Die dunklen Geheimnisse vom Kuhbrückenberg

  • Glück Auf!

    Ist man mit der Schmalspurbahn Cranzahl - Oberwiesenthal unterwegs, kommt man in Neudorf/Vierenstraße am Kuhbrückenberg vorbei. Die wenigsten Fahrgäste wissen, welche tragischen Ereignisse sich in den Wäldern dieses Bergrückens vor mehr als 80 Jahren abgespielt haben. Es ist vielleicht nicht verkehrt, diesen schicksalhaften Tag näher zu betrachten. Nicht weit vom Bahnhof Vierenstraße entfernt, trugen sich die tragischen Dinge zu.

    Es ist Montag der 11. September 1944. Über dem Erzgebirge strahlt die vormittägliche Spätsommersonne. Der Krieg ist zwar allgegenwärtig, dennoch ist die Gebirgsregion bisher von direkten Kreigseinwirkungen verschont geblieben. Das sollte sich heute jäh ändern.

    Denn vom englischen Stützpunkt Thorpe Abbotts startet am frühen Morgen die United States Army Airforce die Mission 623. Diese hat zehn Primärziele der deutschen Treibstoffindustrie zugeteilt bekommen, u.a. Leuna, Lützkendorf, Magdeburg, Misburg, Hannover, Böhlen, Brüx, Ruhland und Chemnitz. Zum Einsatz kommt die zur Eighth Air Force der USAAF gehörende 100th Bomber Group.

    Die deutsche Luftwaffe bemerkt die heranfliegenden amerikanischen Flugzeuge am späten Vormittag und sendet von den Fliegerhorsten Alteno und Welzow einen Verband aus 60 Jagdflugzeugen des Jagdgeschwaders 4 aus. Bereits über dem Thüringer Wald bei Oberhof greifen die Deutschen den amerikanischen Bomberverband gegen 11.40 Uhr an.

    Der Hauptkampf findet jedoch wenige Minuten später östlich des Fichtelbergs auf böhmischer Seite statt. Über Schmiedeberg (Kovarska) schlägt das deutsche Jagdgeschwader zu und überrascht die US-Bomber mitten in ihrem Langstreckenflug. Innerhalb kürzester Zeit werden 14 viermotorige US-Bomber des Typs B-17G "Flying Fortress" abgeschossen und weitere beschädigt. Kurz darauf erreichten auch US-Begleitjäger das Geschehen. Sie verwickeln die zumeist jungen deutschen Piloten in aggressive Kämpfe und ermöglichen somit den verbliebenen Bombern den Weiterflug. Fünf US-Bomber stürzen brennend im Fichtelberggebiet ab: Bei Gottesgab, Tellerhäuser, Kretscham-Rothensehma, Neudorf und Crottendorf.

    Die über Neudorf/Vierenstraße abstürzende Maschine mit der Kennung 2102695 LN-F, explodiert noch in der Luft, ihre Trümmer fallen in den Wald am Kuhbrückenberg. Das größte Wrackteil hinterlässt dabei einen mehrere Meter großen Krater. Die neunköpfige Besatzung besteht aus:

    Pilot 1st Lt. Wesley R. Carlton, 23 Jahre;

    Co-Pilot 2nd Lt. Edward F. Neu, 25 Jahre;

    Navigator 1st Lt. Hugh R. Davidson, 24 Jahre;

    Bombenschütze 1st Lt. Jack L. Eppendorf, 26 Jahre;

    Funker T/Sgt. Milton S. Edelstein, 21 Jahre;

    Bordingenieur/Turmschütze T/Sgt. Hike H. Bagdasian, 24 Jahre;

    Kugelturmschütze S/Sgt. Ralph E. Jacobson, 20 Jahre;

    Rumpfschütze S/Sgt. William U. Schaefer, 21 Jahre und

    Heckschütze S/Sgt. George E. Watrous, 35 Jahre.

    Überlebt haben den Abschuß nur der Co-Pilot Lt. Neu und der Navigator Lt. Davidson. Beide werden auf ihrer Flucht gefangen genommen und kehren nach Kriegsende in die Heimat zurück.

    Die sieben Leichen der restlichen Besatzung werden von Neudorfern und Waldarbeitern geborgen. Zusammen mit acht toten Besatzungsmitgliedern des nur wenige hundert Meter Luftlinie von der CW-Linie nahe der Toskabank bei Kretscham-Rothensehma zu Boden gegangenen Bombers, werden sie auf dem Neudorfer Friedhof in einem Massengrab bestattet. Modell der B-17G LN-F (350th Bomb Squadron, 100th Bomber Group), die in Neudorf am Kuhbrückenberg abgestürzt ist.

    Doch auch das deutsche Jagdgeschwader 4 erleidet erhebliche Verluste. In unmittelbarer Nähe der abgestürzten B-17 am Kuhbrückenberg gehen auch drei deutsche Jäger vom Typ Focke Wulf Fw 190A-8/R2 "Sturmbock" der 5. Staffel/II. Sturmgruppe nieder. Alle drei Piloten, Leutnant Günter Kunst, 21 Jahre, Unteroffizier Siegfried Zuber, 19 Jahre und Unteroffizier Günter Jung, ebenfalls 19 Jahre, kommen ums Leben. Auch sie werden, schwer entstellt, geborgen und auf dem Friedhof in Neudorf beigesetzt. Modell von Siegfried Zuber's Fw 190A-8/R2 "Weiße 5".

    Bis heute, mehr als 80 Jahre später, sind Spuren der Geschehnisse im Wald zu finden. Der Krater, den der B-17 Bomber in den Waldboden geschlagen hat, hat sich über die Jahre mit Wasser gefüllt. Hier und da findet man auch noch Wrackteile.
    Der mit Wasser gefüllte Krater an der Absturzstelle der B-17G LN-F im Sommer 2024.

    Auch die Absturzstelle von Siegfried Zuber ist noch deutlich sichtbar, auch dort hat sich ein kleines Biotop gebildet. Sein Flugzeug war beim Absturz in der Struktur noch intakt, es steckte mit der Nase zuerst schräg im Waldboden. Kurze Zeit später explodierte es jedoch. Absturzstelle von Siegfried Zuber, Frühjahr 2025.

    Keine Hinweise mehr findet man von den Absturzstellen von Günter Kunst und Günter Jung. Kunst stürzte direkt auf dem sogenannten Paulusberg ab, dort wo sich heute die Bergstation des Neudorfer Skiliftes befindet. Beim Bau desselben wurden die letzten Spuren inklusive der Wrackteile beseitigt. Die Maschine von Günter Jung explodierte in der Luft, so daß es keinen markanten Krater auf dem Erdboden gibt.

    Während die drei deutschen Piloten bis heute in Neudorf ruhen, wurden die 15 Amerikaner im Juni 1948 auf US-Befehl exhumiert und von einem Neudorfer Fuhrunternehmen in 15 Särgen nach Chemnitz transportiert. Erst am 27. Februar 1950 wurden sie in einer Gruppenbestattung auf dem Jefferson Barracks Nationalfriedhof in St. Louis, Missouri, beigesetzt.

    Grabstätte der 3 deutschen Piloten auf dem Neudorfer Friedhof, 2024.

    Ich hoffe der Beitrag stößt auf Interesse. Gern nehme ich weitere Hintergrundinfos entgegen, vielleicht weiß ja der ein oder andere einst auf der CW-Linie Dienst tuende Eisenbahner noch etwas aus Erzählungen älterer Kollegen oder von Anwohnern. Die "technische" Seite ist das eine, wenn die Ereignisse aber plötzlich Gesichter bekommen, erscheint vieles nochmal aus einem anderen Blickwinkel. In Neudorf selbst ist die Geschichte meiner Meinung nach nur unzureichend aufgearbeitet. Außer dem Grab deutet nichts auf die Ereignisse hin, auch die Absturzstellen sind ohne spezielle Kenntnisse nicht zu finden. An den Unglücksorten selbst gibt es keinerlei Hinweise, was nachdenklich stimmt... .

    Anders ist die Situation an der Jöhstädter Schiene, wo es am selben Tag ebenfalls zu einem Absturz eines Bombers kam. Dort dokumentiert eine sehr gut gestaltete Info-Tafel nahe des Gegentrum-Stollns über die Ereignisse.

    Ansonsten ist das Thema "Luftschlacht über dem Erzgebirge" im Fliegermuseum Kovarska fast erschöpfend, erstaunlich sachlich und wertungsfrei dokumentiert. Ein Besuch dort ist unbedingt zu empfehlen. Kovarska/Schmiedeberg ist mit dem Saisonverkehr Cranzahl - Chomutov per Bahn erreichbar. So schließt sich der Kreis zur Eisenbahn wieder.

    Es grüßt aus Neudorf

    Mike

    Eisenbahntechnische Schauanlage Neudorf

  • Glück auf an alle interessierten. Ich selbst war auch schon mehrfach in Schmiedeberg. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat es nur Samstag Nachmittag geöffnet. Wie es jetzt ist weiß ich nicht genau. Also bitte vorher erkundigen damit man nicht vor Verschlossener Tür steht.