• ...herrschte vor mehr als 16 Jahren im Dezember 2004 in Carlsfeld, dem Endpunkt meiner Heimatstrecke, der WCd-Linie.


    Glück Auf!

    Am Wochenende 18./19. Dezember 2004 stand 99 568 aus Jöhstadt beim FHWE im Einsatz.
    Für mich war das die "wilde Zeit", die mit den ersten Fahrten von 99 568 auf den wiedererrichteten Gleisen des Bahnhofs Carlsfeld im September 2004 begann und in der Tages- und Nachtzeiten keine Rolle spielten. Ich war in Carlsfeld bei der Dampflok und nur DAS zählte. Da gab es absolut nichts Wichtigeres.

    Zeiten ändern sich...aus heutiger Sicht natürlich positiv:-)
    Ich hatte das große Glück, vom ersten Streichholzfunken an dabei zu sein. Es sollte am jenem Winterwochenende allerdings einen "zweiten Funken" geben, denn die Lok musste zweimal angeheizt werden. Warum?


    Am späten Freitagabend, 17. Dezember, fanden wir uns im Carlsfelder Lokschuppen ein. Wir, das waren Lars, Marco (Requiescat in pace!) und ich, bereiteten alles vor und zündeten 99 568.
    Die schon stattliche Schneedecke wuchs weiter an, es schneite die ganze Nacht durch. Bei der "68" lief zunächst alles planmäßig. Abwechselnd wachten wir über Feuer, Kesseldruck und Wasserstand. Die Ruhepausen verbrachten wir teils auf der Lok, teils im Aufenthaltsraum im Obergeschoss des Lokschuppens - wie schon die Kollegen in alter Zeit. Auch sie lauschten schon dem beständigen Rauschen der direkt am Heizhaus vorbeifließenden Wilzsch, das sie in oder um den Schlaf brachte... .
    Gegen 2.30 Uhr - ich kann die Zeit nicht mehr mit Bestimmtheit sagen - riss mich ein anderes, ungewohntes Geräusch aus der Ruhepause. Ein lautes, stetiges Zischen erfüllte den Lokschuppen. Marco und Lars waren schon unten bei der Lok. Die Ursache war schnell gefunden: Das vordere Aschlammventil war undicht und der bereits bei 10 bar stehende Kesseldruck brachte uns dies auf drastische Weise zur Kenntnis. Schnell war uns klar, das hier nichts zu machen war. Der Kessel behielt kein Wasser. Also, Feuer (und Wasser) wieder raus, die Lok kühlte langsam ab.
    Mit meinem Mobiltelefon habe ich unsere "Vorgesetzten" über die Lage in Kenntnis gesetzt. Besonders wohl war mir nicht dabei, denn wer erwartet nachts um 3 schon solche Anrufe... .


    Am Morgen bzw. frühen Vormittag des 18. Dezembers erschienen dann die Vereinskollegen des "Tagesdienstes", die jedoch noch nichts von der Lage wussten - lange Gesichter waren die Folge. Selbst wenn 99 568 einsatzbereit gewesen wäre - man sah im gesamten Bahnhof keine Weichen mehr! Ohne Schaufel und Weichenbesen wäre eh nichts gegangen. Also wurde zunächst geschippt, geschaufelt und gefegt. Man dachte zeitweise, die Versorgungslage von Carlsfeld hinge von der Funktionstüchtigkeit des Bahnhofs ab - wobei das früher durchaus so war (und nicht nur einmal).
    Wie nun weiter? Nachdem die Lok wieder kalt und der Kessel leer war, haben wir das defekte Ventil ausgebaut. Zur Reparatur war eine Drehbank und eine neue Dichtung notwendig - Dinge, die es in Carlsfeld zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht gab. Also musste das Bauteil wohl oder übel nach dem Lokschuppen Jöhstadt gebracht werden, wenn an diesem Wochenende noch in irgendeiner Weise "Winterdampf in Carlsfeld" stattfinden sollte. Ich habe mich für die Fahrt nach Jöhstadt zur Verfügung gestellt - doch soweit kam es dann doch nicht. Angesichts der hochwinterlichen Straßenverhältnisse war das auch ganz gut so.

    Denn zufällig waren unter den Besuchern des Bahnhofs Carlsfeld auch Mitglieder der Museumsbahn Schönheide, welche die Misere natürlich auch mitbekommen haben. Bereitwillig boten sie uns ihre Hilfe an, was unter den damaligen (!!) Umständen wegen des "besonderen" Verhältnisses zwischen FHWE und "Muba" keine Selbstverständlichkeit war. Vermutlich kam es uns deshalb auch nicht in den Sinn, wegen der Reparatur des Ventils gleich nach Schönheide zu fahren, was ja wesentlich naheliegender als Jöhstadt gewesen wäre. Kurz und gut, die Reparatur wurde fachlich korrekt ausgeführt, das Ventil wieder eingebaut und der Kessel mit Wasser gefüllt. Das war leider auch nicht in 10 Minuten gemacht, denn außer einer einfachen Tauchpumpe und einem Gartenschlauch stand uns dafür nichts weiter zur Verfügung. Es funktionierte trotzdem. Pumpe in die Wilzsch, Dampfpfeife der Lok abgeschraubt und Schlauch hineingehängt - Wasser marsch! Das war gegen 16.30 Uhr, die Dunkelheit brach herein.


    Danach lief alles wie am Schnürchen. Es muss gegen 22 Uhr gewesen sein, als 99 568 "fertig" war. Einige unerschrockene Fotofreunde harrten solange aus, um wenigsten paar Fotos der Lok anfertigen zu können. Wir sind mit ihr dann sogar noch eine kleine Bahnhofsrunde gefahren.

    Die Nacht wurde wie zuvor auf der Lok bzw. im Obergeschoss verbracht. All jene, die schon einmal eine Nacht mit einer unter Ruhefeuer stehenden Dampflok in einem kleinen gemütlichen Lokschuppen wie dem Carlsfelder verbracht haben, werden mir zustimmen: Es gibt fast nichts Schöneres! Die wohlige Wärme auf dem Führerstand, der Geruch der Kohle und des Dampfes, die Geräuschkulisse...es zischt, schnieft und gluckst. Traumhaft!

    Am Sonntag gelangen dann trotz wolkenverhangenem Himmel wunderschöne und bis zum heutigen Tage einmalige Motive. Meine Digitalkamera war anno 2004 allerdings nicht die Beste, ich habe aber versucht zu retten was zu retten ist;-):

    Es war eine Aktion, die allen Beteiligten bis heute unvergessen ist!

    Spätweihnachtliche Grüße

    Mike

  • Hallo Mike,

    eine wunderbare Geschichte. Ich kann es nachfühlen und die Atmosphäre ist mir natürlich vertraut. Ja, der Marco ist nun bald zwei Jahre nicht mehr unter uns.

    Gerade die nicht ganz so optimale Qualität der damaligen Kamera, in Verbindung mit der dichten und dicken Schneedecke lassen den Bf. Carlsfeld doch absolut authentisch erscheinen. Manche Aufnahme hätte durchaus auch 1965 auf ORWO-Film entstanden sein können. Das ist hier gerade der Vorteil der technisch noch nicht so hochwertigen Digitalfotografie und des tiefen Schnees.

    Viele Grüße

    Dampfachim

  • Hallo Mike,

    solche prägenden Erlebnisse sind natürlich das Salz in der Suppe für Profis und auch Amateure der "Schwarzen". Mit den Fotos lassen diese Erlebnisse auch heute noch nachvollziehen.

    MfG

    Helmut