Guude!
Angeregt durch diesen Faden: "Suche Info zu KVG ex DRG-VT/VS/VB - Bimmelbahn auf 1435 mm - Bimmelbahn-Forum" hatte ich beschlossen nach über 40 Jahren doch mal wieder mit der Bembel zu fahren! Ich habe also mein Rad geschnappt und bin in meinem Heimatbahnhof in den Zug gestiegen. In nicht mal 1/4 Stunde ist man schon in Kahl, im Bayern. Genauer gesagt in Unterfranken und hier beginnt - wenn man so will - die nördlichste Bayerische Lokalbahn, im Volksmund "Bembel" (auf hochdeutsch "Bimmel") genannt: die Kahlgrundbahn von Kahl nach Schöllkrippen. Da Bembel = Bimmel - im Hessisch/West-Unterfränkischen Dialekt - sollte die Bahn ja auch "irgendwie" mal ins Bimmelbahn Forum passen - auch wenn ich eigentlich nicht so auf "des neumodisch Zeusch" stehe. Aber schließlich hat es ja auch die zur S-Bahn durchmodernisierte Waldenburgerbahn hier rein geschafft .
Ich stehe am Bahnhof und schaue mich um - naja - schön ist es nicht unbedingt hier. Und interessante alte Fahrzeuge stehen hier auch schon lange nicht mehr rum. Früher stand hier häufig mal einer der 4 Vorkriegs Beiwagen VB 140 bzw. de-motorisierte VT 75 herum.
Der Bahnsteig der KVG ist inzwischen doppelt so breit wie früher?! Die direkte Gleisverbindung direkt nach Hanau gab es früher nicht. Eine komplizierte Sägefahrt wäre nötig gewesen. Hier wurde einiges umgebaut um nun die direkte Durchbindung der Züge nach HU Hbf zu ermöglichen!
So war das früher (1997 bei einer Sonderfahrt):
Im Hintergrund sieht man noch das inzwischen abgerissene alte Empfangsgebäude der KVG. Heute hat der Bahnsteig quasi das Gleis wo der Dampfzug drauf steht "geschluckt".
Interessanterweise gibt's immer noch ein zweites Gleis und die Möglichkeit einer Umfahrung:
Und das obwohl hier nur Zweirichtungszüge, Triebwagen Br 642 der Westfrankenbahn (DB Regio) Im Einsatz sind. Die Strecke gehört aber auch heute noch der KVG, die die Ausschreibung des Verkehrs auf ihrer eigenen Strecke verloren hatte - zunächst gegen die HLB, später übernahm dann die DB das Ruder (laut Zugbegleiter hat es hier mit der HLB nicht so dolle funktioniert).
Naja - Hessische Landesbahn in Bayern, das konnte wahrscheinlich nichts werden!
Am Ende des Ziehgleises - hinter der weißen Halle rechts, die es früher hier nicht gab, stand einst das alte Empfangsgebäude der KVG.
Früher gab es auch parallel zu dem Ziehgleis noch ein Abstellgleis, gerne genutzt für o.g. Verstärkungs-Beiwagen:
Hier sind es allerdings die Esslinger VB oder VS. Rechts noch mal das alte Empfangsgebäude.
So sieht es aus in Richtung Ausfahrt Schöllkrippen:
Auch hier gibt es noch einen kurzen Gleisstummel links - der eigentlich für nichts mehr nutze zu sein scheint. Er ist auch auf Openrailway Maps Karten nicht drauf. Ich hatte aber fast den Eindruck, dass er neu, wieder aufgebaut wurde. Diesen Eindruck hatte ich auch bei einigen anderen Nebengleisen unterwegs, deren Sinn sich mir nicht erschloss, zumal der Güterverkehr hier vor der Jahrtausendwende eingestellt wurde. Die fühere Gleisverbindung in Richtung Aschaffenburg ist dagegen nicht mehr in Gebrauch.
Uns so sah die Ausfahrt früher mal aus. Das kleine Ziegelhaus ist inzwischen auch weg.
Nach wenigen Minuten Wartezeit rollt die Bembel pünklich in den Bahnhof (was? wo gibt's denn sowas hier im Rhein Main Gebiet). Sie kommt aus Hanau - ich hätte eigentlich vorhin auch schon dort umsteigen können:
Beim Einsteigen merkt man gleich: Hier kennt jeder jeden! Der Zugbegleiter grüßt fast jeden mit Namen und hilft wo er kann mit Rollatoren, Kinderwagen, Rollstühlen. Es ist hier übrigens alles Barrierefrei gebaut. Nur auf der Hauptstrecke zwischen Kahl und Hanauer Hauptbahnhof ist die Bahnsteigkante leider 20 cm zu hoch!
In Michelbach gibt es eine planmäßige Zugkreuzung. Die Bembel verkehrt jede Stunde in jeder Richtung - und das werktags von 5 bis 23 Uhr!!! Und sie braucht von Schöllkrippen bis Kahl nur knapp 40 Minuten (für 23 km). Das muss ungefähr halb so lange sein wie früher ...
Übrigens geht es hier tagtäglich über zig unbeschrankte Bahnübergänge oder bestenfalls bei größeren Straßen solche mit Halbschranken. Von Unfällen ist mir hier nichts bekannt, obwohl die Streckengeschwindigkeit teils bis auf 80 km/h erhöht wurde. Und auch ansonsten ist die Bahn recht flott unterwegs - weit oberhalb der 30 ... Gemessen an der Unfallhäufigkeit auf Museums- und Touristikbahnen müsste es hier eigentlich ständig scheppern. Aber ich vermute mal, dass die Einheimischen einfach an ihre Bahn gewöhnt sind und genug gesunden Menschenverstand besitzen um aufzupassen.
In den Wagen Kinderzeichnungen und solche Plakate die die Verbundenheit der Leute im Tal mit ihrer Bembel verdeutlichen:
Hier noch ein paar Innenaufnahmen: Die Züge innen wie außen sauber und ordentlich:
(Okay - ich gebe zu: Seit bei uns "dehaam" die HLB das Ruder übernahm sind die Züge auch wieder sauber und ordentlich und ohne Grafitti Sauereien!)
War die Bezeichnung "Bembel" früher nur unter den Einheimischen üblich, so ist sie inzwischen offiziell geworden. Sie steht an fast jedem Triebwagen und auch über dem Internet Auftritt.
Wenn ich richtig gezählt habe, gibt es doch noch vier Bahnhöfe mit 2 oder gar 3 Weichen - obwohl planmäßige Kreuzungen wohl nur in Michelbach (s.o.) stattfinden. Und diese Nebengleise sind alle in sehr gutem Zustand - kein alter Gammel der nur noch nicht demontiert wurde. Es sind teilweise neue verzinkte Schrauben, neue Gleise und neue Schwellen. Die spannende Frage wäre: wozu eigentlich? Z.B. die Lokalbahn nach Ruhpolding kommt inzwischen ohne ein einzige Weiche aus.
Pünktlich kommen wir in Schöllkrippen an:
Hier geht es eng zu! Der Bahnhof steht voller Triebzüge, denn hier ist das AW der Westfrankenbahn für ihre 642 Flotte. Beim Einfahren wurde unser Zug mit dem am Gleisstumpf bereitstehenden TW gekuppelt, zurück geht es dann in Doppeltraktion. Die Züge sind hier übrigens auch nicht leer - obwohl das eine Fahrt außerhalb des Schüler- und Pendlerverkehrs am Vormittag und in die "falsche Richtung" war.
Hier sieht man: Der Bahnsteig ist gerade mal lang genug für 2 Züge! Spannende Frage: Wieso habe ich dann später unterwegs auch 3er Gespanne geshen? Das ist mir ein komplettes Rätsel. Das was man hier sieht ist schon der längste Bahnsteig/Hausbahnsteig von Schöllkrippen
Das neue Empfangsgebäude steht an derselben Stelle wie das alte. Hier kann man bequem in die Busse der KVG umsteigen. Der KVG Ticket/Service Laden ist täglich geöffnet(!) und macht einen professionellen Eindruck. Und es gibt sogar saubere Toiletten (all das sucht man in meinem Heimatort vergebens, da ist der gammlige alte Bahnhof heute eine Moschee).
Das war es dann erst mal vorläufig. Ab hier begann dann meine Radtour, bei der ich mir die Strecke und die Zwischenbahnhöfe ganz in Ruhe angeschaut habe.
Übrigens kann man hier auch toll wandern und spazieren gehen ... und wenn die Füße weh tun kann man sich einfach in den Zug setzen ...
Und: ach ja! Genau hier fuhr mein Vater vor über 50 Jahren mit dem Auto vorbei und ich sah den alten Bahnhof Schöllkrippen das erste Mal - und er stand voller toller alter Vorkriegs Wagen. Ich habe mich schwer gewundert hier die eckigen Triebwagen aus dem alten Trix Katalog mal "in natura" zu sehen (ich wusste damals nicht, dass es in dem Fall nur Beiwagen waren). Bis dahin kannte ich nur die "üblichen" Schienenbusse VT 95 / VT 98.
Viele Grüße, Matthias
PS: Bericht ergänzt mit einigen alten Vergleichsaufnahmen!