20 Jahre Harzkamel

  • Guten Tag,

    Es ist nun schon gut 20 Jahre her, daß die Lok 199 863 als erste von 30 (in Worten: dreißig !) geplanten Schmalspur-V100 Betriebsversuche auf der Harzquer- und Brockenbahn machte. Die Auslieferung des Prototypen verzögerte sich durch Produktionsengpässe im RAW Stendal immer wieder, so daß die 199.8 für ihren eigentlich gedachten Zweck des Traktionswechsels wegen der politischen und wirtschaftlichen Wende (zum Glück) schon zu spät kamen. Das allerdings ahnte damals im Dezember 1988 kaum jemand und so wurden die zum Jahresende 1988 angelieferten 199 863 und 199 871 in den folgenden Monaten akribischen Untersuchungen unterzogen. Dabei zeigte sich die grundsätzliche Verwendbarkeit des Umbaus, wenn auch Kompromisse bezüglich Laufruhe, Gleisbeanspruchung und Wirtschaftlichkeit gegenüber der Regelspurausführung unumgänglich waren. Ein Schmalspur-Optimum war ohnehin nicht zu erwarten. Alles in allem war der Umbau jedoch eine sehr gute ingenieurtechnische Leistung. Man hatte das Beste aus den planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gemacht. Ästhetik durfte keine Rolle spielen (die 199 ist noch um 30 mm höher als die 110!) - neue Lokomotiven wurden schließlich gebraucht und eine andere Lösung war eben nicht durchsetzbar.
    Nicht zuletzt mußte auch die Infrastruktur an die Traktionsart angepaßt werden, die künftig dominieren sollte. So erinnert z.B. derzeit noch das Vierschienengleis in der Einsatzstelle Wernigerode an die zentralistische Zeit. Hier sollten die Loks mit Pratzenhebern auf regelspurige Transportdrehgestelle gesetzt und per Schiene (wie sonst?) zum RAW befördert werden. So kamen die Loks übrigens auch "fabrikneu" nach Wernigerode. Für den Transport der Drehgestelle waren im Bahnhof Minsleben Schmalspurtransportwagen hinterstellt.
    Schließlich erhöhte sich der Bestand der 199.8 nur noch auf 10 Maschinen, alles ehemalige 110er der letzten Lieferungen. Es waren dies 199 861*, 863, 870*, 871, 872, 874, 877, 879*, 891* und 892, die Ordnungsnummern wurden beibehalten. Die mit * gekennzeichneten Loks wurden zwischenzeitlich verkauft, der Rest ist noch im Bestand der HSB. Betriebsfähig sind derzeit noch die 199 861, 872 und 874, alle mit Funkfernsteuerung und eingesetzt im Güter-, Arbeitszug- und Rangierdienst. Die vorgesehenen DB-Betriebsnummern 299 110 bis 119 hat keine der Loks getragen.

    Ich habe ein paar SW-Negative gefunden, die ich damals als Zaungast von den ersten Probefahrten gemacht habe und die ich hier als Gruß zum Neuen Jahr trotz mäßiger Scan-Qualität einmal zeigen möchte. Zuvor konnten sich viele eine problemlose Fahrt der Kollosse durch die Rennekurve kaum vorstellen ...

    Am 10. Dezember 1988 startete die erste Streckenprobefahrt von Wernigerode nach Drei Annen Hohne. Die 199 005 hatte einen Rollwagen zur Demonstration der Funktion der Kuppeltasche unterhalb der Balancierkupplung gebracht. 99 240 war vermutlich mit einem Personenzug von Benneckenstein gekommen und rangiert zum Restaurieren.


    Unterwegs flog nun doch keine der Gelenkwellen in das Gleis und Drei Annen Hohne wurde problemlos erreicht. Irgendwie war der bevorstehende Abschied vom Dampf noch nicht vorstellbar, aber 8 Wochen zuvor war ja auch auf der Regelspur offiziell Schluß und der Einsatz rumänischer Dieselloks auf 750 mm auch irgendwie absehbar...


    Weitere Probefahrten wurden im Dezember 1988 zwischen Wernigerode und Schierke durchgeführt. Umsetzen im vertäumten Bf. Schierke.


    Vom Kamel kann man auf den Dampfbetrieb herabschauen, so auch im Bf. Hasserode.


    Auch im Dezember 1988 war die anspruchslose ex NWE 6 noch unverzichbar. Hier nimmt sie gerade Anlauf, sich vor dem neuen 199er Kamel im Anschluß der Palettenfabrik in Hasserode zu verstecken.


    [size=18px]Allen ein frohes und gesundes 2009 ! [/size]


    Andreas Krause

  • Hallo super, ja so schnell vergehen die Zeit und auch die Ansichten. Aber mal ehrlich gesagt, die HSB kann auf die "Kamele" garnicht mehr verzichten. Im Havariefall oder bei Entlastungszügen ist sie ja viel schneller betriebsbereit und wenn man die Web-Cam beobachtet , dann ackern diese "Tiere" in Wernigerode Tag täglich. MfG Klaus

  • Hallo Andreas !
    Prima Beitrag über die Inbetriebnahme des ersten Harzkamels vor gut 20 Jahren.
    Danke dafür!
    Ich kann ich mich noch an den Tag erinnern, als die 199 863-2 zum ersten mal vor einem Personenzug nach Nordhausen sah.
    Als sie am frühen Abend wieder nach Wernigerode fuhr bin ich mit meinem Moped nach Eisfelder Talmühle gefahren, weil dort durch den planmäßigen Wasserhalt einige Minuten Zeit war, um die Maschine in Augenschein zu nehmen.
    Ich kann mich noch erinnern, das ich in dem Moment ein ganz eigenartiges Gefühl in mir hatte.
    Könnte man so beschreiben wie: Eine Mischung aus Freude und Trauer, der Anblick der gewaltigen Maschine war schon beeindruckend und ich kann mich erinnern, daß das Lokpersonal sehr positiv von den Fahreigenschaften der Lok sprach.
    Allerdings kam gleichzeitig Wehmut auf, stand doch die Inbetriebnahme von 29 weiteren Lokomotiven dieses Typs zur Debatte, was unweigerlich das nahende Ende des Dampfbetriebes in der bisherigen Form bedeutet hätte.
    Daß sich die Zeiten in den nächsten Monaten so gravierend ändern sollten, konnte ja in dieser Zeit noch niemand ahnen, so das es aller Wahrscheinlichkeit zu ersten Abstellungen von Neubaulokomotiven gekommen wäre.
    Die zweite im Bunde, die 871, kam ja nach der Erprobung dann auch alsbald von Nordhausen aus im schwerem Güterverkehr zum Einsatz.

    Glücklicherweise kamen dann aufgrund der ganzen Umwälzungen in Zusammenhang mit der politischen Wende "nur" 10 Maschinen und ich glaube die HSB hat mit dem jetzigen Konzept den richtigen Richer gehabt und die "Kamele" versehen ganz dezent im Hintergrund den Rangierdienst, Schneeräumdienst und Güterverkehr u.a.(wenn erforderlich).

    Manchmal könnte man meinen, es wäre sogar Bedarf für eine weiter betriebsfähige Maschine vorhanden, zumindest wenn der Güterverkehr in der bisherigen Form auch im jahre 2009 u.ff in ebensolcher Form durchgeführt werden würde wie in den zurückliegenden 3 Jahren.
    Die Reperaturen an den Maschinen, um sie für den anstrengenden Dienst mit den Splitzügen für Holland am laufen zu halten, müssen ja in den letzten jahren recht aufwendig gewesen sein.

    Auf jeden Fall stellen sie eine willkommene Abwechslung in dem ohnehin sehr vielfältigem Lokomotivpark der HSB dar, und ich Wünsche den noch vorhandenen "Harzkamelen" mindestens 20 weitere Einsatzjahre auf ihren mittlerweile angestammten Strecken im Harz...
    Thomas

  • Hallo,
    vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich kann mich noch gut an die Zeit damals erinnern, auch wenn ich zu der Zeit kaum Aufnahmen gemacht habe. Jedoch war ich im September 1989 im Harz im Urlaub und da begegneten mir auch die "Kamele". Damals habe ich von den beiden ersten Loks jeweils nur ein Bild gemacht und als ich später noch einmal im Harz war und zwischen Benneckenstein und Eisfelder Thalmühle einen Dampfzug fotografieren wollte, in der Ferne aber den Diesel brummen hörte, habe ich die Kamera gesenkt und bin gegangen - das würde mir heute sicher nicht mehr passieren ;)
    Hier noch meine beiden einzigen Bilder von den ersten beiden Kamelen im Harz aus dem September 1989:


    199 863 bei Drei Annen Hohne


    199 871 in Wernigerode

    Heute bin ich froh, die Loks mal zu erwischen, so ändern sich die Zeiten!

  • Ja man muss sagen so ändern sich die Zeiten...früher habe ich sie gehasst wie fast alle Eisenbahnfans..heute liebe ich sie. Hört man heute das Horn der Kamele im Harzwald stellt man sich an die Strecke uns guckt welche kommt...früher ist man beleidigt abgezogen.
    Also dann alles gute 199 861, 871, 872, 874, 877 und 892. Die Exoten auf Meterspur....und ohne sie wären manche Züge kaum vorstellbar....darum finde ich es richtig das es haute sogar Sonderzüge mit dem Harzkamel gibt...denn auch wenn sie immer noch fahren...im Plandienst sieht man sie nicht mehr..also ein Achtungspfiff an die Harzkamele...ich meine inzwischen sind sie kein Feindbild mehr auf Harzer Schmalspurgleisen wie Anfang der 90er...heute gehören sie einfach dazu!

    Gruß aus dem Harzvorland

  • Für uns die Personale, war es der langersehnte Traktionswechsel mit verbesserten Arbeitsbedingungen. Als dann doch nichts draus wurde waren einige schon enttäuscht.
    Denn besser eine schlechte Diesellok als eine gute Dampflok, so zumindest dachten wir.
    Wir wollten ja auch mal endlich bessere Bedingungen auf Arbeit haben. Denn die Arbeitsbedingungen auf einer Dampflok sind eben doch entschieden schwerer als auf moderner Traktion. Und ich kenne nur sehr wenige die freiwillig von moderner Taktion zurück auf die alte Dampftraktion gewechselt haben. Die Ölhauptfeuerung hatte man uns ja auch nicht lange gegönnt.
    Auch das möchte ich mal bei aller Dampflokeuphorie zu bedenken geben.
    LG Reiner

  • Danke für den interessanten Beitrag.
    Das Vierschienengleis in Wernigerode aber hatte mit den Harzkamelen soweit ich weiß nichts zu tun, es gab es schon lange vorher, vermutlich bereits ab 1957 als die Harzquerbahn den Lokschuppen von der Nornmalspur übernahm.
    Kilian Kindelberger

  • http://www.siteupload.de/p898939-GleisplanWR19851jpg.html[/img]

    Das ist richtig denn damals sind eben genau die Schmalspurgleise zu den Normalspurigen hin zu gekommem. Auch die Drehscheibe wurde entsprechend ausgerüstet. Übrig geblieben sind danach noch 3 Normalspurige Gleise. Und zwar das Gleis 16 neben der Lokleitung mit Wechselweiche hinter der Bekohlung dann das Gleis 11 welches heute als Stupfgleis neben den Lokschuppen liegt, das hatte eine Normalspurverbindung zum Gleis 10 des Hbf, und letztendlich das Schuppengleis 2 als Mehrsystemgleis 13.
    LG Reiner

  • Hallo,

    auch von mir Lob für den Beitrag und nur eine Kleinstkorrektur zum Satz:

    "Die vorgesehenen DB-Betriebsnummern 299 110 bis 119 hat keine der Loks getragen."

    Das ab dem 1. Januar 1992 in den östlichen Bundesländern gültige Computernummernsystem hatte nichts mit der Bundesbahn oder gar der DB AG zu tun. Es war von Beschäftigten der bis 31. Dezember 1993 aktiven Deutschen REICHSBAHN erarbeitet worden und wich im Schmalspursektor vom Nummernsystem der Deutschen Bundesbahn stark ab ...

    Korrekt wäre also:
    Aufgrund der geplanten Gründung einer land- und landkreiseigenen Betreibergesellschaft für die Schmalspurbahnen im Harz bekam keine der 199 die ab Januar 1992 gültigen neuen DR-Betriebsnummern 299 110 bis 119 angeschraubt.

    Dazu aber eine Nachfrage:
    Waren die 299er Nummern vielleicht wie bei den 088-Nummern der sächsischen Traditionsloks (99 595, 99 713) im Führerstand mit Farbe angemalt worden?

    Viele Grüße
    AM

  • Zitat von André Marks


    Dazu aber eine Nachfrage:
    Waren die 299er Nummern vielleicht wie bei den 088-Nummern der sächsischen Traditionsloks (99 [size=18px]595[/size], 99 713) im Führerstand mit Farbe angemalt worden?

    am 31.07.67 im Raw Görlitz zerlegt :hot:

    :D

    es grüßt

    kleines