Frage an die Dampflokexperten - Schieberachse und Zylinderachse nicht parallel ?

  • Mahlzeit!

    Hier wird ja einiges ganz schön durcheinandergeworfen.

    Die im Ursprungsbeitrag gezeigte Steuerung ist eine Allan-Trick-Steuerung und hat mit der Stephenson-Steuerung der Krauss 1813 herzlich wenig zu tun. Die Laura hat eine Stephensonsteuerung mit offenen Exzentern. Die Kulisse wird bei Vorwärtsfahrt gesenkt, bei gekreuzten Stangen würde sie dabei gehoben werden. Das gilt es zu beachten, wenn man sich Gedanken um das lineare Voreilen usw. macht. Bei Stephensonsteuerung mit gekreuzten Exzenterstangen verringert sich das Lineare Voreilen mit zunehmder Steuerungsauslage, bei offenen Stangen wird es mehr. Bei der Heusinger-Steuerung ist es über alle Füllungsgrade konstant. Doch auch da gibt es abseits der eher langweiligen Einheitslokkonstruktion ja auch diverse Varianten, nicht zu vergessen die Helmholtzsteuerung usw., das würde uns jetzt aber zu weit vom Thema abführen.

    Irgendwelche Gelenke gibt es in der Schieberstange nicht, die verläuft in einer Linie vom Kulissenstein bis zum Schieber. Nahe der Kulisse befindet sich die hintere Schieberstangenführung, auf deren Höhe die ansonsten runde Schieberstange als Vierkant ausgeführt ist. Ein Schieberkreuzkopf existiert nicht, er wird bei dieser Steuerungsbauart auch nicht benötigt.

    Hier mal eine Detailaufnahme der Krauss 3311, die ebenfalls Stephensonsteuerung mit offenen Exzenterstangen besitzt.

    Die Krauss 1813 hat nun noch eine spezielle Anordnung am vorderen Ende der Schieberstange: die eigentliche Schieberschubstange endet in einer Führungsbuchse am Zylindergehäuse. Über ein Zwischenstück ist die Schieberstange angebunden, die in den Schieberkasten hinein zum Flachschieberkörper führt. Auch in dem Bereich gibt es keine weiteren Gelenke. Der Grund für diese Anordnung ist im zur Verfügung stehenden Bauraum zu finden. Die Steuerung liegt außerhalb der senkrechten Zylinderlängsebene. Würde man den Schieber in der Längsebene der Schieberschubstange anordnen, so würde dieser relativ weit über die Begrenzungslinie des Fahrzeugs herausragen. Um das zu vermeiden hat man die Schieber Achse einfach parallel nach innen verschoben. Dies ist bei der IVK bekanntermaßen auch der Fall. Eine weitere konstruktive Möglichkeit wäre es den Schieber und seine Längsachse nach außen zu neigen, was bei verschiedenen Lokomotiven mit Flachschiebern auch gemacht wurde.

    Was den vermeintlich nach vorn geneigten Schieberspiegel auf den obigen Bildern angeht, so ist das eine falsche Vermutung. Im Gegenteil, der Schieberspiegel hat die gleiche Neigung, wie auch die Schieberstange. Es ist lediglich der Flansch zum Schieberkastendeckel nach vorn geneigt. Auch das hat konstruktive und vorallem fertigungstechnische Gründe: der Schieberspiegel ist durch diese Anordnung an der Vorderseite nicht von einem Rand umgeben und kann somit besser bearbeitet werden. Klassischerweise wurden die Schieberspiegel auf Waagerechtstoß- oder Kurzhobelmaschinen bearbeitet. Bei Schieberkästen, die ringsum mit einem hohen Flansch versehen sind, sind für die Bearbeitung recht lange Werkzeughalter notwendig, Im Vorliegenden Fall ist der Zugang zum Schieberspiegel wesentlich erleichtert.

    Schieberspiegel der Krauss 3311/1895.

    Soweit zum Thema Steuerungen, schönes Wochenende!

    Gruß Sven

  • Hallo Sven,

    Danke für die weiteren umfangreichen Erklärungen. Jetzt ist aber alles restlos klar.

    Übrigens :):):)

    Du schreibst

    Zitat

    Die Krauss 1813 hat nun noch eine spezielle Anordnung am vorderen Ende der Schieberstange: die eigentliche Schieberschubstange endet in einer Führungsbuchse am Zylindergehäuse. Über ein Zwischenstück ist die Schieberstange angebunden, die in den Schieberkasten hinein zum Flachschieberkörper führt. Auch in dem Bereich gibt es keine weiteren Gelenke.


    Und jetzt stelle ich das Bild hier in der Diskussion das 3. oder 4.x ein. Bisher hat das niemand beachtet.

    Nun ist aber auch in Sachen geneigter Deckel oben am Schieberkasten alles klar. Das kann man ja bei sehr vielen Lokomotiven beobachten. Irgendwie haben sich unser Altvorderen schon mächtig einen Kopp gemacht.

    cu

    Hans-Jürgen

  • Hi zusammen,

    Sven, vielen Dank für die ausführliche Erklärung und die aufschlussreichen Bilder!

    Bei der Jung Lok ist der Überstand des Flansches für den Schieberkastendeckel nicht so weit überstehend - laut der Bilder.

    Der Buckel im Schieberkastendeckel sieht so aus, als wäre er auch parallel zur Schieberachse.

    Dass die Schieberstange kein Gelenk hat, bezog sich auf die Stephenson Steuerung korrekt?

    Bei dieser Lok gibt es da z.B laut Werkfotos ein Gelenk und eine Führung der Schieberstange:

    Die Verbindungsstange zwischen Kulissenstein und Schieberstange ist auch zweigeteilt - eine Teil vor der Kreuzkopfführung und ein Teil dahinter. Dann ist die eigentliche Schieberstange auch noch über der oberen Kreuzkopfführung in einer Buchse geführt - sicher nichts, was man in 1:87 noch vernünftig nachbilden könnte.


    Ich habe dann mal loskonstruiert - die Farben sind nur zur Hervorhebung gedacht:


    Alles links vom Kreuzkopf ist noch stark vereinfacht, bzw. fehlt: Am Ende der Führung des Kreuzkopfs ist hier nur eine Stange statt des Blechs und das Gelenk für die Treibstange fehlt auch noch.

    Zylinder ohne Zeichnung:

    Andere Seite:

    Was hier noch fehlt sind die Flansche für die Stopbuchsen - oben mit Bohrungen quer und unten hochkant. Der Keil, der die Kolbenstange mit dem Kreuzkopf verbindet fehlt auch - aber ob man solche Sachen in H0e überhaupt noch sehen würde ...


    Viele Grüße, Matthias

  • Mahlzeit Matthias,

    deine Zeichnung zeigt eine Allan-Trick-Steuerung, bei der eine Gelenkverbindung notwendig ist, da sowohl Kulisse als auch Kulissenstein gegeneinander bewegt werden. Eine hintere Führung der Schieberschubstange kann ich in der einfachen Skizze nicht erkennen. Diese könnte auch nur maximal die Aufgabe einer seitlichen Führung übernehmen, da die Stange mit dem Kulissenstein gehoben und gesenkt wird.

    Gruß Sven

  • Hallo Sven,

    ja auf der Zeichnung sieht man das nicht. Ich habe aber noch einige Fotos - leider kann man nicht alles zeigen hier im Forum. Aber ein Werksfoto ist möglich:

    Der rote Kreis in der Mitte zeigt das axiale Lager der Schieberschubstange. Blau daneben ist der "Schieberkreuzkopf".

    Die Verbindungsstange zwischen Schieberschubstange und dem Kulissenstein ist dann auch noch mal geführt durch ein spezielles Blech - im linken roten Oval: Die Stange ist hier geteilt und führt um das Führungsblech quasi außen herum. In diesem Spalt ist dann auch der Eingriff des vorderen Hängeeisens der Umsteuerung.

    An dem Bild sieht man auch, dass eigentlich alle Komponenten der Steuerung deutlich vor der Ebene des Kolbens und des Kreuzkopfes liegen.

    Nun ist mir noch ein Problem aufgefallen: Der Abstand zwischen Zylinder - speziell Schieberkasten - und Rahmen ist bei mir viel zu eng! Auf dem Bild oben sieht man das Abdampfrohr hinter dem Schieberkasten - der Abstand wäre nach meiner Zeichnung aber viel zu eng. Es gibt auch andere Aufnahmen bei denen man deutlich noch die Schraubenköpfe des Zylinderträgers am Rahmen von leicht oben sieht.

    Weiterhin wirkt bei mir der Schieberkasten rein visuell auch viel zu breit im Vergleich mit Fotoaufnahmen:


    Weiterhin passt die Lage der Schubstange exakt senkrecht über der Kolbenstange auch nicht wirklich:

    Die Excenter liegen ja weiter außen als die Kurbel der Treibachse.

    Kurzum: da stimmt noch was nicht bei der Rekonstruktion!

    Ich vermute mal, dass die Achse der Schieberschubstange weiter außen liegen müsste und dass der Schieberkasten schmäler ist und eigentlich asymmetrisch, auch nach außen versetzt über dem Zylinder liegen müsste!

    Könnte das so sein - ist das bei andern Loks auch so - oder sogar notwendigerweise, wegen der Lage der Excenter?


    Viele Grüße, Matthias

  • Mahlzeit Matthias,

    es gibt technisch keine Notwendigkeit, die Schieberachse genau über der Zylinderachse anzuordnen. Bei den meisten Zylindern, die mir so spontan einfallen, ist das auch nicht der Fall, die Schiebermitte in Längsrichtung liegt zumeist weiter außerhalb. Das hatte ich ja weiter oben auch schon erwähnt. Der Deckel im Modell ist zu breit und die Schrauben zu weit vom gewölbten Bereich entfernt.

    Die vordere Schieberführung kann eigentlich so nicht funktionieren, es sei denn sie kann sowohl die Auslenkung als auch die lineare Schieberstangenbewegung mitmachen. Da wäre eine Detailaufnahme aus einem anderen Blickwinkel hilfreich.

    Gruß Sven

  • Nur mal als Anregung

    Die vorderen Geradführung (ich glaube das Ding heisst so) könnte

    auf der oberen Gleitbahn montiert sein. Entweder mit einer geraden

    Schlitzführung wo das Führungsteil nach oben oder unten geschoben

    und gleichzeitig je nach Steuerungslage zusätzlich etwas gedreht wird

    damit das Führungsteil genau in der Fluch zwischen Schwingenstein

    und Gelenk winkelig liegt.

    Als Alternative wäre eine leicht bogenförmige Schlitzführung denkbar

    die somit kein drehbarens Führungsstück bräuchte und somit immer

    im richtigen Winkel vom Schwingenstein zum Gelenk eingestellt ist.

    Konstruieren kann man viel.... auch wo der Schieber(spiegel) liegen soll.

    Ist aber etwas aufwändiger (früher) in der Herstellung.

    Besser kann ich das nicht auf die Schnelle zeichnen.

    Machts gut :weg:

  • Hallo Sven

    Das kann sein - muss es aber nicht unbedingt.

    Es könnte auch ein ganz anderes Bauteil sein.

    Ein Zwischenstück zur Einregelierung der Allan

    Steuerung.

    Im "Alexander" steht z.B. Vereinzelt werden die

    Excenterstangen geteilt ausgeführt. Die flanschartige

    Verbindung der Stangen erhält dann ein gewöhnliches

    Rotgusszwischenstück, das durch Abschwächung oder

    Verstärkung eine Änderung in der Länge der Stange

    gestattet:

    Und dann hab ich noch eine Zeichnung gefunden

    wo dieser Flansch in der Schieberschubstange

    eingefügt ist:

    Also wie man sieht es wurden in den Büros vieles

    ausprobiert um Verbesserungen einzubringen oder

    Patente zu umgehen.

    Ein Problem hier liegt in den "nur Fotos" der Teile

    der besagten Lok.

    Also - WEITERSPEKULATIUS

    Wünsche was :weg: