Als noch Schlachtschiffe über die Furka fuhren

  • Hallo

    Wer erinnert sich noch an den Betrieb auf der Furka Bergstrecke?
    1981 machten wir, im jugendlichen Alter, eine Exkursion an die Furka.
    Der Grund war nicht zuletzt, weil das die letzte Saison war, in der die Züge über den Berg fuhren. Die Eröffnung des Furkalochs stand unmittelbar bevor.
    Was mit der Bergstrecke passieren würde, stand damals noch in den Sternen.

    Also, die Fotoausrüstung schnappen und ab.
    Ja, Fotoausrüstung! Man war damals noch bescheiden:
    Zur Konfirmation bekam ich von meinem Götti eine Edixa TL SLR aus dem Kaufhauskatalog geschenkt. Mit Schraubgewinde!
    Heute weiss ich, dass die dazumal schon ein Ladenhüter war, aber gegenüber der Kodak Instamatic mit Fixfocus und Fixbelichtung, war das schon ein Riesenfortschritt.

    Ja, und da war ein 50mm Objektiv. Mit dieser Kamera und dem einen Objektiv habe ich 7 Jahre lang fotografiert. Man kannte nichts anderes und war glücklich damit.
    Als Belichtungszeiger diente ein kleiner Zeiger im Sucher, den man etwa in die Mittelstellung bringen muss. Betonung auf "etwa" Der mass einfach das ganze Bild. Wenig Schwarze Dampflok vor viel heller Umgebung, bedeutete, dass man massvoll überbelichten musste.
    Nur: Was war massvoll? Da stand man immer vor dem Dilemma, "Wieviel darfs denn sein?"

    Zoom gab es nicht, um die Lok formatfüllend auf den Sucher zu bekommen und das sonst so beliebte vor die Lok stehen, und die Belichtung dort einzustellen, ist bei einer Vorbeifahrt eines Zuges nicht so leicht möglich :) (und wenn der Zug stand, wäre man von der Fotografengemeinde gesteinigt worden)
    Belichtungsreihen wären auch Schön und Gut gewesen. Nur: Bei einem Stiftenlohn von 300 Franken und dem Preis eines Diafilms von 15 Franken, war dieses Verfahren, nur schon aus pekuinären Gründen nicht angezeigt.

    Schliesslich, wenn man mit Eltern gesegnet war, die das Hobby des Sohnes als Zeitverschwendung apostrophierten (heute sehen sies anders!), kamen ja noch die An- und Abreise, das Halbtax, das seinerzeit auch 360 Franken kostete (bzw. das Jugendabo für 90 Fr) und die Tageskarte dazu,
    sowie der halbe Preis der auf der FO, die 1978 aus dem GA Bereich ausgetreten war.

    Und dann: Ob das Dia gelungen war, konnte man erst eine Woche später beurteilen, wenn die Bilder dann vor einem lagen. Viele konnte man nicht mehr wiederholen.
    Das Dia war gemacht. Es musste so in den Projektor, oder ausgeschaubt werden.

    Wer also nicht mindestens die Grundbegriffe der Fototechnik intus hatte, war auf verlorenem Posten. Photoshop gab es zwar auch schon: Das war aber der Laden, in dem man die Filme kaufte.

    Und die Filme: Abendfüllende Diskussionen, ob man nun Kodak, Agfa oder Fuji nehmen sollte! Jeder war auf seinen Film eingeschworen und verteidigte ihn durch alle Böden!
    Dem Fuji sagte man nach, er habe einen Grünstich, dem Kodak, er sei für blauen Himmel und Wüste gemacht.
    Das war schon nicht so unwichtig: Den nachbearbeiten konnte man ein Dia nicht.

    Für mich war der Agfa CT21, später CT24 und dann CT200 der Film der Wahl. Der Hauptgrund war, dass die Agfa Filme jeweils 3 DIN empfindlicher waren als die Konkurrenz. Mit 100 bzw. 200 ASA, konnte das, gerade bei schlechtem Wetter, Bild oder Nichtbild bedeuten. ¨
    Was aber nicht hiess, dass ich gelegentlich auf einen Ektachrome ausgewichen bin, den man bis 400 Asa Pushen konnte. Allerdings mit Verlusten in der Bildqualität.

    Und trotzdem: Es war eine schöne Zeit. Man kannte nichts anderes, hatte sich arrangiert, und hörte belustigt den alten Fotografen zu, die von ihrer Zeit erzählten, und dachten: "Wie gut es wir doch haben!"

    Nun zur Furka:

    Warum "Schlachtschiffe" ?
    Für mich haben die HGe4/4 der FO immer an Schiffe erinnert:
    Das robuste Untergestell, dass sich mit dem, an den Enden verjüngenden Längsträger des Kastens und den Schneeräumern optisch zu einem "Rumpf" verdichtete, die massiv aussehenden Aufbauten, zusammen mit der "Reling" kam mir immer Schiffsmässig vor.
    Auch dass die Loks fast immer gemächlich unterwegs waren, unterstützte diese Assoziation.

    Damals wussten wir es nicht, aber es war ein letztes Aufblühen dieser Loks, die auch den "hochwertigen" Verkehr bewältigten.

    Hier bei der Ausfahrt von Gletsch in Richtung Furka:





    Hier zeigt sich an den Wagen bereits das neue Design der FO.
    Das Blutrot weicht dem Signalrot mit Bauchbinde.




    Hier das Zahnstangenende vor Gletsch:



    Endlich kam er:

    Der Glacier Express.



    Leider hat das Original einen weissen Schleier in der Mitte, so dass ich das Bild vergewaltigen musste.
    Im Hintergrund der Rhonegletscher



    Ja, der Glacier Express. Damals einfach ein durchgehender Zug. Mit normalem Wagenmaterial. Je nachdem wurden unterwegs noch Wagen an- und abgehängt.
    Der Speisewagen fuhr lediglich von Chur bis Andermatt und wartete dann auf den Gegenzug.
    Das haben wir uns oft zunutze gemacht: In Andermatt, nach dem abhängen, am Speisewagen geklopft, und den Kellner gefragt, ob man dann zurück über den Oberalp noch Platz zum speisen habe.
    Hat immer geklappt.
    Das Essen, das im Wagen gekocht wurde, hat damals so um die 27 Franken gekostet. Mit Suppe, Salat, Hauptgang und Nachtisch. Hauptgang wurde 2 Mal geschöpft. Aber es war Table d'hôte.
    Das heisst, es wurde gegessen, was auf den Tisch kam. Wie zu Hause.

    Der heutige "Aquariumszug", mit Panoramawagen, Esssensdünsten, Klimaanlage und andern Details, die die eigentliche Natur rigoros vom Wageninnern auschliessen, mag vom Betriebswirtschaftlichen seine Berechtigung haben und ist der MGB auch zu gönnen,
    aber der eigentliche Glacier Express ist gestorben.
    Damals waren die Fenster im Sommer offen. Man roch die Landschaft auch. Wer erinnert sich noch an den Frühsommer, als der Bärlauch roch?

    Und noch was sieht man: Die grünen Wagen der RhB. Dannzumal war das Wagenmaterial auf dem Stammnetz der RhB grün.
    Eine "kleine Rote" in meinen Augen ein Werbegag von deutschen Busunternehmern, gab es nicht.

    Hier nochmals die Komposition. Alt und neu, bunt gemischt.



    Hinter Gletsch gings dann das Tal hoch, in Richtung Belvedere:

    Den Rhonegletscher sah man noch.



    Hier der Gegenzug: Auch wieder mit 2 grünen RhB Wagen





    Suche den Zug, 50 mm Brennweite :) :



    Ein verstärkter Pendel beginnt in Muttbach - Belvedere die Talfahrt



    Schienen sind langlebig!


    Als man den Rhonegletscher noch sah!



    Am Strassenübergang unterhalb Muttbach:



    Nachher gings wieder zurück und wir wanderten nach Oberwald hinunter:

    Ausfahrt aus dem Kehrtunnel unterhalb Gletsch:



    Wie eine Modellbahn:


    Die neue Zeit wirft schon ihre Schatten:
    Tunnelbaustelle:

    Alt und neu:





    Am Tag drauf wollten wir die Ostseite besuchen. Da hatte der Wettergott leider etwas dagegen:

    Bei der Ankunft sah es noch so aus:



    10 Minuten später dann so:



    So dass wir nach Hause gingen:




    Ich hoffe, der Ausflug 34 Jahre zurück hat euch gefallen.

    Gruss und Frohe Weihnachten wünsche ich Euch allen.

    Guru

    Einmal editiert, zuletzt von guru61 (24. Dezember 2015 um 10:44)