Kein Klo im HSB-Triebwagen: "Es war der Horror!"

  • Eine Frau wollte eine dreistündige Reise durch den verschneiten Harz machen und landete in einem "unbeheizten" HSB-Triebwagen ohne Klo. Das Drama nimmt seinen Lauf und gipfelt in einem Leserbrief an die örtliche Lokalzeitung:

    Es war der Horror!

    Gut: Jeder normaler Mensch, den schon am Ausgangspunkt der Reise die Blase drängte, wäre gleich aufs Klo gegangen. Oder hätte später den Triebfahrzeugführer um Rat gefragt. Jeder normale Mensch hätte das Örtchen in Drei Annen Hohne aufgesucht oder jenes in Eisfelder Talmühle. Das mag aber nicht gegangen sein: Vielleicht war die Frau inzwischen am Sitz festgefroren? Es war also der "Horror!" Darunter ging es offenbar nicht.


    Zugestehen muss man aber auch, dass die Erläuterungen des HSB-Sprechers optimierungsbedürftig sind. Man kann, denke ich, schon erwarten, dass das Verkaufspersonal über die Fahrzeugausstattung auch bei kurzfristigen Änderungen informiert ist oder dahingehdende Äußerungen unter einen Vorbehalt stellt. Und wenn die Heizung etwas Zeit braucht, um in die Gänge zu kommen, dann muss man sie eben früher anstellen. Deshalb sähe es in einem Schmerzensgeldprozess für die HSB schlecht aus. Wäre ich der Richter würde ich aber vermutlich den Anspruch der "Geschädigten" wegen Mitverschuldens um die Hälfte kürzen.

    GL

  • Es ist schon eine Zumutung solche Oldtimer, gemeint war ja ein Fischstäbchen, im Liniendienst einzusetzen. In der Regel gibt es ja keine Durchgehenden Zugfahrten zwichen Wernigerode und Nordhausen. Aber beim planmäßigen, und eben nicht beim außerplanmäßigen, Fahrzeugtausch laufen die Fahrzeuge aber durch. Auf Grund der frühen Fahrplanlage dieser Fahrt sind aber die örtlichen Toiletten noch geschlossen und werden erst zur Betriebsaufnahme der Dampfzüge geöffnet. Als keine Chance auf einen Toilettengang. Und ungeheizt bzw. schlecht geheizt ist ja wohl auch unzumutbar. Ich kann die Frau voll verstehen. Der Triebwagenverkehr ist eben ein ungeliebtes Kind der HSB. Ebenso ungeliebt der Verkehr zwischen Wernigerode und Nordhausen mit dem man sich mit unverschämten Fahrgästen herumärgern muß. Diese Fahrzeuge sind nun mal nur was für Fuzzies, ebenso sind sie beim Fahrpersonal unbeliebt. Es war aber kein Leserbrief sondern ein recherchierter Artikel der Harzer Voksstimme.

    Gruß von ganz oben, der Bergmensch. 🙋‍♂️

  • Ist es wirklich so, dass die Toiletten in Eisfelder Talmühle erst mit dem ersten Dampfzug geöffnet werden?

    Das hieße, dass die Toilette erst um 11.00 Uhr öffnet, wenn der erste Dampfzug aus Nordhausen eintrifft.

    Dann kann ich die empörte Leserbriefschreiberin noch mehr verstehen.

    GL

    Einmal editiert, zuletzt von Gert Lauken (4. Februar 2016 um 17:05)

  • Hallo,

    das waren noch Zeiten, als man selbst nach einem ausgiebigen Besuch der Bahnhofskneipe oder einer Ausflugsgaststätte, noch unbeschwert jeden Zug benutzen konnte! Für eine Drei-Stunden-Fahrt von den Fahrgästen einen Toilettenverzicht zu verlangen, oder eine kostenpflichtige Toilette auf einer Zwischenstation anzubieten, ist schon frech. Welcher "normale" Fahrgast hat schon Kenntnis, über die Abfahrtzeiten auf den Zwischenstationen?
    Bei einer Fahrt von Quedlinburg bis Eisfelder Talmühle dürfte das ähnliche Probleme geben.
    Da ich das Problem kenne, verzichte ich (leider) auf solche Touren. Vielleicht bin ich da nicht der einzige.
    Die Frau von dem Leserbrief dürfte für die nächsten Jahre als Kundin verloren sein, u. so mancher Zeitungsleser sicher auch.
    Für die Fahrpreise heutzutage wird schon ein beeindruckender Komfort geboten.

    Viele Grüße

    Holger

  • Hallo Gert,

    nun mag die Frau auf der Querbahn die Möglichkeit haben, an zwei Zwischenstationen ein WC aufzusuchen, wenn diese funktionsfähig und benutzbar sind (Ersteres hat nicht automatisch Letzteres zur Folge).

    Auf der Selketalbahn sieht es noch "besser" aus. Nehmen wir den Zug 8952. Eisfelder Talmühle ab 11.06Uhr, Stiege ab 11.27Uhr Gernrode an 13.08Uhr. Sollte da eine ältere Dame ab Stiege das WC aufsuchen müssen, weil die Blase drückt, dann darf sie sich eineinhalb Stunden gedulden, bis sie in Gernrode angekommen ist. Das finde ich sportlich! Ältere Herrschaften nehmen ärztlich verordnet häufig Diuretika zur Entwässerung ein. Das ist heutzutage eher der Normalfall. Die HSB setzt gerade im Selketal häufig ihre 'historischen Triebwagen' ein. Gleichzeitig fehlt im Fahrplan jeglicher Hinweis, dass in diesen Fällen über einen längeren Zeitraum kein WC verfügbar ist. Ältere Fahrgäste bilden eine Hauptklientel der HSB ... sind also die 'normalen Menschen'! Gerade das Selketal leidet eh schon unter zuwenig Fahrgästen. Da wirken sich solche Pressemeldungen doch eher kontraproduktiv aus, zumal die normalen Leser diese Meldung verallgemeinernd auf die ganze HSB beziehen, nicht nur auf die Harzquerbahn ... und bezüglich der Selketalbahn sogar zu Recht. Das bei der Aufarbeitung der 'Fischstäbchen' kein WC eingebaut wurde (und es handelte sich bei dem beschriebenen Triebwagen wohl nicht um den T1), ist wohl auch nicht der baulichen Unmöglichkeit, sondern den finanziellen Vorgaben geschuldet.

    Gruß, René

  • Hallo,

    soweit mir die Berichterstattung in Erinnerung ist war die Nachrüstung von Toiletten in den Fischstäbchen wohl angedacht, wurde dann aber aufgrund von technischen bzw. Zulassungsproblemen nicht durchgeführt. Das man also wenn man gewollt hätte "so ohne Weiteres" Toiletten hätte einbauen können stimmt damit nicht.
    Zur Thematik generell möchte ich sagen, dass eine Anfrage beim Zugpersonal sicherlich zumindest bezogen auf die Aufenthaltszeit an einer Unterwegsstation mit ortsfester Toilette zu einer Lösung geführt hätte. Ob überhaupt (auch im Bezug auf die Heizung) eine Anfrage an den Triebfahrzeugführer erfolgte geht aus dem Artikel nicht hervor, scheint aber eher nicht so gewesen zu sein.

    Gruß Michael

    26305-signatur-def-jpg

  • Hallo,

    grundsätzlich halte ich die Triebwagen ohne Toilette für den Einsatzzweck, den sie bei den HSB erfüllen müssen, auch für ziemlich ungeeignet. Im Selketal ist es nach meiner eigenen Erfahrung beim morgendlichen 8951 (Qlb. ab 08.30 Uhr, Etm an 10.51 Uhr), für den auch gerne die Fischstäbchen verwendet werden, denn auch geübte Praxis, dass sich in Alexisbad zumindest die männlichen Fahrgäste nach Rücksprache mit dem Triebfahrzeugführer über die Dauer des Aufenthalts erstmal ins Gebüsch schlagen. Die Damen haben da eher das Nachsehen, und ab Alexisbad bis Talmühle ist dann im Zweifelsfall für alle Durchhaltevermögen gefragt.

    Zurück zum Artikel, noch ein paar Anmerkungen:

    - In DAH ist die von außen zugängliche Bahnhofstoilette um diese Zeit zwar wohl noch geschlossen, ich nehme aber an, dass der freundliche Tf (und freundlich sind sie alle!) sie auf Nachfrage wohl mit seinem Schlüssel geöffnet hätte ... wenn die Dame ihn denn gefragt hätte. Die Aufenthaltszeit jedenfalls reicht beim 8901 sogar für ein "großes Geschäft".
    - In Etm gehört die Toilette zur Gaststätte und ist auch nur vom Schankraum aus zugänglich, und die Gaststätte macht eben erst um 11.00 Uhr auf und an Montagen gar nicht.
    - Das man bei der teuren , 2 1/2 jahre dauernden Aufarbeitung der Fahrzeuge partout keine Toilette einbauen konnte, halte ich für Quatsch. Man hätte nur wollen müssen...
    - Und die eisigen Temperaturen sind dem Umstand geschuldet, dass der Triebwagen in WR nachts draußen steht und der Tf erst ein paar Minuten vor Abfahrt Dienstbeginn hat. Und bis das alte Teil innen mollig warm ist, dauert es seine Zeit. Allerdings müsste doch der Schuppenheizer, der die Dampfloks versorgt, auch im Tw die Heizung beizeiten anschalten können? Alle eine Frage der Organisation...

    Ansonsten passt der Artikel aber gut in den Katastrophenjargon, welchen sich alle Lokalredakteure landauf, landab inzwischen von der BILD erfolgreich abgeguckt haben. Entsetzlicher Journalismus, aber Volkes Stimme steht da wohl drauf...


    Beste Grüße aus dem Bergischen Land

    Thomas

  • Hallo Michael,

    beim Einbau von WC hätten sicher neueste Auflagen (geschlossenes System) erfüllt werden müssen. Hier stellt sich der generelle Sinn nach der Aufarbeitung. Die Triebwagen sind weder im modernen Nahverkehr und auch nicht im Langlauf sinnvoll einsetzbar. Die Triebwagenumläufe fahren in den Tagesrandlagen und in den Schwachlastzeiten ... also, wenn die öffentlichen WC geschlossen sind, sofern überhaupt vorhanden. Das die Frau nicht auf ihr Problem aufmerksam gemacht hat, halte ich für eine zugegeben eigenwillige Interpretation.

    Gruß, René

  • Hallo René,

    sicherlich hätte der Einbau eines geschlossenen WC-Systems erfolgen müssen. In einem alten Thread (habe ich gerade extra nachgeschaut) steht folgendes:

    Zitat

    Bei der letzten BW Führung in Wernigerode erzählte der BW Boss,daß der Einbau der WC geplant war,aber der Platz für das geschlossene System nicht vorhanden ist. Da wo es hin sollte befindet sich der Tank. Eine Alternative gibt es wohl nicht.


    Quelle: https://bimmelbahn-forum.de/wbb13/60/threa…687&sid=&page=2 (vorletzter Beitrag)
    Versteht mich nicht falsch, ich finde das auch äußerst ungünstig, dass in diesen Triebwagen kein WC verbaut ist und ich hoffe dass zumindest der 12er bei seiner Frischzellenkur ein solches bekommt, aber was nicht geht geht halt nicht und Neufahrzeuge sind finanziell gesehen wohl einfach nicht machbar.

    Ich weiß natürlich genausowenig wie ihr ob die Frau auf ihr Problem aufmerksam gemacht hat oder nicht, allerdings habe ich ähnlich wie Thomas nur durchweg positive Erfahrungen mit den Personalen der HSB gemacht, sodass ich es mir irgendwie nicht vorstellen kann dass man dann nicht zumindest in irgendeiner Form versucht hätte das Problem zu lösen wenn man darauf angesprochen wird. Auch bei der Heizung gibt es ja sicherlich gewisse Einstellungsmöglichkeiten bzw. zur Not einen Hinweis an die Dame unter welchem Sitz sich der Heizkörper befindet.
    Insofern es den Versuch der Unterstützung durch das Zugpersonal gab (und da wäre die Aufenthaltszeit ja nun wirklich das kleinste Problem gewesen), so hätte der in meinen Augen im Artikel zumindest Erwähnung finden müssen um die Berichterstattung nicht einseitig zu machen.

    Gruß Michael

    26305-signatur-def-jpg

  • Hallo Michael,

    dies nehme ich zum Teil auch als persönliches Kompliment, dass Du nur positive Erfahrungen mit dem Personal gemacht hast ... ich war ja mal eine Zeit lang ein Teil davon. Was in der Zeitung steht und was letztlich die Realität war, lässt sich hier für diesen konkreten Einzelfall sowieso nicht rekonstruieren. Darauf waren meine Antworten nicht angelegt. Mir ging es um die Fahrzeuge, ihr problematisches Einsatzfeld und die Bedürfnisse von älteren Menschen allgemein. Das ältere Semester bildet schließlich einen erheblichen Anteil der HSB-Fahrgäste. Und negative Meldungen wirken da sehr kontraproduktiv (ältere Menschen wirken da in ihrem Umfeld auch ohne Smartphone wie Multiplikatoren). Denn gerade für ältere Fahrgäste spielen die Themen Gesundheit und Befindlichkeiten eine übergeordnete Rolle. Da ich neben dem erlernten Beruf des Eisenbahners auch noch ein Krankenpflege-Examen gemacht habe und in der nachfolgenden beruflichen Tätigkeit in der Kinder- aber später in der Gerontopsychiatrie viel mit älteren Menschen zu tun hatte, spreche ich dabei aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz. ;)

    Gruß, René