier den letzten D Zug in Deutschland mit Dampf. Denn der P19408 war die Verlängerung des D Zuges aus Berlin, welcher ab Halberstadt als beschleunigter Personenzug verkehrte.
Und Halberstadt sollte auch die letzten deutsche Dienststelle sein, wo noch Dampflokomotiven verkehrten. Noch bis Oktober 1988 rauchte es in der Börde und mit 50 3559 endete die Dampflokzeit in Halberstadt bzw. Deutschland.
Nunja, das betreten des BW Gelände war streng verboten und wurde gut kontrolliert. Gut das Zäune Löcher bekommen und man dann mit "Freude der Mutter" durch Brombeergestrüpp kletterte und sich halb die Klamotten zerriss, aber es war ja für das Objekt der Begierde.
Einen guten Fotostandpunkt fanden wir auf dem Tender der 22 064 und ergatterten ein Foto von 50 3553 mit dem schnellen P 19406.
Von Halberstadt ging es stetig bergauf in Richtung Wegeleben. Die Landschaft war zwar nicht der Bringer, aber bei den schweren Zügen war die Bergfahrt ein Konzert für die Ohren. Hier bringt 50 3606 kurz vor Wegeleben den Boden zum beben.
Dagegen fährt jetzt 50 3708 aus dem Bahnhof Wegeleben aus, es handelt sich um P 19413, der Rückleistung des 19408. Die Wagenzusammenstellung variierte immer etwas, ich weiß, dass es hier im Forum echte Fachleute dazu gibt. Interessant sind noch die alten Mod. Wagen, welche hier zum Einsatz kamen.
Mit einem Reisezug nach Aschersleben rauschte 50 3552 an uns vorbei, womit sie auch keine Mühe hatte. Beeindruckend sind die Dimensionen des damaligen Bahnhofes.
Beachtlich waren die Nahgüterzüge in Richtung Thale, die in Quedlinburg oft geteilt wurden und wofür dann die zweite Lok mitlief. Hier erleben wir 50 3520 und 50 3557 mit einen bunten Fuhre kurz vor Wegeleben.
Wieder P19408 mit idealer Umsteigeverbindung aus Halle - welche ich ja selbst nutzte und dann weiter mit dem Dampfzug fuhr. Kurz vor dem dampfende nahm der schilderklau richtig fahrt auf, so dass einige Schilder in Ersatz angefertigt wurden, teilweise aus Holz oder mit Pappziffern...
Ankunft Quedlinburg des P19408. Das Empfangsgebäude der Fachwerk Stadt ist ein Traum des Historismus, hier hatte man sich stark der Gotik zugewandt und baute so in Neogotischer Kulisse ein Sandsteingebäude auf.
Noch gab es hier Anschluss in Richtung Gernrode auf Regelspur.
...und es gab noch Gütergleise mit Dampfbetrieb. Die schmucke 50 3662 wartete auf Ausfahrt, welche erst erteilt wird, wenn der Reisezug nach Frose raus ist. Die resolute Eisenbahnerin wartete schon ungeduldig auf die Bremszettel.
Hier hat 50 3553 schon Ausfahrt und ist auf dem Weg nach Ballenstaedt. Interessant bei dieser Zugbegegnung, es rumpelt gerade ein reiner LOWA Wagenzug vorbei.
Die bestens gepflegte 50 3606 kam mit dem P19413 aus Thale zurück. Mächtig erheben sich die Berge aus dem Harzvorland herauf. In wenigen Minuten trifft die Thaler Strecke die Gernröder Strecke.
Thale war in den 80eren vor allem Hexentanzplatz und Roßtrappe. Die Stadt selbst war wenig attraktiv, geprägt durch Industrie. Das Reisezugpaar 19408/413 hatte längeren Aufenthalt in Thale. Daher war hier alles Menschenleer.
Mit einem ewig langen Rübenzug rollte dieses Duo in Halberstadt ein. Wahrscheinlich wurde in Hab umgespannt und mit Diesel nach Könnern zur Zuckerfabrik weitergefahren. Die Kriegsbemalung der Zuglok ist sehr auffällig und sollte nur zeigen, dass das Personal was übrig hatte für seine Dampfer.
In Hadmersleben kam uns die 503662 entgegen. Aber sch…. mit Militär hinten drauf, dass ist nicht Gut und kann Ärger bedeuten. Also Foto gemacht und Kamera schnell weggedreht... Begegnungen mit der Staatsmacht wollte man vermeiden. Die Fliederbüsche am Lokschild waren ein bekanntes Zeichen der Männer, die ihrem "Herrentag" gern begehen wollten, aber es war kein Feiertag. Auch Bus und LKW waren so geschmückt.
Nur bei Ausfall einer 119 fuhren auch Reisezüge von Halberstadt nach Magdeburg, hier kurz vor Buckau an der Blockstelle, wo der GV abzweigte zum Güterbahnhof Buckau.
Recht kunterbunt war diesmal der 19413, als er Wegeleben verläßt. Zuglok ist 50 3553
Selbe Lok andere Jahreszeit, 50 3553 verlässt in Richtung Thale den Bahnhof Wegeleben.
Mit Kühlwagen und anderen Waggons rollt 50 3556 in den Bahnhof Wegeleben ein.
Dagegen haben 50 3684 und eine weitere 50.35 nichts zu tun und fahren leer nach Halberstadt.
So erging es auch 50 3606, die Rückleistung ist ausgefallen, also LZ nach hause. Interessant ist die Weiche im Hintergrund, sie verband das Gleis der Strecke nach Thale mit den Gütergleisen in Wegeleben.
Aber diesmal ging es ja leer gleich über Gleis 1 nach Halberstadt.
Und das war das Ende - die letzte Dampfleistung wurde intensiv begleitet. Ich weiß nicht, ob heute noch ein Dampfzug solche Massen anziehen wird, vielleicht erkennt sich jemand auf dem Bild
In Thale tummelt sich jetzt alles schnell zur Drehscheibe...