Ungarn: Schmalspurbahn Nagybörzsöny

  • Nach 8 Kilometern steiler Bergfahrt ist der Zug im Endbahnhof Nagyirtáspuszta, mitten im Wald gelegen, angekommen. Zur Zeit meines Besuches war die Verbindungsstrecke nach Márianosztra gerade im Bau. Das Umsetzen der Lok wurde vom Personal einfach gespart und der Zug talwärts geschoben:

    Gruß, René

  • Immer schräg von vorn, ach was, sondern hier mal den Zug in seitlicher Pracht im Spiel von Licht und Schatten:

    Gruß, René

  • Ein wenig deutsche Geschichte in Ungarn anhand des Dorfes Nagybörzsöny (Deutsch Pilsen) für interessierte Leser (auch wenn dieses Thema keinen Bezug zur Eisenbahn hat):

    Lage unweit des Donauknies im Börzsöny-(Pilsen-)Gebirge nahe der slowakischen Grenze; Komitat Pest; Einwohnerzahl (nach der amtlichen Volkszählung 1941): 1739 (968 Ungarn, 766 Deutsche)

    Nagybörzsöny war ein Dorf, wo Bergleute wohnten, und das mit den in der Nähe liegenden sogenannten oberungarischen Bergstädten, mit Körmöcbánya (Kremnitz) und Selmecbánya (Schemnitz) Kontakt hatte. In diesen Städten siedelten sich im 13. Jahrhundert Deutsche an, die eine süd-mitteldeutsche und südbayrische Sprache gesprochen haben. Vermutlich hat der Grundherr, der Erzbischof von Esztergom (Gran) aus diesen Städten Familien zum Betreiben der Gruben von Deutsch Pilsen gerufen. Folgendes beweist das: sogar im 19. Jahrhundert konnte man feststellen, dass der deutsche Dialekt von Deutsch Pilsen mit der süddeutschen, südbayrischen Sprache von Körmöcbánya verwandt ist.

    Das Dorf gehörte in den 70-er Jahren 16. Jahrhunderts zu den mittelgroßen Dörfern, aber seine Steuer war höher als die einiger Städte. Das weist darauf hin, dass Deutsch Pilsen sogar in der Zeit der Türkenherrschaft ein wirtschaftlich starkes Dorf war. Nach einem deutschen evangelischen Priester wohnten 1572 in Deutsch Pilsen vorwiegend Deutsche.

    Das Dorf entwickelte sich verhältnismäßig ausgeglichen weiter. Später hat es unter den Folgen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges gelitten.

    Vor allem die Folgen des Zweiten Weltkrieges waren in der Hinsicht der örtlichen Deutschen am schwersten. Nach dem Krieg gehörte auch Deutsch Pilsen zu den Orten, aus denen die deutsche Bevölkerung umgesiedelt wurde, weil sie Mitglied im Volksbund waren. Aufgrund einer Registrierung aus 1945 wurde 100 Männer aus Deutsch Pilsen in die SS gemustert, davon 85 Männer unter Zwang. Wenn man noch in Betracht zieht, dass die damalige Bevölkerung des Dorfes etwa 1800 Personen betrug, deren absolute Mehrheit, über 80% Deutsche waren, kommt einem die Zahl von 15 Freiwilligen unbedeutend vor.

    40% der deutschen Familien wurden umgesiedelt, mehrere Familien mussten aus ihrem Haus ziehen. Aber die Deutschen aus Deutsch Pilsen wurden nicht nach Deutschland, sondern ins Komitat Nógrád, in ungarisches Milieu umgesiedelt. Die Mehrheit dieser Familien ist innerhalb von zehn Jahren zurückgekehrt.

    Der Anteil der Deutschen im Dorf nahm wegen der Ansiedlungen von Ungarn ab, aber in den 80-er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich noch immer 60-62% der Bevölkerung als Deutsche bekannt. Trotz der noch immer großen deutschen Bevölkerung sprechen aber immer weniger der Jugendlichen im Dorf den Deutschpilsener Dialekt. Man kann nicht mehr über eine deutsche Minderheit von großem Anteil im Dorf sprechen, eher über viele Familien, die einen deutschen Namen haben oder von deutscher Abstammung sind.

    Diejenigen von den älteren Dorfbewohnern, die noch immer die Mundart sprechen, mischen vielmals ihre Sprache mit ungarischen Wörtern. So ist schon jetzt ein Teil des Wortschatzes verlorengegangen. In 15-20 Jahren wird man nur ein paar Menschen finden, die noch die Mundart sprechen werden. Das wird zum Untergang einer sehr alten Sprache, und damit zum Untergang einer Kleinkultur führen.

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (2. Dezember 2015 um 21:34)

  • Doch nun bildlich zurück zum Bahnhof des Ortes, dessen Geschichte ich gerade ein wenig beleuchtet habe. Ein Zug erreicht den Bahnhof Nagybörzsöny:

    Dies soll auch vorerst der Abschluss dieses Berichtes sein. Mal sehen, von welchen ungarischen Schmalspurbahnen ich im nächsten Jahr berichten kann. Langweilig wird es hoffentlich nicht. :wink:

    Gruß, René

    Einmal editiert, zuletzt von rekok73 (3. Dezember 2015 um 14:38)