Ein Frühlingsbeginn, wie er schöner nicht sein kann...
Wenn die Olsenbande ein Ding gedreht hat, stand vorher auch nicht in der Zeitung, wann der Coup steigt. Auch der Schwarzbachbahn-Verein war bei der gestrigen Nachricht also überrascht. Früh zum Arbeitseinsatz in Lohsdorf wurde noch gerätselt, wann das Feuer angeht - aber die Meinungen waren insofern eindeutig: die Maschinenwirtschaft weiß genau, was sie macht und wenn zu einem ersten Test was schief geht (und das kann hunderte Gründe haben...) braucht man kein großes Publikum, was im Weg steht und dann mit hängenden Ohren auf die Heimreise geschickt werden müßte.
Wahre Helden arbeiten rastlos nahezu unsichtbar und erringen unaufhaltsam kleine Siege auf dem Weg, den sie selbst wählen und verfolgen. Ob sich jemand gewundert hat, als es 2020 losging und die 99 585 aus Schönheide nach Lohsdorf kam? Nicht nur gewundert... Die allgemeine Meinung klang in etwa so: "Jetzt sind die Schwarzbachbahner völlig übergeschnappt, jetzt wollen die in ihrer Feldschmiede eine Dampflok aufarbeiten..." Wobei "Feldschmiede" im ersten Step gar nicht so abwegig war, da es erst mal darum ging, zu prüfen, ob die Lok mit den zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt wieder an`s Leben gebracht werden kann.
Abgedeckt und von den Schönheider Freuden ausgezeichnet konserviert, schlummert die 585 Mitte 2020 auf einem Nebengleis in Schönheide. Der Dreck der Jahrzehnte hat an den unzugänglichen Stellen vermischt mit Öl und Rostschutz eine für Wasser undurchdringliche Schicht geschaffen, die zugänglichen Oberflächen sind mit Rostschutz und Farbe behandelt. Die Lok soll aber kein Denkmal mit ungewisser Zukunft werden, sondern erneut einen Frühling erleben.
Vor dem Bahnhofsfest 2020 kommt 99 585 in Lohsdorf an. Während die 99 516 den Festzug ziehen darf, steht die 585 daneben. Für Foto`s wird in der Rauchkammer schonmal ein kleines Feuerchen gemacht. Hoffnung und Kopfschütteln halten sich die Waage, die Foto`s sehen Klasse aus.
Direkt nach dem Bahnhofsfest wird die 585 zerrissen und der Kessel auf einem Schwellenstapel geparkt um eine eingehende Befundung zu machen. Die Blechstärken werden vermessen, eine erste Begutachtung ergibt: Viel Arbeit - aber es könnte gehen. Der Kessel selbst ist soweit in Ordnung, es müssen unzählige Dellen von Kalkfraß ausgeschweißt werden, die Rohrwand in der Feuerbüchse und Rauchkammer ist OK. Flicken in der Rauchkammer links und rechts ersetzen durch Lösche abgezehrte Bereiche. Nachdem klar ist, daß der Kessel verwendet werden kann, geht es mit den restlichen Baugruppe auch Stück für Stück weiter
Aus dem Fahrwerk wird die Abdampfführung ausgebaut, damit der Hauptrahmen abgenommen werden kann. Später werden die beiden Drehgestelle getrennt und komplett zerlegt - nur die Zylinder bleiben an Ort und Stelle. Berge von Einzelteilen verteilen sich in der Lohsdorfer Werkstatt, in einem extra angebauten Regallager. Bindedraht und Blechmarken für die Beschriftung sind gefragt, L R V H in beliebigen Kombinationen bezeichnen Einbauorte. Zur allgemeinen Verwunderung gibt`s außer Foto`s kein Inhaltsverzeichnis oder Teileliste - André hat das scheinbar alles im Kopf wie bei einem Lego-Bausatz.
Der Kessel wurde dann in der RVE-Werkstatt Marienberg sandgestrahlt, grundiert und nach Oberwiesenthal zur weiteren Bearbeitung gebracht, wo die 99 585 in der Halle der LWO ein neues Leben begann. Weiter ging es mit dem Einbau eines neuen Rohrsatzes, der hier in der Rauchkammerwand schon eingewalzt ist. Knapp 2 Jahre nach dem Start der Arbeiten fand am 06.06.2022 die Kaltdruckprobe des Kessels statt. Das wichtigste Bauteil ist also in Ordnung und Freude und Zuversicht machen sich breit.
Viele Teile gehen auf Wanderschaft in verschiedene Werkstätten zur Aufarbeitung, so wie hier die Kolben der Lok, die zum Schleifen und Verchromen der Kolbenstangen aufbrechen.
Unermüdlich fertigt Alf neue Bolzen, Lagerschalen, Buchsen als Dreh- oder Frästeil an - ich hab mal nach der Anzahl der Teile gefragt. Als Antwort kam dann: ... ich hab bei 100 aufgehört zu zählen...
Allein hier im Bild sind 12 neue Rotgußbuchsen, 6 Bolzen mit Sicherungsringen und neue Liderungen der Kolbenstange teils auf speziellen Halterungen neu angefertigt oder passend bearbeitet worden und das auf einer Drehbank, die absolut Jahr 2000-fest ist, also keinerlei elektronische Spielereien hat, aber mit einer unheimlichen Genauigkeit. Das vertraute Klappern einer IV K wird erhalten bleiben, aber keinesfalls wird eine neue Verbindung die Ursache sein!
Hier die Gegenkurbeln aller Triebwerke in ungewohnter Nähe nebeneinander. Fein gesäubert und eingefettet, die Arbeit besteht hier darin, die Lager der Schwingenstangen genau passend neu auszubuchsen. In der Mitte zwischen den Kurbeln steht eine Schwingenstange des hinteren Hochdrucktriebwerkes. Das Auge dieser Stange mußte aufgeschweißt werden um wieder die passende Stärke zu bekommen. Ein Problem dabei ist, daß auf der einen Seite die Halterung der Schwinge fest an der Steuerungskulisse angeschraubt ist, auf der anderen Seite aber die Achsen gerade und parallel im Rahmen sitzen müssen. Es kann also zu minimalen Abweichungen der Länge der Schwingenstange kommen. Es wurden extra verstellbare Musterstangen angefertigt, um die korrekte Länge im vorderen und hinteren Totpunkt im Versuch zu ermitteln und dann die Originalstange exakt auszubuchsen. Im Niederdrucktriebwerk sind die Schwingen geteilt und können mittels Beilagen korrekt angepaßt werden.
Der Kohlenkasten ließ sich nicht mehr retten und wurde neu angefertigt. Die Bleche waren schon durch feuchte Kohle und die Witterung soweit abgezehrt, daß eine Reparatur nur Flickwerk geworden wäre.
Der Führerhausaufbau wurde bis auf das Metall blank gelegt und der Farbaufbau mit Rostschutz, Grund und Lackfarbe neu angelegt. Diese Arbeit lief über mehrere Arbeitseinsätze immer nebenbei, wenn jemand Zeit hatte.
Wie beim Hausbau ist der Rohbau die Phase, wo es in großen Schritten vorwärts geht, es werden mit Kran oder Gabelstapler große Teile bewegt und montiert, der Fortschritt ist nicht zu übersehen. Das Fahrgestell ist schon eingeachst, der Hauptrahmen trägt wieder den Kessel, die Werkzeugkästen sind montiert, der Schornstein sitzt an Ort und Stelle. Wasserkästen, Kohlekasten und der Führerhausaufbau komplettieren den äußeren Eindruck der Lok. So sah es dann im Oktober 2023 aus und der "Rohbau" ging dem Ende entgegen.
Den Hauptbremszylinder muß man noch mit dem Heber unterbauen, dann hommen die unzähligen Teile, die man mit der Hand bewegen kann und deren Anbau schon aus geringem Abstand nicht zu sehen ist. Plötzlich werden die Uhrzeiger beim Arbeiten träge und die verfliegenden Kalenderblätter wiegen schwerer als der Materialzuwachs an der Maschine... (Mai 2024)
Neue Rohrleitungen für Dampf, Wasser, Luft, Öl und die elektrische Ausrüstung mit den angefertigten Befestigungen schlängeln sich am Kessel entlang und verbinden die Ventile am Hauptdampfverteiler mit den Verbrauchern, werden geprüft und farblich behandelt (November 2024)
Alle Arbeit gipfelt dann im ersten Atmen, der ersten selbständingen Bewegung der Lok nach genau 4,5 Jahren anstrengender aber unheimlich befriedigender Arbeit, die zum ganz überweigenden Teil von den hier abgebildeten Protagonisten geleistet wurde. Vielen Dank, Alf, André, Richard, Kevin und Marco (v.l.n.r.) Ihr habt der Lok ein neues Leben gegeben, nun kann sie wieder auf den sächsischen Schmalspurstrecken zur Freude der Fan`s schnaufend und fauchend für Begeisterung sorgen.
Viele Grüße, Euer restlos begeisterter Peter