Liebe Freunde,
ich möchte einmal wieder ein kleines Streckenportrait starten.
Diesmal ist es die Bahnstrecke Berga Kelbra - Stolberg, welche mir sehr ans Herz gewachsen ist, da ich 2010 in Stolberg geheiratet habe und meine Hochzeitsgesellschaft mit einem Sonderzug anreisen durfte.
Schon in den 70 Jahren des 19. Jhd. wurde die Bahnstrecke Halle - Nordhausen eröffnet und gegen 1877 bekam auch das Städtchen Berga Kelbra einen eigenen Bahnhof. das weckte natürlich im 10 km entfernten Rotleberiode Begehrlichkeiten, weil dort Steinbrüche existierten und eine umfangreiche Holzindustrie.
Aber wie damals üblich gab es Widerstand gegen einen Bahnbau. Vor allem der Fürst zu Stolberg hatte große bedenken und hielt das Projekt lange auf.
Irgendwann erkannte selbst der Fürst, dass diese Bahnstrecke für die örtliche Industrie ein Segen darstellen kann.
In Rottleberode wurde ein hübsches Bahnhofsgebäude errichtet und der Fürst ließ sich ein Fürstenzimmer ausstatten. Ab da hieß der Bahnhof "Stolberg-Rottleberode". Das passte den Stolbergern gar nicht, denn auch hier war man an einem Bahnanschluss interessiert. Viele Projekte, wie die Verlängerung der Wippertalbahn oder Anschluss an die GHE u.a. gab es und wurden nie weiter verfolgt. Jetzt standen die Chancen gut, denn der Bahnanschluss ist gut für die örtlichen Handwerker, aber auch der aufstrebende Tourismus war schon im Fokus.
Erst 1923 wurde der Bahnanschluss für Stolberg realisiert, der Bau begann zwar 1914, aber der Krieg verschob die Bauarbeiten. Leider entstand der Bahnhof an der Südseite der Stadt Stolberg und damit recht weitweg von der Ortsmitte, was sich später zu einem Problem entwickeln sollte.
Nach dem Krieg startete die Bahn in nie gekannte Dimensionen, die Urlauberzüge waren proppenvoll und die Industrie um Rottleberode sorgte für gutes Aufkommen.
Erst ab 1990 sank der Stern im Reiseverkehr rapide.
Ende 1995 musste dann sogar die Strecke gesperrt werden, da Brücken und Gleise zu stark verschlissen waren.
Erst ein Protest aus der Region bzw. der Rottleberöder Industrie ließ das Land bewegen, weiteren Verkehr zu bestellen und damit eine Sanierung durch die DBAG auszulösen. Gut 20 Mio. Euro wurden hierfür aufgebracht und man konnte die Vmax erhöhen, so dass man in 18 Minuten die Strecke einmal durchfahren hat.
Am 26.06.1998 - zweieinhalb Jahre später - konnte die Bahnstrecke wiedereröffnet werden. Nebenbei hat die NASA einen Namenswettbewerb ausgerufen, wo der Name "Thyraliesel" auf besonderes Interesse stieß.
Doch die Liesel hatte wenig gute Voraussetzungen für den Erfolg. Es gab zwar durchfahrende Ausflugszüge aus Leipzig und Magdeburg, aber fehlende Werbung für diese Ausflugszüge waren Grund für die Einstellung.
Die Anschlüsse in Berga Kelbra waren nicht die besten, da man RE Züge aus Halle und Nordhausen gleichzeitig bedienen wollte. Allein das Umsteigen in Kelbra benachteiligte die Bahn gegenüber dem Bus.
So wurde das tägliche Angebot ab 2007 auf ein Wochenendangebot reduziert.
Aber was will man mit einem Wochenendangebot, was keiner kennt? 5 mal täglich pendelte der Leipziger Ausflugszug, bevor es wieder zurückging.
Ende 2011 - ein Jahr nach meiner Hochzeit war dann endgültig Schluss im Reiseverkehr.
So gab es die "Thyraliesel" gerade mal ein knapp 10 Jahre und hatte doch nie eine Chance.
Durchbindungen nach Sangerhausen - der Kreisstadt - wären eine Möglichkeit gewesen.
Schon 2012 wurde durch das EBA die dauernde Stilllegung des Abschnittes Rottleberode-Stolberg genehmigt.
Überraschend hat 2018 die Warnetalbahn GmbH diesen Streckenabschnitt gepachtet und möchte umfangreichen Holzverkehr starten. Ganz nebenbei soll es aber auch touristischen Personenverkehr geben. Einen Startschuss hatte man in 2020 geplant, jedoch ist der Zustand des Stolberger Viaduktes derzeit nicht gut und es muss saniert werden, letztlich hätte auch Corona hier kaum eine Umsetzung ermöglichen können.
Es bleibt abzuwarten, ob in Stolberg - einer wunderbaren Fachwerkstadt - wieder ein Zug ein und ausfährt....
Mit Sonderzügen und kleinen Festlichkeiten wurde die Wiedereröffnung gefeiert. Das der Regelverkehr nur 10 Jahre bestehen sollte, dass hatte keine geahnt. Hier Ausfahrt Berga Kelbra
52 8154 des EMBB aus Leipzig zog den Sonderzug und V100 003 war Schublok, denn mit der Sanierung gab es am Endbahnhof keine Weichen mehr.
Einfahrt Stolberg - für eine Ausflugsbahn wäre ein Abstellgleis nicht verkehrt gewesen, denn Sonderzüge fahren immer mal wieder und man hätte Platz in Stolberg.
Die Resonanz war ausgezeichnet - warum es dann bei den Ausflugszügen und beim Regelverkehr nicht mehr funktionierte, bleibt ein Rätzel.
Die Wittenberger V100 003 beim Verlassen des Bahnhof Berga Kelbra
Beinahe wie in alten Zeiten, waren hier nach den P8 Einsätzen nochmals 52.8 zuhause und zuletzt die baureihe 110/112. In den 90ern haben dann LVT den Verkehr übernommen, bei schlechten Oberbau muss ich nicht viel sagen, wie "angenehm" dann die Bahnfahrt war.
Ausfahrt Stolberg - leider sind heute Streckeneinsätze der V100 003 nicht mehr möglich. Umso schöner, dass der V100 Prototyp in den 90ern aufgearbeitet und eingesetzt wurde.
Der Leipziger Ausflugszug bestand aus einem 628 Doppel und war auch sehr gut besetzt, leider fehlte es an einem organisierten Marketing denn das es dieses Angebot gab, haben kaum Leipziger mitbekommen.
Ausfahrt Rottleberode Süd.
Ankunft in Stolberg, singend marschieren Wandergruppen von hier aus zum Josephskreuz
Die Feuerwehr war zur Versorgung der Dampflok notwendig
Heute sind hier Holzzüge und Kalkzüge von und bis Rottleberode unterwegs
Eines der letzten Planzüge in Stolberg im Dezember 2011