Zum „Platz der Donner“ mit dem Spielzeug-Zug

  • Zusammen mit meiner Frau habe ich im September und Oktober 2014 der Norden Indiens mit der Bahn bereist. Stationen waren Delhi, die Kalka-Shimla-Bahn im Himachal Pradesh, Jaipur und das Fort Amber, Agra mit dem wunderschönen Taj Mahal, das Hindu-Heiligtum Varanasi am Ganges und zum Schluss ging es nochmal in die Berge des Himalaya …

    Teil 1

    [SIZE=4]Der Zug nach Darjeeling[/SIZE]

    Dorje Ling, Platz der Donner, so der tibetanische Name – wurde von den Engländern Darjeeling genannt. Der Ort befindet sich im Norden Indiens im Bundesstaat West-Bengal. Dort fährt immer noch der Toy-Train, eine alte Schmalspurbahn auf 2 Fuß Spurweite (610 mm) zum Teil mit uralten Dampfloks. Heute bringt man den Ort weltweit aber eher mit dem berühmten Tee in Verbindung.
    Um dem feuchtheißen Klima im Süden Indiens zu entkommen, flüchteten die englischen Kolonialherren in die „Hill-Stations“ in den Vorbergen des Himalaya. Darjeeling war dafür ein bevorzugter Ort. Der Transport von Gütern und Menschen mit Ochsenkarren aus der Ebene hinauf auf über 2100 m Höhe gelang nur unter erheblichen Schwierigkeiten. Es wurde eine Schmalspurbahn gebaut. Die Streckenführung mit engen Bögen entlang der Straße wurde an besonders steilen Straßenabschnitten mit Doppel-Spitzkehren ("Reverse") und 360°-Kehren ("Loop") künstlich verlängert, um Höhe zu gewinnen. Seit der Eröffnung 1881 wird die Bahn mit kleinen aus Englend stammenden B-Kuppler-Lokomotiven betrieben.


    Für die 87 km lange Strecke von Jalpaiguri in der Ebene über Siliguri hinauf nach Darjeeling fährt der Zug acht bis zehn Stunden, wenn die Strecke nicht gerade durch Erdrutsche (Landslides) vom letzten Monsun beschädigt ist. Auch wir waren davon betroffen und konnten, nach etwas mühsamer Autofahrt, nur die letzten 31 km von Kurseong nach Darjeeling mit der Bahn fahren. Leider haben wir deshalb den spektakulären Streckenabschnitt von Sukna nach Mahanadi mit den Loops und Reverses nicht befahren können.


    Seit einiger Zeit fahren vor diesen Zügen aber kleine Diesellokomotiven. Um 15:00 Uhr sollte der zweite und letzte Zug des Tages von Kurseong abfahren, nachdem dieser um 13:10 Uhr Kurseong anlaufen sollte. Aber bei unserer Ankunft um 14:30 Uhr ist weit und breit kein Zug zu sehen. Die Marktstände und parkende Autos auf dem in der Hauptstraße liegenden Gleis lassen keine Zugfahrt erahnen.


    Der Bahnhof in Kurseong ist ein seitlich an die Strecke angeschlossener Kopfbahnhof mit Empfangsgebäude, überdachtem Bahnsteig, Güterschuppen und Abstellgleisen. Früher gab es auch eine Drehscheibe. Weitere Gleise liegen in der Straße. Der Lokschuppen befindet sich weiter talwärts ebenfalls an der Straße.


    Erst um 15:20 Uhr ist in der Ferne ein martialisch klingendes Signalhorn aus dem immerfort währenden Gehupe der Autos herauszuhören. Der Zug kommt. Die Händler allerdings bleiben gelassen. Erst wenige Meter vor der Lok werden in aller Seelenruhe Bananen, Äpfel und Hühnerkäfige von Gleis geräumt. Unmittelbar nach dem Zug wird das Gleis sofort wieder seiner Nutzung als Marktstand zugeführt. Nachdem der Zug rückwärts in den Bahnhof gedrückt wurde, verschwindet die Lok mit viel Gehupe zum mehrere 100 Meter weiter talwärts gelegenen Lokschuppen (Loco Shed). Von Eile keine Spur. Uns fällt wieder die Mahnung unseres Reiseführers ein: “In Indien musst du die Tugend der Pünktlichkeit durch die Tugend der Geduld ersetzen“.


    Es ist inzwischen 16:00 Uhr! Die Lok kommt zurück. Ankuppeln und Rausschieben des Zuges aus dem Bahnhof auf die Straße gehen nun zügig voran.


    Auf der Fahrt wird das Signalhorn, welches selbst die lauteste Lastwagenhupe übertönt, fast ununterbrochen betätigt. Wahrscheinlich ist das Hupen die Hauptaufgabe des Beimannes auf der Lok. Unterwegs werden immer wieder Flaggenzeichen in grün von der Lokmannschaft und den beiden Schaffnern gegeben. Alles in Ordnung. So ging es über 3 Stunden von Kurseong aufwärts nach Ghum und dann wieder abwärts nach Darjeeling. Das Schaukeln des Zuges ist bedenklich, aber die Gesichter der Schaffner bleiben entspannt.

    Die Ausblicke auf den Himalaya und die Teeplantagen sind überwältigend. Die nahe am Abgrund liegenden Gleise sind nichts für schwache Nerven, ebenso wie die Begegnungen mit den schweren LKW´s.


    Plötzlich oberhalb von Sonada die rote Flagge und eine ruckartige Bremsung. Vor uns steht der Gegenzug. Eine außerplanmäßige Zugkreuzung auf freier Strecke? Nach kurzem Palaver der Zugpersonale fahren wir ein ganzes Stück zurück in ein offenbar sehr selten befahrenes Stumpfgleis und lassen den Gegenzug vorbei.


    Weiter geht´s – die Verspätung ist nicht geringer geworden …
    Es dämmert bereits und aus den Tälern steigen die Wolken auf – grandiose Ausblicke aus dem fahrenden Zug. Wir kommen ins Träumen.


    Wegen unserer starken Verspätung fährt uns ab Ghum der Dampfzug, der nur zwischen Ghum und Darjeeling pendelt, auf Sicht- oder Hörweite voraus. Leider ist dadurch die planmäßige Überholung in Ghum entfallen. Es ist bereits dunkel.


    Bei unserer Ankunft in Darjeeling wartet der bestellte Jeep zum Glück immer noch am Bahnhof auf uns und bringt uns in das altehrwürdige koloniale Hotel Elgin mit Zimmern vom Feinsten mit Kamin, Marmorbad und Riesenbetten wie zu Omas Zeiten. Den Tag lassen wir schnell bei einer Tasse Darjeeling-Tee und einem ausgiebigen Hähnchen-Tikka ausklingen, denn am nächsten Morgen soll es um 3 Uhr früh losgehen zum Tiger Hill.


    Teil 2 mit dem Tiger Hill und einer Fahrt mit dem Dampfzug folgt ...

    3 Mal editiert, zuletzt von Ron van den Born (11. Oktober 2015 um 01:10)

  • Schon gespannt auf den zweiten Teil, sage ich aber jetzt schon mal herzlichen Dank für die Reise in eine ganz andere, eindrucksvolle Welt.
    Nicht nur die Bahn ist mit ihrer Leistung und Streckenführung eindrucksvoll - auch das Drumherum auf den Bildern hat seinen Charme.

    Toll eingefangen - Danke.

    Gruß von.............

    ...........Peter, der Schmalspurlok