[Molli] Regelwerk für Lokneubau?

  • Guten Morgen,

    aufgrund eines Tips eines Fotographens am Molli in Bad Doberan habe ich mich hier angemeldet.

    Der Molli bekommt eine neue Lok (das ist bekannt) und mich interessiert, nach welchem Regelwerk die Lok gebaut wird (AD2000, EN 13445, ...). Kann dazu jemand eine Aussage machen?

    Gruß
    Worringer

  • Hallo,

    Sicherlich gibt es Regelwerke, nach denen dieser Bau erfolgt, wobei es sich ja hier eigentlich um den Nachbau einer vorhandenen, zugelassenen Dampflokomotive mit all ihren Parametern handelt, von denen noch alle Konstruktionszeichnungen existieren und es sich ja nicht um die Entwicklung und Bau einer neuen Dampfloktype handelt, bei denen es sicherlich viel komplexere Vorschriften zur Neuentwicklung gibt. Diese Zeichnungen werden nach den heutigen Vorschriften bzw. den Anforderungen überarbeitet und dienen dann als Grundlage. Es gibt eher Vorschriften für einzelne Komponenten einer Lokomotive, wie Rahmen, Radsätze, Kessel, Schweißnormen usw. und um diese heutigen Standarts bzw. Normen zu erfragen, solltest du dich an das zuständige Ingenieurbüro wenden (das ist nicht das Dampflokwerk Meiningen!!!). Die Zulassung einer neu konstruierten Dampflok würde doch schon an den Vorschriften für den Emissionsschutz scheitern.
    Die Mecklenburgische Bäderbahn Molli GmbH ist zwar Auftraggeber für das fertige Produkt, aber Planung und Durchführung dieser Arbeiten liegen bei anderen Unternehmen und dies ist nicht in jedem Fall das Dampflokwerk in Meiningen! Ansonsten wäre es vielleicht hilfreich sich mit solchen Fragen über Baunormen an zuständige Behörden wie Eisenbahnbundesamt oder den LfB zu wenden, nach deren Vorschriften der Molli betrieben wird.

    Gruß

    Robert

  • Du hast schon die Vorschriften für Schweißungen (z.B. Schweißen an drucktragender Haut) angesprochen, daran anknüpfend spiele auch im Speziellen auf die Druckprüfung des Kessels an. Weißt Du zufällig, welches Ingenierbüro die Konstruktion übernimmt?
    Die Bäderbahn muß das Ganze auch abnehmen, sie kann ihre Verantwortung nicht komplett übertragen (wenn ich die Analogie zum Kraftwerksapparatebau aufmache).

  • Die neue Lok wird von mehreren Abgenommen, dazu gehört unter anderem der LfB. Es wird jeder Arbeitsschritt durch Zwischenabnahmen begleitet. Der LfB erteilt letztendlich die Betriebserlaubnis, nur unter dieser Maßgabe kann sie vom Molli abgenommen werden. Ohne Zulassung keine Fahrten. Das Ingenieurbüro kenne ich nicht, darüber gibt es für Dritte beim Molli keine Auskunft.
    Noch ein anderer kleiner Hinweis: Im Moment entsteht für den Molli ein Gepäckwagen im Dampflokwerk Meiningen! Er wird auf dem Rahmen eines 900mm Flachwagen der Braunkohle, von dem der Molli im Jahr 2000 4Stück gekauft hat, gebaut.

  • Hallo,

    die Konstruktion des Kessels übernimmt das Dampflokwerk selbst, die Abnahme erfolgt mit größter Wahrscheinlichkeit durch den Gutachter vom TÜV Süd. Grundlage wird die alte Kesselzeichnung von O&K, natürlich in Schweißkonstruktion, wenn es nicht schon zu DDR-Zeiten Neubaukessel mit Zeichnung gab (ist mir jetzt bei den Mollis nicht bekannt). Allg. Grundlage ist die EG-Druckgeräterichtlinie. Sicherheitsventile auf "Bestandschutz" Ba. Ackermann.
    Eine Rahmenneukonstruktion gibts es schon für die Rollenlagerlok (Nummer hab ich jetzt grad nicht im Kopf - die 22 ?). Die Neue bekommt wieder Gleitlager.

    Normen für einen Dampflokbau gibt es nicht, Schweißnähte werden nach DIN 6700 ausgeführt, Festigkeitsberechnungen nach EN 12663. Lastannahmen gibts für Schmalspur nicht normiert, da werden die UIC-Lastannahmen für Normalspur in Abstimmung mit dem Festigkeitsgutachter abgewandelt. Für andere Bauteile wie Stangen werden Einzelnachweise erbracht und begutachtet. Radsatzkonstruktion eventuell auf "Bestandsschutz" nach den alten O&K-Zeichnungen, höchstens die Achswellen könnten nach neuer Norm EN 13103 umkonstruiert werden, wenn es der LfB bzw. Betreiber will. Berechnung der Wellen nach DIN 743. Die Zylinder entstehen nach alten Zeichnungen. Bei vielen Sachen muß die Behörde in Sachen "Nachbau" bzw. "Bestandsschutz" mitgehen, sonst wird das Unternehmen ein Fass ohne Boden und man kriegt so ein Gerät a la Schafbergbergbahnneubau...

    Freundlicher Gruß

  • Hallo,

    Hier noch ein paar Ergänzungen: Grundlage für den Dampfkessel ist nicht die O&K Kesselzeichung, sondern die Kesselzeichnung vom ehem. Werk Görlitz. Dieses hatte 1995 bereits einen neuen Kessel angefertigt, 1997/98 folgten dann zwei weitere Kessel so dass alle drei Loks neu bekesselt sind.
    Alle drei "großen" Loks haben bereits neue Rahmen, beginnend ab 2002 begann der Umbau. Bei der Rollenlagerlok handelt es sich um 99 2322-8, die aber wegen der andauernden Probleme mit den Rollenlagern dann bei der letzten HU (2006) auf Gleitachslager zurückgebaut wurde. Wobei anzumerken ist, dass nur die Treibachsen auf Gleitachslager zurückgebaut wurden, die beiden Laufachsen laufen nach wie vor mit Rollenlager.
    Die Zylinder sind mittlerweile auch nicht mehr die Originalen. Die DR hatte Anfang der 80er Jahre bei allen Loks die Graugusszylinder gegen geschweißte Neubauten getauscht. Ich denke mal dass die neu anzufertigenden Zylinder daher auf der Basis der Zeichnung der DR erfolgt.

  • Aha, bleibt zu hoffen, das die Kesselzeichnung von Schlauroth gerettet werden konnte. Wenn die Zylinderzeichnung noch auffindbar ist, wäre das natürlich die Vorlage. Die Schweißzylinder und Neubaukessel waren mir bisher nicht bekannt.

    Gruß

  • Alle Zeichnungen sind noch vorhanden und dienen als Grundlage für den Neubau.
    Warst du schonmal im Mollimuseum Kühlungsborn? Der dort aufgestellte und längs aufgeschnittene Kessel ist von der 99 2323. Als 1995 im Auftrag der DB ein neuer Kessel angefertigt wurde, hat das damalige Werk in Schlauroth den alten Kessel für unser Museum als Ausstellungsstück hergerichtet.
    Von den alten Graugusszylindern gibt es heute noch 2Stück in privatem Eigentum, einer davon als Leihgabe an unser Museum.
    Von den originalen Lokrahmen befindet sich einer in Bad Doberan versteckt unter einer Plane auf zwei SKL-Anhängern liegend. Was daraus werden soll weiß keiner.

  • Moin, war zwar voriges Jahr mal zwei Tage in Kühlungsborn, aber da gings weniger um Eisenbahn :D
    2 Probleme "aller" vorhandenen Zeichnungen dürften heute sein: 1. Meiningen kann nicht alles selber fertigen und Zulieferer können nach Zeichnungen von Anfang der 30er Jahre nicht so ohne weiteres fertigen (keine Toleranzen, Form u. Lageabweichungen, andere Werkstoffe, null Erfahrung mit der Materie) -> Zeichnungen müssen angepasst werden
    2. Veränderungen während der Produktion der drei Loks dürften mangels Perspektive auf eine größere Serie nur bruchstückhaft eingearbeitet worden sein, ganz zu schweigen von den unzähligen Änderungen durch Betriebserfahrung in den 75(?) Jahren Betrieb -> mühsame Aufnahme aller Abweichungen an den Loks

    Gruß

  • Hallo,

    danke für die sehr ausführliche Antwort.

    Das die PED (Pressure Equiptment Directive) greift habe ich mir schon gedacht.
    Ich glaube, daß es schwierig ist, eine solche Maschine nach den aktuellen Regelwerken zu konstruieren, alleine schon aus prüftechnischer Sicht kann ich mir da zahlreiche Unterscheide vorstellen. Von der Fertigung und den Werkstoffen ganz zu schweigen (weil das jemand weiter unten erwähnte). Eine Druckprüfung ist da wahrscheinlich noch das kleinste Problem.

    Ich finde das Thema sehr interessant, weil ich solche Behälter (Wärmetauscher und Hochdruckvorwärmer in Kraftwerken) konstruiere, aber diese sind unbefeuert und die EN 13445 ist ausschließlich für unbefeuerte Druckbehälter.

    Insgesamt ein sehr schönes Thema und ich hoffe, daß der Molli eine Begleitdokumentation in Auftrag gegeben hat.