99 6101 Rollbockzug in Wernigerode (Link ins DSO-HiFo)

  • Der Reibwert auf der Schiene ist stark von den Umgebungsbedingungen abhängig, noch viel stärker als dies auf der Straße der Fall ist. So kann unter klinisch reinen Laborbedingungnen im Vakuum ein Reibwert von bis zu 0,8 erreicht werden, also 80 % des Reibungsgewichts können in Zugkraft umgesetzt werden. Unter Alltagsbedingungen ist das natürlich utopisch, da die Schiene immer mehr oder weniger verschmutzt ist und sich dadurch die Mikroverzahnung an der Berührungsstelle Rad/Schiene verschlechtert.

    In der Praxis heisst dass, unter sehr sauberen Umweltbedingungen sind Reibwerte von 0,5 oder etwas mehr in der Realität erreichbar. Das aber nur wenige Tage im Jahr, da man dafür einen sehr sauberen, nahezu staubfreien und trockenen Schienenkopf benötigt. Da reichen dann schon mehrere Stunden Trockenheit und eine kleine Staubschicht auf den Schienenköpfen und der Reibwert sinkt auf Werte von 0,33 - 0,4. Diese Reibwerte werden bei modernen Loks in der Regel zur Ermittlung der Maximalzugkraft herangezogen, da sie bei trockenen Alltagsbedingungen zuverlässig erreichbar sind. Bei Feuchtigkeit sind noch Werte von 0,15 - 0,25 erreichbar, je nachdem, wie stark sich da ein Schmierfilm bildet. Die pneumatischen (Druckluft-)Bremssysteme sind daher auf eine Reibwertausnutzung von max 0,15 ausgelegt, bei Voll-, Schnell- oder Zwangsbremsung. Damit ist sichergestellt, daß auch bei normal feuchten Schienen die Räder bei maximaler Bremskraft nicht blockieren.

    Ausnahmesituation und richtig haarig wird es bei diesem typischen Herbstwetter, wenn die glitschigen, feuchten Blätter ihren Saft auf den Schienenköpfen hinterlassen. Wenn da die richtige Mischung an Blättersaft und Feuchtigkeit zusammenkommt, erzeugt das einen extremen Schmierfilm, der den Reibwert zeitweise auf Werte bis zu 0,05 oder noch weniger zusammensacken lassen kann. Da hilft dann auch der Sand nur bedingt weiter und selbst leichte Züge belieben bereits an kleiner Steigung liegen. Zum Glück gibts diese Extrembedingungen nur stundenweise an wenigen Herbsttagen im Jahr. Aber dann hat man verloren, gerade mit der Dampflok. Denn selbst so eine moderne Neubauellok mit 80 - 90 t Reibungsmasse, Einzelachsteuerung und modernster Traktionskontrolle kommt dann ohne Sand nur noch auf Zugkräfte von 30 - 40 kN. Mit einer Dampflok braucht man da gleich garnicht losfahren!

  • Christian , warum ist das so ?

    Fragt Carsten D.

    Weil beim Anfahren das vordere Triebwerk entlastet wird. Durch den stark verringerten Reibwert steigt die Drehzahl des Triebwerks. In der Folge strömt der Dampf ab und der Druck im Verbinder fällt. Vom Regler strömt Dampf in das HD- Triebwerk. Das ND- Triebwerk erbringt durch den in den Schornstein entwichenen Dampf keine Leistung- das HD-Triebwerk muß nun die gesamte Leistung erbringen und gerät ins Schleudern. Dadurch wird der Verbinder zwischen HD und ND- Triebwerk mit Dampf gefüllt- der durch das nahezu stillstehende Triebwerk zunächst nicht abfließen kann. Dadurch wird das Triebwerk mit hohem Schieberkastendruck beaufschlagt und beginnt wiederum zu schleudern.

    Diesem Vorgang- der sich aufschaukelt, kann man nur durch schnelles Beiziehen des Reglers Einhalt gebieten. Mit vorsichtigem Öffnen- unter leichter Verringerung der Füllung "fängt" man die schleudernde Lokomotive wieder ein. Mallet- Lokomotiven beginnen meist bei Vorwärtsfahrt mit dem vorderen Triebwerk zu schleudern- während sie bei Rückwärtsfahrt oftmals deutlich weniger zum Schleudern neigen.


    Viele Grüße Christian

  • Hallo Christian,

    da muss ich mal reingrätschen. Das vordere Niederdruck-Triebwerk verrichtet schon seine Arbeit, denn der Dampf entweicht erst dann ins Freie, wenn er auch dort seine Arbeit getan hat. Das Problem bei den Mallet- und Meyer-Lok ist, dass eben beim Öffnen des Reglers zunächst nur die Reibungsmasse des Hochdruck-Triebwerkes zum Tragen kommt, weil nur dort Dampf ankommt. Deshalb gibt's dort die höhere Schleuderneigung. D.h. erst wenn sich das Hochdruck-Triebwerk bewegt, gelangt dessen Abdampf ins Niederdruck-Triebwerk und erst dann greift (im wahrsten Sinne des Wortes) die volle Reibungsmasse der Lok.

    Viele Grüße Leo

  • Danke Euch ür die Erklärungen für den Anfahrvorgang.

    Das von mir beobachtete Schleudern trat aber nicht beim Anfahren, sondern immer mal zwischendurch auf der freien Strecke auf. Aber ich denke das paßt nicht zum Thema der hiesigen Diskussion und sollte jetzt nicht hier vertieft werden.

  • Hallo Christian,

    da muss ich mal reingrätschen. Das vordere Niederdruck-Triebwerk verrichtet schon seine Arbeit, denn der Dampf entweicht erst dann ins Freie, wenn er auch dort seine Arbeit getan hat. Das Problem bei den Mallet- und Meyer-Lok ist, dass eben beim Öffnen des Reglers zunächst nur die Reibungsmasse des Hochdruck-Triebwerkes zum Tragen kommt, weil nur dort Dampf ankommt. Deshalb gibt's dort die höhere Schleuderneigung. D.h. erst wenn sich das Hochdruck-Triebwerk bewegt, gelangt dessen Abdampf ins Niederdruck-Triebwerk und erst dann greift (im wahrsten Sinne des Wortes) die volle Reibungsmasse der Lok.

    Viele Grüße Leo

    Hallo Leo-

    Du hast natürlich recht. Aber das hatte ichbei meiner Antwort als vorhandenes Wissen vorausgesetzt (und deswegen nicht weiter ausgeführt).

    Was ich aber oben vergessen habe- bei den Gelenklokomotiven (Mallet) stützt sich die Lokomotive auf dem vorderen Drehgestell ab. Nun- dieses wird beim Anfahren bei Vorwärtsfahrt durch das "Aufbäumen" der Lokomotive entlastet. Dadurch wird das Schleudern, besonders bei hohem Schieberkastendruck und großer Füllung, begünstigt. Aber auch die Führende Achse des Drehgestells wird bei An- und Bergfahrt entlastet- da sich das Drehgestell "aufbäumt". Das bedeutet- das Drehgestell dreht sich, quer zum Drehzapfen nach vorn oben.

    Bei Bergfahrt mit Schornstein voran kommt es immer wieder zum Schleudern- da auch hier das Drehgestell entlastet wird. Gleislagefehler und schlüpfrige Gleise begünstigen das Schleudern.

    Eine konstruktive Abhilfe war der Bau von Einrahmen- Lokomotiven mit seitenverschiebbaren Achsen nach Gölsdorf. Diese Erkenntnis war beim Bau der Mallet- und Meyer- Lokomotiven noch nicht bekannt. Deswegen hat man die Lokomotiven, die enge Kurvenradien befahren sollten- als Lokomotiven mit geteilten Triebwerken und wenigstens einem Drehgestell gebaut.

    Viele Grüße Christian

  • Zum Thema beschleunigen, Die Anfahrt mit den schleuderte Rädern war das bei Nässe normal oder wurde dort für die Kamera etwas Spektakel geboten ?

    Gruß Carsten D

    Hallo!

    Der Schnellstart war extra für die Kamera inszeniert. Der Kollege auf der zweiten Maschine ist ein Freund von mir...


    Grüße!