Mein großer Wunsch war es immer, einmal von Groß Gerungs über Gmünd NÖ, vielleicht gar Heidenreichstein und Litschau nach Neubistritz (Nová Bystřice), Jindřichův Hradec nach Obrataň zu fahren, so wie man es hätte machen können, wenn dereinst der Lückenschluss Litschau – Neubistritz gebaut worden wäre. Heute wird dieser Abschnitt immerhin von einem Linienbus bedient. Da wir seit Herbst 2022 auf die Dienste der JHMD verzichten müssen, ist mein Plan ein bisschen zusammengeschrumpft und so sollte wenigstens der Wackelstein-Express zwischen Nagelberg und Heidenreichstein erlebt werden. Das Ganze getreu dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Ich fuhr also morgens um 6.09 von Budweis nach České Velenice, wo ich pünktlich ankam. Da ich aber bis zum Bus in Gmünd NÖ genügend Zeit hatte, verweilte ich erst noch etwas lesend in der Bahnhofshalle, von wo ich dann, schon auf den Spuren der Schmalspurbahn den Fußweg nach Gmünd antrat.
Kurz nach der Grenzbrücke begrüßte mich das Gleisdreieck, ich lief weiter zu Hofer und stockte meine Vorräte auf, eine weise Entscheidung. Angesagt waren für diesen Tag nämlich 33°C und ich wusste, was mich erwartet. Zumindest beim Weg. In der Bäckerei gab es Punschkrapferl und Mohnzelte, danach ging ich noch auf einen kurzen Blick ins Stadtzentrum, bevor dann endlich mein Bus kam. Mein Ziel, Neulangegg, schien der Buslenker so noch nie gehört zu haben, die Fahrkarte bekam ich dennoch. Mit mir war dann immerhin noch ein Fahrgast im Bus. Komischerweise wurde meine Haltestelle nicht angezeigt, also flugs das Bus-WLAN genutzt und geschaut, wohin ich entführt werde. Aha, Umleitung. Nicht besonders schlimm, aber durch die Sperrung der einzigen Brücke war das Dorf geteilt und ich konnte nicht zum Bahnhof Langegg laufen. Einen Versuch, den Bach zu überspringen, erwog ich, führte ihn aber nicht aus. Also: Auf der gesperrten Bundesstraße weiter nach Aalfang, zeitlich alles kein Problem. Den Bahnhof habe ich dortselbst auch schnell gefunden, eine Bank im Schatten. Frühstück!
Guten Morgen, Aalfang!
Der erste Zug von Heidenreichstein ist jetzt nicht das, was man perfekt im Licht nennen könnte, aber in der Not trinkt der Teufel auch Weihwasser bzw. das Huhn einen Korn. In freudiger Erwartung ging ich also dem Zug entgegen, immer das Bild einer 2091 mit zwei-drei Wagen vor Augen habend, der Cabriowagen fährt ja dieses Jahr (für 0mich: gottseidank) nicht. Ich vernehme den Zug und dann strahlen mich auch bald zwei Lampen an. Ich bekomme den Mund nicht zu, denn vor den immerhin vier Wagen hängt eine Art Feldbahnlokomotive.
Der (erste) Zug des Tages. Was ist das?
Ja, wenn ich schon einmal unterwegs bin, dann… Ich schaue mir die Bilder auf der Kamera gar nicht erst weiter an. Nun kommt der Zug ja alsbald zurückund ich überlege: fotografieren oder nicht? Als ich zum Bahnhof gegangen war, fiel mir eine Brücke auf und so beschloss ich, eben jene umzusetzen. Das funktionierte dann auch ganz gut, wenngleich der Zug was von Zirkus hat.
Besser. Aber nichts gegen orange.
Aber für den Zug des Wackelstein-Express, die orange 2091 mit, den Spantenwagen mit Pflatsch und Jaffa-Lack und einem Dienstwagen muss wohl erst noch gespart werden. Viel gespart. Die nun anstehende Zugpause nutze ich zum Fußweg nach Heidenreichstein, immerhin 5,5 Kilometer bei doch schon einigen Grad Celsius. Zunächst statte ich jedoch den Wackelsteinen Striezel und Scherzel einen Besuch ab.
Die Wackelsteine. Regungslos und kaum beachtet.
Der Weg nach Heidenreichstein ist gut zu gehen, abwechslungsreich, verläuft dann aber die letzten 2 Kilometer über freies Feld. Das Moormuseum hat geschlossen, der ganz Ort döst träge in der Mittagssonne. Ich fotografiere Burg und Stadtzentrum, kaufe dann noch einmal Getränkenachschub und begebe mich zum Bahnhof, wo sich schon einige Fahrgäste eingefunden haben.
Die Burg Heidenreichstein. In Heidenreichstein.
Einen Lokwechsel gab es leider nicht, sodass ich die kleine Maschine noch einmal begutachten kann. Putzig, ja. Aber doch nicht heute. Die Fahrkarte ist schnell gekauft, ich nehme Platz, ein Wagen ist komplett für die Teilnehmer eines Tagesausfluges reserviert, was den Enthusiasten hier nur zu gönnen ist. Die Fahrt genieße ich auf der Plattform des Wagens, die Hälfte der Strecke kenne ich ja schon und dann und wann sehe ich auch, wie sehr sich Streckenführung und Landschaft des JHMD-Südastes und der Wackelstein-Express ähneln. Sehr beeindruckend ist die Einfahrt nach Alt-Nagelberg, wo auf zwei Kilometern beide Strecken nebeneinander liegen. In Alt-Nagelberg ist eigentlich nichts, der Glaspark wäre eine Erkundung wert, aber nicht bei diesen Temperaturen. So erwarte ich die Einfahrt meines Anschlusszuges aus Gmünd NÖ nach Litschau. Unterdessen spricht mich ein Fotograf an und fragt nach meinen Bilderfolgen heute. Wir unterhalten uns gepflegt, ich klage mein Leid über den Zug mit der kleinen Diesellokomotive und zeige das Bild von der Brücke, welches Gefallen findet. Der Fotograf schickt sich an, nach Heidenreichstein zu fahren, ich hingegen will ja nach Litschau, was dazu führt, dass ich aus dem Triebwagen 5090 ihm winke und umgekehrt er mir. Ich habe selten so ausgelassene Menschen auf der Eisenbahn erlebt wie bei der Doppelausfahrt aus Alt-Nagelberg. mal überholt der Triebwagen, bald darauf der Zug nach Heidenreichstein, holt der Triebwagen auf, fällt die Diesellokomotive zurück. Nach etwa fünf Minuten endet das Spektakel und wir verabschieden uns.
Nun genieße ich den 5090. Ja, wirklich. Deren kantiges Aussehen, die Fahreigenschaften und der Innenraum, all das gefällt mir. Nur die goldene Farbe ist für mich ein Ärgernis, aber kein so großes, als dass es nicht einen goldenen Triebwagen bei mir im Modellbestand gäbe. In Litschau angekommen kaufe ich nachträglich meinen Fahrschein, leider verrechnet sich der Lokführer zu meinen Ungunsten (sicher nicht absichtlich), was ich aber erst daheim bemerke, auf der Fahrkarte ist nämlich nichts weiter aufgedruckt.
Charakterkopf
Schmalspuridyll in Litschau. Ich werde zwar mit den Niederösterreichbahn nicht warm, Planbetrieb wäre besser, aber geht es ja mal noch. Und jetzt so einen Triebwagen in grün-beige nach Osoblaha...
Nach ein paar Fotos sage ich dem 5090 und Österreich ade und laufe die wenigen Meter zum Busbahnhof. Der Busfahrer der Linie 744 ist erfreut über den Fahrgast und warnt, dass ich heute mit ihm nicht mehr nach Österreich zurückkäme, was ich aber auch gar nicht möchte. Ich steige in Nová Bystřice am Bahnhof aus, der ein Bild des Jammers abgibt. Das Bahnhofsgebäude teils ausgeräumt, das Gras wächst, das Ensamble vervollständigt ein Paketautomat und dass hier in zwei, drei Tagen wieder Züge fahren sollten – nicht daran zu denken.
Nach fast zwei Jahren wieder in Nová Bystřice. Es bricht einem fast das Herz.
Nach dem Mühsal des Tages folgt nun die Belohnung: Ein Besuch in der Brauerei! Die Schankwirtschaft wurde vergrößert, das Bier ist eines der besten, die ich kenne. Süffig, erfrischend und lebensbejahend. Ich verweile, komme zur Ruhe. Doch nicht lange.
Um 17.15 Uhr fährt mein Bus nach Neuhaus. Die Fahrt dauert keine 25 Minuten, da wird die Bahn auch in Zukunft keine Chance haben. Vom Busbahnhof aus muss ich mich sputen, um meinen Personenzug noch zu erreichen. Ich grüße die Schaffnerin, die grüßt zurück und lässt sich während der Fahrt nicht sehen, was in Tschechien doch ungewöhnlich ist. Die Auflösung folgt beim Umstieg in Veselí n/L, als sich die Schaffnerin entschuldigt, mich nicht kontrolliert zu haben, aber ich sah wohl aus, als hätte ich Ruhe benötigt. Sie fragt nach vorhandenen Fahrscheinen, die ich selbstverständlich hatte und wünscht mir einen angenehmen Abend. Den habe ich in der Tat, denn um 18.51 Uhr erreiche ich pünktlich wieder Budweis.
Schön war’s.
Martin
PS: Das große Ziel ist noch nicht aufgegeben...