99 3301 wieder in Cottbus (Link zu DSO)

  • Danke für den link Ronald!!! Der Graf ist wirklich sehr gelungen! Einzig die blanken Blattfedern am Tender kommen mir etwas willkürlich vor, gab es so etwas? Optisch ist das aber ein schöner Akzent.....

    Viele Grüße,

    Lenni

  • Hallo Schmalspurbahnfreunde,

    die Freude in Cottbus ist riesig, dass die Lok 99 3301 "Graf Arnim" nun wieder betriebsfähig ist. Ermöglicht haben das unzählige Spender und Unterstützer, aber auch eine Förderung des Bundes, des Landes Brandenburg und der Stadt Cottbus. Die Lok hat den Status eines beweglichen Denkmals und Kulturguts von nationaler Bedeutung.

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    Blick in den Führerstand, kurz bevor sich der rote Vorhang für die 99 3301 öffnete.

    Am 26.10.2021 gab es aus diesem schönen Anlass eine Einweihungsfeier, welche im TV übertragen wurde und im Internet angeschaut werden kann:

    Anschließend richtete der Vorsitzende des Fördervereins der Parkeisenbahn Cottbus einige Worte an die Zuschauer:

    Auch meine Wenigkeit wurde um ein Interview gebeten:

    Die Aufarbeitung war in Wirklichkeit eine Restaurierung, die mit detektivischer Recherche vorbereitet und begleitet wurde. Zahlreiche Umbauten hatten die Lok in den letzten Jahrzehnten stark verändert und sie in ihrer betrieblichen Nutzbarkeit sowie dem äußeren Erscheinungsbild nachteilig eingeschränkt.

    Daher haben wir uns mit dem 2019 begonnen Projekt das ehrgeizige Ziel gesteckt, die Lok in einen historisch korrekten Zustand zurückzuversetzten, so gut dies möglich ist. Der gewählte Zeitraum sind die Jahre zwischen 1954 und 1963, wo uns eine Reihe guter Fotografien vorliegen, die als Grundlage dienen konnten. So besuchte z. B. Günter Meyer aus Aue am 22.06.1960 die Tschellner Inselstrecke der Waldeisenbahn Muskau und portraitierte die 99 3301 auf 17 qualitativ hochwertigen Aufnahmen. Darüber hinaus fertigte er vier Handskizzen per Bleistift an und beschriftete diese mit vor Ort abgenommenen Maßen. Sieben Jahre später fotografiere auch Klaus Kieper aus Ahrensfelde die 99 3301, da hatte sie allerdings schon einen Umbau an Dampfdom sowie Regler erhalten und war seit einem Jahr kalt abgestellt.

    Für die Lok liegen zwar die originalen Auslieferungsunterlagen von 1895 vor, nicht jedoch der Zeichnungssatz. Erschwerend kam hinzu, dass die Fotografen in den 1960er-Jahren leider kein Detailfoto des Führerstandes aufnahmen. Einzelheiten in den Bildern wurden daher mit anderen Krauss-Maschinen abgeglichen, diverse Teile von verschiedenen Lokomotiven desselben Herstellers durften wir vermessen, auszugsweise war das z. B. der Reglerhebel, die Speiseventile, der Dampfentnahmestutzen aber auch die hinteren Fensterrahmen des Führerhauses. Alle neu zu fertigenden Baugruppen wurden komplett am Computer mit einem CAD-Programm konstruiert und in ein 3-D-Gesamtmodell der Lok eingefügt, was sehr wichtig war, um Bauteilkollisionen (bei festen und beweglichen Teilen) im Vorfeld zu erkennen, zu beheben und bei der tatsächlichen Umsetzung zu vermeiden. Diese Arbeit unterstützte ganz maßgeblich ein in diesem Forum für sein "Projekt Hilax" bekannter Maschinist ;) Die Lokomotivwerkstatt Žamberk in Tschechien ließ schließlich die Konstruktion Realität werden, in überragend guter Qualität und einem offen Ohr für jedes Detail und jeden Sonderwunsch. Dabei kamen Kombinationen von alten und hochmodernen Fertigungstechniken zum Einsatz, von Warmnieten über Laserschneiden bis 3-D-Druck der Gussmodelle war alles dabei.

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    Bildschirmfoto eines Ausschnitts des 3-D-Modells

    Alle Umbauten und Bauschritte präsentieren, würde den Rahmen hier sprengen, aber vielleicht stelle ich diese mal separat vor, wenn ich die Zeit dafür finde. Interessierte Fans sind aber gern eingeladen, die Änderungen gegenüber 2008 zu suchen und zu finden :)

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    Zur Anmerkung bezüglich der Blattfedern: Sie sind nicht blank im eigentlichen Sinne, sondern in Elaskon getränkt. Diese dauerelastische Dichtmasse schützt besser vor Korrosion als normale Farbe, da sich die Federlagen beim Einfedern ja etwas gegeneinander verschieben. Außerdem "kriecht" das Elaskon bei Wärme wieder in die Ritzen. Auch die vier Blattfedern der Lok wurden auf diese Art behandelt.

    Alle Freunde der kleinen, alten Lokomotive sind ganz herzlich nach Cottbus eingeladen, beginnend mit Morgen (Freitag) 16 Uhr fährt die 99 3301 an drei Tagen (29. bis 30. Oktober Halloweenfahrten, 31. Oktober nach normalem Fahrplan).

    Viele Grüße,

    Christian.

  • Mahlzeit Lenni

    Danke für den link Ronald!!! Der Graf ist wirklich sehr gelungen! Einzig die blanken Blattfedern am Tender kommen mir etwas willkürlich vor, gab es so etwas? Optisch ist das aber ein schöner Akzent.....

    Viele Grüße,

    Lenni

    Die Maschine entspricht nach der Generalreparatur weitgehend dem optischen Erscheinungsbild um 1960. Dafür wurden im Rahmen der notwendigen Hauptinstandsetzung über die rein technische Aufarbeitung hinaus umfangreiche Arbeiten zur Wiederherstellung des mit dem Denkmalschutz vereinbarten Zustandes ausgeführt.

    Wegen des ausgesprochen schlechten Zustandes der Maschine mussten etwa 50% der Baugruppen erneuert werden. Der erhebliche Reparaturumfang bot die einmalige Chance, die Maschine in den historischen Zustand zurückzuversetzen. Zahlreiche Umbauten aus der Zeit kurz vor und nach der Übernahme der Lok durch die Pioniereisenbahn waren durch fehlende Ersatzteile und die örtlichen Anforderungen begründet. Ein musealer Anspruch bestand damals nicht, sondern es wurde angebaut, was an Einheitsarmaturen greifbar war. Durch die damals noch niedrigere Durchfahrtshöhe unter der Brücke am Stadion mussten ua. Schornstein und Lüftungsaufsatz auf dem Führerhaus gekürzt werden, die Pfeife wurde an die Führerhausvorderwand gesetzt.

    Die Maschine im Zustand kurz vor dem Beginn der Hauptinstandsetzung.

    Der Tenderaufbau wurde 1970 im RAW Stendal nach einem Brand neu gebaut und war wesentlich höher, als die Ursprungsausführung. Die Seitenwasserkästen wurden später im RAW Görlitz in sehr freier Interpretation neu gebaut. Der Rahmenwasserkasten wurde damals wegen seines schlechten Zustandes trockengelegt und die komplette Leitungsführung verändert. Dies führte zu permanenten Problemen mit den Injektoren. Der veränderte Schwerpunkt führte zu einer Verschlechterung der Laufeigenschaften, die Probleme wurden mit einer fehlerhaften Profilierung der Radsätze bei der Aufarbeitung im Vorfeld der BUGA 1995 noch verstärkt. Zudem waren die Kulissen der Stephensonsteuerung seit dem RAW-Aufenthalt in Stendal 1970 falsch herum angebaut, so dass die Dampfverteilung äußerst ungünstig war.

    Die elektrische Beleuchtung mit den Anbaulampen einer 52er und der Stromversorgung über einen 0,5kW-Turbogenerator war für die 40-PS-Maschine nicht nur optisch unpassend, sondern sorgte auch für einen hohen Dampfverbrauch. Der Dampfdom wurde noch Mitte der 60er Jahre bei der WEM durch einen Größeren, baugleich mit dem der Diana. Dabei wurde der Krauss-Regler vor dem Dom gegen einen seitlich angeordneten von einer Brigadelok ersetzt, was auch hier eine Änderung der Leitungsführung nach sich zog. Zur gleichen Zeit wurden die originalen Körting-Injektoren durch solche der Bauart Strube ersetzt. Die Federwaag-Sicherheitsventile wurden durch die Bauart Ackermann AK45 ersetzt. Deren lichter Durchmesser ist um 5 mm größer gegenüber der ursprünglichen Ausführung. Der gegossene Dampfentnahmestutzen wurde durch einen geschweißten der Bauart IVk, für den kleinen Führerstand viel zu riesig. All diese Umbauten waren im Wesentlichen den wirtschaftlichen Zwängen und fehlender Originalersatzteile geschuldet. Technische Verbesserungen wurden hierdurch kaum erreicht.

    Die Lok nach bestandener Probefahrt in Cottbus am Bahnhof Sandower Dreieck.

    Wie Christian schon schrieb, begann nach umfangreicher Recherche für uns die Konstruktionarbeit. Während wir beim Rahmenwasserkasten auf die noch in Resten vorhandene Originalsubstanz zurückgreifen konnten, waren für die Rekronstruktionen der Seitenkästen, des Führerhauses und des Tenders nur sehr wenige Informationen vorhanden. In monatelanger Arbeit wurden Skizzen, Konstruktionszeichnungen und CAD-Modelle erstellt, während die Arbeiten an Kessel und Fahrwerk begannen. Nach der Vermessung des Kessels wurde auch von diesem ein vollständiges 3D-Modell erstellt und die notwendigen Änderungen konstruiert. Der Langkessel wurde komplett mitsamt Rauchkammer erneuert, der Dampfdom wieder in seiner ursprünglichen Ausführung hergestellt. Der Stehkessel und die kupferne Feuerbüchse konnten wegen des guten Zustandes aufgearbeitet werden. Hierbei kamen klassische Verfahren wie das Warmnieten und Verstemmen, sowie der Einbau von kupfernen Aufdornstehbolzen zum Einsatz, die von der Kesselfabrik Kolín noch beherrscht werden.

    Erheblichen Aufwand machte die Konstruktion der fehlenden Originalarmaturen. Bis auf die Wasserstandsprüfhähne wurden alle vorhandenen Armaturen ersetzt und bis auf die Injektoren im eigenem Werk gefertigt. Da nur wenige Zeichnungen (Danke an Marian Sommer ua.) beschafft werden konnten, mussten zunächst Lokomotiven mit baugleichen Armaturen ausfindig gemacht werden. Es gelang uns, den Dampfentnahmestutzen und die Speiseventile auszuleihen und zu vermessen, wofür wir Herrn Bracke vom VMD danken. Die für die Fertigung notwendigen Gussmodelle entstanden teils als klassisches Holzmodell, teils im 3D-Druck-Verfahren. Auch bei der Kernfertigung wurden beide Verfahren eingesetzt.

    Der Tender wurde ab Oberkante Rahmen komplett neu gebaut und wieder vollständig genietet. Die Zug- und Stoßvorrichtungen wurden neu gebaut, der Rahmen umfangreich gerichtet und verstärkt.

    Die elektrische Ausrüstung, die für den Betrieb in Cottbus notwendig ist, wurde nach historischen Vorbild komplett neu konzipiert. Die Stromversorgung läuft nun über eine LKW-Batterie, die wie in den 50ern im rechten Seitenkasten untergebracht ist. Großen Wert wurde dabei auf eine unauffällige Installation gelegt, ohne FABEG-Dosen und den bisher verbauten großen Schaltkasten, der bei großen Lokführern immer mal wieder für Kopfschmerzen sorgte. Für das geforderte 3-Licht-Spitzen-Signal wurden bei einem Feinblechner in Neubrandenburg Nachbauten der ursprünglich mit der Maschine gelieferten und fotografisch belegten, bayrischen Petroleumlampen mit warmweißen LED-Leuchtmitteln beauftragt. Diese sind jedoch noch nicht fertig, weshalb übergangsweise kleinen Magnet-Lampen gefahren wird. Die seitlichen Lampenhalter waren in den 50er Jahren noch an der Lok vorhanden und wurden originalgetreu nachgebaut.

    Für mich als Konstrukteur und Projektingenieur im Auftrag der 1.Kolínská Lokomotivní waren die Arbeiten an der 99 3301 in den letzten 3 Jahren eine wohl einmalige Gelegenheit bei der so umfangreichen Restaurierung dieser einzigartigen Lokomotive mitzuwirken. Das Projekt verbindet klassische und moderne Verfahren, aber auch Fachleute und Enthusiasten über Ländergrenzen hinweg. Es zeigt auch, was möglich ist. Sowohl die technischen Erfordernisse, verbunden mit hohen restauratorischen Ansprüchen, als auch die betrieblichen Rahmenbedingungen wurden mit exzellenten Facharbeitern und einem tollen Projektteam umgesetzt. Dafür möchte ich Christian, Michal, Karel, Jiri, Zdenek, Jirka, Ondrej und Slavek danken.

    Natürlich wird sich die Maschine nun im Regelbetrieb beweisen müssen, die Probefahrten der letzten Wochen verliefen jedoch sehr vielversprechend. Eine ausführliche Dokumentation des Projektes werden wir später noch nachreichen, nun warten erstmal neue Aufgaben auf uns.

    Gruß Sven

  • Zur Anmerkung bezüglich der Blattfedern: Sie sind nicht blank im eigentlichen Sinne, sondern in Elaskon getränkt. Diese dauerelastische Dichtmasse schützt besser vor Korrosion als normale Farbe, da sich die Federlagen beim Einfedern ja etwas gegeneinander verschieben. Außerdem "kriecht" das Elaskon bei Wärme wieder in die Ritzen. Auch die vier Blattfedern der Lok wurden auf diese Art behandelt.

    Hallo Christian,

    könntest Du mir bitte einmal mitteilen, welches Elaskon-Produkt ihr verwendet und ob ihr damit schon Langzeit-Erfahrungen gesammelt habt?

    Danke im Vorab und

    freundliche Grüße aus dem Bw sendet der Peter B.

  • Hallo,

    ich war vor ein paar Wochen schon begeistert, dass die 990001 wieder dampft und jetzt noch die 99 3301 und dann noch in diesem Zustand nach 13 Jahren Stillstand! Ich muss gestehen, nie ein großer Fan der grünen Farbgebung gewesen zu sein.

    Ich bin seit meinem ersten Besuch 1989 ein großer Fan eurer Bahn, die sich gottseidank nach der Wende bis heute toll entwickelt hat.

    In dem einen Video spricht Denis Kettlitz von geschlossenen Wagen aus der Schweiz, könnt ihr schon verraten von welcher Bahn genau diese stammen?

    Alex

    Viele Grüße vom Pollo und aus Berlin!

    -ALEX-